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16.06.2009 12:44

Transatlantic Academy präsentiert Handlungsempfehlungen zur Migration

Kirsten Drees Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius

    Bei hochqualifizierten Zuwanderern ist eine offensive und partizipative Integrationspolitik nötig - statt hohem brain waste

    Die Transatlantic Academy
    Transatlantische Herausforderungen brauchen transatlantische Perspektiven - und Lösun-gen. Die Transatlantic Academy als Kompetenzzentrum und Forum des wissenschaftlichen Austausches steht für zukunftsorientierte transatlantische Zusammenarbeit: Sie analysiert und erarbeitet über nationale und fachliche Grenzen hinweg Konzepte und Lösungsvor-schläge für global relevante Fragen, die insbesondere Europa und Amerika betreffen. Wis-senschaftler, Intellektuelle und Praktiker beschäftigen sich mit jährlich wechselnden Themen (1. Jahresthema "Migration", 2. Jahresthema "Die Türkei und ihre Nachbarn", 3. Jahresthema "Die neue Geopolitik") und deren Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen. Ge-rade jetzt, da Amerika offen ist für Europa, da Europas Antworten auf gesellschaftliche, poli-tische und wirtschaftliche Herausforderungen gefragt sind, kann der transatlantische und interdisziplinäre Ansatz der Transatlantic Academy Impulse geben. Vier große Stiftun-gen tragen die Academy - der German Marshall Fund of the United States, die Lynde and Harry Bradley Foundation, die Robert Bosch Stiftung und die ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius. Die Transatlantic Academy unter Leitung von Prof. Dr. Stephen Szabo startete im Oktober 2008 in Washington.

    Im ersten Jahr beschäftigt sich das zwölfköpfige Team in Washington mit dem Thema Migration und wertete amerikanische und europäische Erfahrungen aus.1

    Thesen der Transatlantic Academy zu Migration
    Der Trugschluss vom "geringen Integrationsbedarf" Hochqualifizierter
    Gemeinsam legen die Transatlantic Fellows am 16. Juni 2009 in Berlin ihren Arbeitsbericht* und Handlungsempfehlungen vor:

    o Es ist ein Trugschluss, dass hochqualifizierte Einwanderer in Nordamerika und Europa besser integriert seien als Niedrigqualifizierte.
    o Die Integration von Hochqualifizierten muss neu gedacht werden - wir brauchen keine selektive, sondern eine offensive ("aufnehmende"), partizipative Integration.
    o Derzeitige Einwanderungspolitik leistet sich hohen brain waste.
    o Integration auch Hochqualifizierter muss optimiert gestaltet, der hohe brain waste gestoppt werden.

    Die gut Ausgebildeten seien leicht zu integrieren, die weniger Qualifizierten ungleich schwerer - so die landläufige Auffassung.

    Es trifft nicht zu, dass hochqualifizierte Einwanderer einen "geringen Integrationsbedarf" hätten (§ 44 des deutschen Integrationsgesetzes). Die gezielte Auswahl hochqualifizierter Migranten mit Hilfe eines Punktesystems geht von der Annahme aus, dass diese Migranten sich alsbald und mühelos integrierten. Viele von ihnen haben jedoch große Schwierigkeiten bei der Anerkennung ihrer Abschlüsse und der Arbeitsaufnahme.

    Es kommt zu einem Partizipationsparadox: Während Hochqualifizierte durchaus frustriert und demotiviert werden, agieren Niedrigqualifizierte hingegen oft aufstiegsorientiert. Dazu nutzen sie beispielsweise politische Partizipationsmöglichkeiten. Formal gering qualifizierte sind in vielen Ländern in Gewerkschaften, Parteien und Selbsthilfeeinrichtungen aktiv. Diet-rich Thränhardt unterstrich: "Auch der aktuelle Integrationsbericht der Bundesregierung bes-tätigt dieses Paradox. Danach haben Abiturienten mit ausländischer Staatsangehörigkeit besondere Schwierigkeiten, in Ausbildung und Beruf 'einzumünden'."

    Hoher "brain waste"
    Kanada, die USA und Australien ziehen gut ausgebildete Einwanderer an. Doch arbeiten diese oft in Jobs unterhalb ihres Ausbildungsniveaus. Wenn Akademiker Taxi fahren oder Teller waschen, bedeutet das einen hohen brain waste. Nimmt man den Arbeitsmarkt als Gradmesser, erschweren hauptsächlich drei Faktoren die Integration:

    - Zeugnisse und Abschlüsse von Migranten werden oftmals nicht anerkannt, so dass ihnen häufig nur Tätigkeiten mit niedrigerem Anforderungsprofil bleiben
    - Migranten fehlen Zugänge zu sozialen und beruflichen Netzwerken und
    - Migranten werden bei der Einstellung häufig diskriminiert.

    Hochqualifizierte Migranten können aufgrund dieser Hemmnisse die an sie gestellten Erwartungen gar nicht einlösen. Kompetenzen und Qualifikationen werden verschwendet - dies sollte Politik vermeiden helfen. Nur so kann Einwanderung die Betroffenen und das Einwanderungsland bereichern.

    Integration optimieren
    Handlungsempfehlungen für eine offensive, partizipative Integrationspolitik
    1. Vorbild EU - die Anerkennung von Abschlüssen zwischen EU-Staaten ist vorbildlich und fördert die Beweglichkeit gut ausgebildeter Migranten.
    2. Verschiedenheit ist ein Vorteil im Wettbewerb um die besten Köpfe - gerade mit Blick auf globale Märkte. Deswegen sollten Unternehmen im eigenen Interesse mehr Diversity in der Personalauswahl anstreben.
    3. Rechtsmittel wie beispielsweise Sammelklagen sollten geschaffen werden, damit Migranten Diskriminierung besser begegnen können und diskriminierendes Verhalten eingedämmt wird.
    4. Migranten haben oft wenig Zugang zu Netzwerken. Hier liegt eine Aufgabe für die Zivilgesellschaft, aber auch für die Erstberatung von Migranten.
    5. Da Migranten oft in komplizierten bürokratischen Prozessen steckenbleiben, sollten die Anerkennungsverfahren vereinfacht werden (One stop integration offices).

    Zahlen
    Nordamerika zieht die Eliten an, Europa vor allem Geringqualifizierte. Deutschland weist wenig hochqualifizierte Migranten auf: Im internationalen Vergleich (Irland, Kanada, Großbritan-nien, USA und Frankreich) bildet die Bundesrepublik das Schlusslicht - gerade einmal 15,5 % der hier ansässigen Migranten haben einen Hochschulabschluss.

    Zahl der Migranten sowie der Zuwanderer mit Hochschulbildung2
    Davon mit Hochschulbildung
    Migranten In Zahlen In Prozent
    Irland 313.712 128.762 41.0%
    Kanada 5.717.015 2.033.490 35.6%
    GB 3.944.654 1.374.370 34.8%
    USA 34.634.791 8.204.473 23.7%
    Frankreich 5.600.198 1.011.424 18.1%
    Deutschland 8.855.622 1.372.254 15.5%

    Wie attraktiv und anziehend ist das Lebens- und Arbeitsland Bundesrepublik für hoch qualifi-zierte Menschen mit Migrationshintergrund? Hochqualifizierte Migranten sind nicht vorrangig durch gezielte Anwerbung und entsprechende Auswahlsysteme zu gewinnen. Im globalen Wettstreit um gut ausgebildete Migranten ist vielmehr von Bedeutung, ob deren Integration gelingt. Integrierende Zuwanderung muss zu einem Anziehungsmotiv, muss selbstverständ-lich werden.

    Die Auswahl von Migranten nach Punktesystem ist weniger wirkungsvoll bei der Gewinnung hochqualifizierter Einwanderer als Systeme, die an Arbeitsmarktbe-dürfnissen orientiert sind.

    *Den vollständigen Jahresbericht Migration der Transatlantic Academy finden Sie unter www.transatlanticacademy.org

    Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an die ZEIT-Stiftung, Frauke Hamann, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tel. 0173 6231953, E-Mail: hamann@zeit-stiftung.de.

    1 Zu den amerikanischen und europäischen Migrationsforschern gehören der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Dietrich Thränhardt, Universität Münster, der niederländische Anthropologe Jeroen Doomernik von der Universität Amsterdam; die drei amerikanischen Politikwissenschaftler Rey Koslowski von der Universität Albany, Jonathan Laurence vom Boston College und Rahsaan Maxwell von der University of Massachusetts in Amherst sowie die deutsche Politikwissenschaftlerin Ines Michalowski vom Wissenschaftszentrum Berlin. Außerdem dabei sind die Fellows der Robert Bosch Stiftung: Dr. Steffen Angenendt, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe "Globale Fragen" der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin; der Franzose Philippe Bernard ist Korrespon-dent der Wochenzeitung "Le Monde"; die Französin Khedidja Bourcart ist in der Stadtregierung Paris für Integration von Nicht-EU-Bürger verantwortlich; Ayse Özbabacan, Mitarbeiterin der Stabsstelle für Integrationspolitik der Stadt Stuttgart und Koordinatorin des Europäischen Städtenetzwerks "Cities for Local Integration Policies for Migrants" für Stuttgart; die Kanadierin Edwina O'Shea ist Mitarbeiterin im kanadischen Ministerium für "Citizens-hip and Immigration". Fellow der ZEIT-Stiftung ist Dr. Nevim Çil, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität zu Berlin.

    2 Aus: OECD 2004, Zuwanderungszahlen 2001


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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