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06.05.2010 20:59

Therapie aus dem Computer

Sabine Trunz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
HepatoSys - Kompetenznetz Systembiologie des Hepatozyten

    Zielsichere Medikamentenentwicklung dank Systembiologie – wie das geht, erklären Wissenschaftler bei der SBMC 2010 in Freiburg

    Die Systembiologie ist ihren Kinderschuhen längst entwachsen. Das wird deutlich bei der dritten Conference on Systems Biology of Mammalian Cells (SBMC), die vom 3. bis 5. Juni 2010 unter der Schirmherrschaft von Prof. Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bildung und Forschung, im Konzerthaus in Freiburg stattfindet. Gastgeber ist HepatoSys/Virtual Liver, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Netzwerk für die Systembiologie der Leber.

    Drei Tage lang tauschen sich hier Fachleute aus aller Welt über die systembiologische Analyse von biologischen Prozessen in Säugetierzellen aus. Dabei geht es nicht nur um neueste Technologien und zukunftsweisende Konzepte im Forschungsfeld: Die Wissenschaftler zeigen auch, wie Medizin und Pharmaforschung schon heute von der Systembiologie profitieren – insbesondere bei der Entwicklung neuer und sicherer Medikamente.

    Das Modell als Entscheidungshilfe
    Die Systembiologie erforscht biologische Prozesse auf der Systemebene. Sie berücksichtigt dabei, dass alle Vorgänge in einer Zelle, einem Organ und sogar im ganzen Körper auf dynamische Weise mit anderen verknüpft sind. Um diese umfassenden Netzwerke abzubilden, verbindet sie quantitative Methoden aus der Molekularbiologie mit dem Wissen aus Mathematik, Informatik und Systemwissenschaften.
    Vor allem die medizinisch-pharmazeutische Forschung profitiert von der systembiologischen Untersuchung von Säugetierzellen. So erlauben Simulationen von Krankheitsmechanismen, diese besser zu verstehen und gezielt Therapieansätze zu entwickeln. Auch die Wirkungsweise von Arzneimitteln lässt sich mit Hilfe mathematischer Modelle vorhersagen. Sie geben Aufschluss darüber, wie sich ein Wirkstoff im Körper verteilt, wie schnell er abgebaut wird, und wie man ihn vor diesem Hintergrund dosieren muss. "Wirklich spannend wird es aber erst, wenn man das Ganze auf die nächsthöhere Ebene hebt, und mit Hilfe der Modelle Entscheidungen darüber trifft, bei welchen pharmazeutischen Substanzen es sinnvoll ist, weiter zu forschen und sie etwa in klinischen Studien zu prüfen", erklärt Jörg Lippert, Systems Biology und Computational Solutions der Bayer Technologies Services GmbH in Leverkusen, der mit seinem Team im Rahmen von HepatoSys/Virtual Liver solche Simulationen entwickelt.

    Der Computer vereinfacht die Bewertung
    Bevor Wissenschaftler einen Stoff in einer klinischen Studie testen, haben sie bereits viele Jahre intensiv an der Substanz und deren Wirkprinzipien geforscht. "Dutzende von Köpfen sind an diesem Prozess beteiligt, produzieren unglaubliche Datenmengen und verfassen Berichte über Tausende von Experimenten“, sagt Lippert. Auf dieser Grundlage fällen Fachleute dann eine Entscheidung über die Zukunft eines Wirkstoffkandidaten. Bei der herkömmlichen Vorgehensweise geschieht dies auf der Basis jahrelanger Erfahrung – quasi aus dem Bauch heraus. "Kein Mensch kann die Vielfalt der wissenschaftlichen Daten in all ihren Konsequenzen überblicken und bewerten – deshalb ist der Computer hier eine wichtige Stütze", so Lippert. Geschickt eingesetzt, bündeln systembiologische Modelle das gesammelte Wissen jahrelanger Forschung und helfen, es für die Entscheider zu übersetzen. So lässt sich mit Hilfe von Simulationen vorhersagen, wie effektiv ein Wirkstoff ist, also wie viele Patienten am Ende wirklich davon profitieren. Umgekehrt zeigen sie auch die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen auf – selbst für die seltenen und außergewöhnlichen Einzelfälle, die eine klinische Studie möglicherweise gar nicht erfassen würde. „Auf diese Weise tragen systembiologische Modelle dazu bei, klinische Studien sicherer zu machen und zudem Zeit und Kosten zu sparen", fasst Lippert zusammen.

    Bessere Arzneimittel speziell für Kinder
    Besonders wichtig sind diese Modelle, wenn es um Kinder geht. Nach aktuellem EU-Recht ebenso wie nach den US-amerikanischen Bestimmungen, müssen Pharmafirmen beim Zulassungsverfahren für Medikamente immer auch darlegen, wie sie den entsprechenden Wirkstoff für die Behandlung von Kindern prüfen wollen. Das ist aber besonders schwierig, wie der Bayer-Forscher erläutert: "Kinder sind nicht einfach kleinere Menschen, sondern unterscheiden sich in ihren Körperfunktionen und in ihrer Gewebezusammensetzung deutlich von Erwachsenen – und beides verändert sich auch noch während sie wachsen und sich entwickeln." Dazu kommt, dass sich bestimmte klinische Studien – in denen beispielsweise die Dosis und Verträglichkeit eines Wirkstoffs bei gesunden Versuchspersonen erprobt wird – bei Kindern aus ethischen Gründen verbieten. Hier helfen systembiologische Modelle: Sie sagen voraus, wie eine Substanz bei Kindern verschiedenen Alters wirkt. So lässt sich abschätzen, ob und unter welchen Bedingungen ein Medikament bei den kleinen Patienten den erhofften Effekt zeigt.

    Ein solides Fundament durch Grundlagenforschung und Nachwuchsförderung
    "Die Anwendungen in der Medikamentenentwicklung sind wichtige Erfolge für die Systembiologie und zeigen deutlich, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Jens Timmer, der wissenschaftliche Sprecher des früheren Kompetenznetzes HepatoSys und Koordinator des Systembiologie-Kongresses SBMC 2010. Dennoch warnt er vor übereilter Euphorie: "In den nächsten Jahren müssen die Grundlagenforscher aus unserem Feld noch viel leisten, damit die Systembiologie weiterhin auf einem soliden Fundament steht."

    Vor diesem Hintergrund fördert die MTZ-Stiftung aus Erkrath bei Düsseldorf in Zusammenarbeit mit BMBF den wissenschaftlichen Nachwuchs im Feld der Systembiologie. Zum zweiten Mal werden während der Konferenz drei junge Wissenschaftler für ihre herausragenden Dissertationen mit dem MTZ-Award der medizinisch orientierten Systembiologie im Wert von insgesamt 5000 Euro geehrt.
    Die Preisverleihung findet am Freitag, 4. Juni 2010 um 14:00 Uhr statt.
    Am Samstag, 5. Juni ab 11:45 Uhr spricht Jörg Lippert über den Einsatz von systembiologischen Modellen bei der Medikamentenentwicklung.

    Journalisten und Editoren sind herzlich eingeladen, an der Konferenz teilzunehmen!

    Über die SBMC
    Die dritte Systembiologie-Tagung "Conference on System Biology of Mammalian Cells (SBMC 2010) findet vom 3. bis 5. Juni 2010 in Freiburg statt – organisiert von HepatoSys/Virtual Liver, dem deutschen Netzwerk für die Systembiologie der Leber. HepatoSys wurde im Jahr 2004 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiiert – zur Erforschung intrazellulärer Prozesse in Hepatozyten (Leberzellen). Seit April 2010 strebt das Nachfolgeprojekt Virtual Liver, mit neuer Struktur, ein Verständnis der Prozesse auf der nächst höheren Ebene an: Basierend auf den Ergebnissen von HepatoSys, machen sich die Wissenschaftler von Virtual Liver nun daran, die Vorgänge in Zellverbänden bis hin zum ganzen Organ zu untersuchen.


    Weitere Informationen:

    http://www.sbmc2010.de - SBMC 2010-Programm und Registrierung


    Bilder

    Querschnitt durch die Leber
    Querschnitt durch die Leber
    "Foto: Bartolomé Rodríguez / HepatoSys/ Virtual Liver"
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Informationstechnik, Mathematik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Querschnitt durch die Leber


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