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26.11.2009 08:39

Literarisches Flickwerk erzählt die Bibel neu: RUB-Forscher entdeckt Eudokias "weibliche" Theologie

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Der Kaiserin neue Kleider

    Man nehme: einen griechischen Homertext, dazu Schere und Leimtopf. Den Text säuberlich in Einzelverse zerschneiden, gut durchmischen und auf einen Schreibtisch schütten. Dann passende Verse zusammenleimen, bis ein neuer Sinn entsteht. - Unmöglich? Nein, ein in der Antike erfundenes literarisches Verfahren. Auf diese Weise erzählte Kaiserin Eudokia die Bibel neu und gab ihr ein menschlicheres Gesicht. Das beschreibt Prof. Dr. Reinhold Glei (Klassische Philologie der Ruhr-Universität Bochum) in einer jetzt erschienenen Studie.

    Aus Homer wird das Neue Testament

    Um 440 n.Chr. verfasste die byzantinische Kaiserin Eudokia, die Gattin Theodosios' II., mittels Flicktechnik einen solchen "Cento" (wörtlich: Flickenzeug, ein aus alten Lappen zusammengenähter Umhang o.ä.). "Das vollständig aus Homerversen bestehende neue Gedicht hatte - o Wunder - Episoden des Neuen Testaments zum Inhalt!", erklärt Prof. Glei.

    Jesus wird menschlicher als bei Johannes

    Dass die Kaiserin nicht nur die Flicktechnik perfekt beherrschte, sondern die Bibel dabei auch ganz neu erzählte, wird in seiner Studie deutlich: Am Beispiel der Geschichte von der Auferweckung des Lazarus aus dem Johannesevangelium zeigt er, dass Eudokia Jesus sehr viel menschlicher gestaltete als Johannes: Während Jesus bei dem Evangelisten wartet, bis sein kranker Freund Lazarus gestorben ist, nur um dann die Auferweckung als göttliche Machtdemonstration zu inszenieren, verwendet Eudokia Homerverse v.a. aus Szenen mit den Freunden Achill und Patroklos, um Jesu Trauer um Lazarus darzustellen. "Dabei wird die kalt anmutende Theologie des Johannes plötzlich menschlich, man möchte fast sagen: weiblich", verdeutlicht der Philologe. "Das lange in seiner Bedeutung verkannte literarische Verfahren der Centonentechnik dient also dazu, verschiedene Texte - hier die Bibel und Homer - gleichsam zu überblenden und ganz neue Perspektiven entstehen zu lassen."

    Titelaufnahme

    Reinhold F. Glei, Der Kaiserin neue Kleider, in: B. Effe u.a. (Hrsg.), Homer zweiten Grades, Trier 2009 (Bochumer Altertumswissenschafliches Colloquium, Bd. 79), S. 227-248.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Reinhold F. Glei, Seminar für Klassische Philologie der RUB, Tel. 0234/32-22761, reinhold.glei@rub.de

    Redaktion: Meike Drießen


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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