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24.09.1996 00:00

Ka(u)derwelsch zwischen Broiler und Tortellini

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Ka(u)derwelsch zwischen Broiler und Tortellini oder Die unsichtbare Mauer zwischen Ost und West

    Wissenschaftler diskutieren in Chemnitz, wie sich die Sprache in den neuen und alten Bundeslaendern unterscheidet

    Broiler? Soljanka? RGW? Kader? Datsche? Letscho? Den Buergern der ehemaligen DDR sind diese Woerter vertraut. Westdeutsche hingegen wissen haeufig heute noch nicht, was damit ge- eint ist. Und auch umgekehrt gilt: So manches den Menschen in den alten Bundeslaendern wohlbekannte Wort, Aussiedlerhof etwa oder Tortellini, stellt die Ostdeutschen vor Probleme. Sie kennen die genaue Bedeutung oft nicht - im Ost-Duden naemlich waren diese Ausdruecke auch nicht zu finden, weil sie kaum gebraucht wurden. Doch so auffallend solche Unterschiede auch sind, fuer das Zusammenwachsen beider Deutschlands sind sie eher unbedeutend. Viel gravierender, aber auch viel schwerer dingfest zu machen ist, was sich unter der Oberflaeche abspielt: die kleinen Nuancen im alltaeglichen Sprachgebrauch, jede fuer sich unauffaellig. Aber zusammengenommen wirken sie doch so, dass die Verstaendigung nicht reibungslos klappt. Hier gibt es keine plakativen Beispiele, der Effekt ist aber doch da. So schwer diese Unterschiede zu fassen sind, so schwer sind die Vorurteile auszuraeumen, die dabei entstehen. Vierzig Jahre Trennung, so scheint es mithin, haben genuegt, dass sich die einst gemeinsame Sprache zwar wenig, aber doch merklich auseinanderentwickelte.

    Dass sich die Sprache seit der Wende im Osten veraendert, nehmen unterschiedliche Sprecher unterschiedlich wahr. Das laesst sich an den sog. "Sprachbiographien" ablesen, die in einem der Forschungsprojekte erhoben wurden. Was der eine jetzt als "Fremdheit in der Muttersprache" erlebt, ist fuer den anderen Befreiung von sprachlichen Verrenkungen.

    Verstaendlich, dass solche schwer fassbaren Erscheinungen Sprachwissenschaftler herausfor- ern. Schon vor Jahren schlossen sich einige von ihnen in der Arbeitsgemeinschaft "Sprache und Politik" zusammen, um den Sprachgebrauch unter dem Blickwinkel des politischen Han- elns zu untersuchen. Alle zwei Jahre treffen sich die Mitglieder zu einer wissenschaftlichen Tagung, in diesem Jahr vom 30. September bis zum 2. Oktober an der Technischen Univer-sitaet Chemnitz-Zwickau. Rund 60 Teilnehmer werden zu dem Thema "Sprache in bluehenden Landschaften - Sprachkommunikation in den neuen Bundeslaendern: Voraussetzungen, Ent-wicklungen, Probleme" erwartet, davon zwei Drittel aus den neuen und ein Drittel aus den alten Bundeslaendern, zumeist Sprach- und Kommunikationswissenschaftler.

    Aber auch einige Politologen, Wirtschaftswissenschaftler, Ministerialbeamte und Schriftsteller wollen sich, ebenso wie zwei russische Forscher, die Veranstaltung, die im Rahmen der "Chemnitzer Begegnungen" stattfindet, nicht entgehen lassen.

    Wie immer, wenn sich Wissenschaftler an der Chemnitzer Uni treffen - und das ist haeufig der Fall - verspricht es interessant zu werden. So wird etwa der Chemnitzer Germanist Prof. Christian Bergmann die Sprache der Stasi aufs Korn nehmen, Dr. Angela Biege und Dr. Ines Bose von der Uni Halle haben untersucht, wie Politiker in Landtagen reden, und Prof. Peter Auer und seine Mitarbeiterinnen von der Hamburger Uni fanden heraus, dass sich Ost- und Westdeutsche bei Bewerbungsgespraechen unterschiedlich verhalten. Andere Referenten beschaeftigen sich damit, wie sich die Sprache in Berlin nach der Wende entwickelt hat oder wie die politischen Parteien sich durch ihre Sprache im Osten zu profilieren suchen, wie ehemalige DDR-Buerger auf die veraenderten Sprachgewohnheiten in ihrem Alltag reagieren oder wie soziale Wertungen in Gespraeche von Ost- und Westdeutschen einfliessen.

    Finanziert wird das Germanistentreffen unter anderem von der Bundeszentrale fuer politische Bildung. Tagungsort ist der Raum Kuechwald 1 im Hotel Renaissance in der Salzstrasse 56. Interessierte Buerger sind zu allen Vortraegen willkommen.

    Kontakt: Technische Universitaet Chemnitz-Zwickau, Germanistische Sprachwissenschaft, Thueringer Weg 11, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Werner Holly, Telefon 03 71/5 31-49 08, Fax 03 71/5 31-40 52


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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