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25.08.1997 00:00

Wiener Walzer der Rotoren

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Wiener Walzer der Rotoren unter flackerfreiem Licht

    Chemnitzer Wissenschaftler geben Windkraft neue Impulse

    CHEMNITZ. Ob Elektrizitaet aus Wind eine umweltfreundliche Art der Energieerzeugung ist, ist unter Experten heftig umstritten. Viele Bewohner der Kueste empfinden die anfangs begruessten Windkraftanlagen mittlerweile als stoerend. Selbst nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) - der im uebrigen unter bestimmten Voraussetzungen zu den Befuerwortern derartiger Anlagen zaehlt - beeintraechtigen sie die Siedlungsdichte und den Bruterfolg von Voegeln. Umstritten sind die Anlagen auch oekonomisch - der von ihnen erzeugte Strom ist viel zu teuer. Auch der Flaechenverbrauch ist nicht ohne: An die 100.000 mittelgrosse Windkraftanlagen sind noetig, so der NABU, um wenigstens ein Zehntel unseres Strombedarfs zu decken - jeweils eine auf dreieinhalb Quadratkilometer.

    Langfristig keine Chance also fuer den Windstrom? Das muss nicht sein, wenn es gelingt, den Wirkungsgrad der heutigen Windanlagen zu erhoehen und gleichzeitig die Kosten zu senken. Hier haben die Elektrotechniker der Chemnitzer Uni gerade einen grossen Erfolg erzielt: Gemeinsam mit der Firma Integral Drive Systems (IDS) aus dem schweizerischen Zuerich entwickelten sie ein neuartiges Generatorsystem, dass sich besser auf stark schwankende Windgeschwindigkeiten und Windrichtungen, wie sie im Binnenland ueblich sind, einstellen laesst. Der neuartige Generator wurde in eine 600-Kilowatt- Anlage der oesterreichischen Firma Windtec eingebaut. Seit Mitte Februar speist die im Nordosten der oesterreichischen Hauptstadt Wien stehende Anlage ihren Strom in das oeffentliche Netz ein. Zur Zeit wird sie dort auf Herz und Nieren geprueft und bis ins Einzelne getestet.

    Kernstueck des von Prof. Wilfried Hofmann und Dip.-Ing. Andreas Thieme mitentwickelten Generatorsystems ist eine doppeltgespeiste Drehstrommaschine, bei der ein besonderer Umrichter direkt im Rotorkreis sitzt. Weil Windrichtung und -geschwindigkeit haeufig wechseln, dreht sich der Generator mal schneller, mal langsamer. Dadurch koennen verschiedene Werte schwanken, so etwa die Spannung zwischen 0 und 700 Volt. Hier greift der Umrichter ein und regelt diese Werte so, dass am Ende ganz "normaler" Strom entsteht, der ins oeffentliche Netz gespeist werden kann. Ein im Rotorkreis angeordneter Umrichter benoetigt dazu, anders als bei herkoemmlichen Anlagen, nur ein Drittel der Gesamtleistung der Windturbine. Die Folge: Die Windkraftanlage kann bis zu zehn Prozent billiger gebaut werden, zudem steigt der elektrische Wirkungsgrad. Die Windraeder der Firma Windtec sind zudem besonders leicht, Nabe und Getriebe sind direkt miteinander verbunden, und der Rotor ist groesser als bei vergleichbaren Anlagen. Der Generator liefert so auch bei wenig Wind noch Strom. Die Anlage ist damit sowohl fuer den Teil- als auch fuer den Vollastbereich optimal geeignet. Da sie zudem mechanisch weniger belastet wird, haelt sie laenger und ist wartungsfreundlicher. Die Wartung wird noch zusaetzlich durch ein System zur Ferndiagnose erleichtert, das Stoerungen selbsttaetig meldet.

    Der Umrichter ist mit hochmoderner Leistungselektronik ausgefuehrt. Dadurch nehmen auch die Oberwellen ab, die sonst fuer Spannungsspitzen sorgen und empfindliche elektrische Geraete zerstoeren koennen. Auch ploetzliche Stromstoesse beim Einschalten werden vermieden. Weil die Blindleistung - jener Anteil am Strom, der sich nicht in elektrische Leistung umwandeln laesst - stufenlos geregelt werden kann, kann die Anlage auch an schwachen Netzen betrieben werden. Ein leichtes Flackern des Lichtes, sonst fuer Windanlagen beim AEndern der Windgeschwindigkeit oder bei Schaltvorgaengen nicht untypisch, wird ebenfalls vermieden.

    All dies wird durch eine hochpraezise Steuerung des Umrichters erreicht, fuer die die Chemnitzer Wissenschaftler zwei 88C166-Prozessoren der Firma Siemens verwandten. Damit die Signale fuer die Steuerung nicht durch andere elektrische Einfluesse gestoert werden koennen, werden sie ueber Glasfaserkabel geleitet. Wenn der Umrichter zum ersten Mal in Betrieb genommen wird, wird er mit einem normalen Personalcomputer eingestellt und kontrolliert. Die eigentliche Steuerung ist in genormten 19-Zoll-Einschueben untergebracht und nach dem Baukastenprinzip aufgebaut. Eine Anpassung an groessere oder kleinere Anlagen ist also leicht moeglich.

    Das gemeinsame Projekt einer schweizerischen und einer oesterreichischen Firma sowie einer deutschen Uni ist das groesste derartige Vorhaben in OEsterreich. Von der Europaeischen Union (EU) wurde es im Rahmen ihres Joule- Programms unterstuetzt, mit dem die Nutzung regenerativer Energien vorangebracht werden soll. Mittlerweile hat die Firma Windtec - und damit indirekt auch die Chemnitzer Uni - fuer ihre Windanlagen den mit einem Preisgeld von einhunderttausend Schilling verbundenen Innovationspreis des oesterreichischen Bundeslandes Kaernten bekommen. Weder fuer die Chemnitzer Forscher noch fuer ihre oesterreichischen und Schweizer Partner ein Grund zum Ausruhen: Zur Zeit wird die Steuerung des Umrichters so verbessert, dass er auch Windkraftanlagen von 1,5 Megawatt verkraftet. Die Erprobung ist noch fuer dieses Jahr vorgesehen. Wer sich naeher ueber die neuartige Anlage informieren will, findet Infos auch im Internet unter http://windtec.tlk.co.at

    Weitere Informationen: Technische Universitaet Chemnitz, Fakultaet fuer Elektrotechnik und Informationstechnik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Wilfried Hofmann, Tel. 0371/531-3323, Fax 0371/531- 3324, e-mail wilfried.hofmann@e-technik.tu-chemnitz.de oder Dipl.-Ing. Andreas Thieme, Tel. 0371/531-3379, e-mail andreas.thieme@e-technik.tu- chemnitz.de

    (Autor: Hubert J. Giess)

    Hinweis fuer die Medien: Zu diesem Beitrag koennen Sie ein Foto in unserer Pressestelle anfordern. (Motiv: Windkraftanlage im Nordosten der oesterreichischen Hauptstadt Wien.)

    UEbrigens: Beim Unitest des Magazins "Focus" vor einigen Wochen landeten die Chemnitzer Elektrotechniker auf Anhieb auf Platz 8 und zogen an so mancher West-Uni vorbei. Und beim Studentenurteil belegten sie gar souveraen den 1. Platz.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Elektrotechnik, Energie, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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