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29.09.2010 19:00

Wie Hormone Brustkrebs auslösen können

Dr. Heidemarie Hurtl IMP-IMBA Communications
IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften GmbH

    Wiener Forscher klären den Zusammenhang und eröffnen Möglichkeiten zur Prävention

    Wien. Wissenschaftler am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften klärten den Zusammenhang zwischen der Einnahme von synthetischen Sexualhormonen und erhöhtem Brustkrebsrisiko. Ihre Erkenntnisse, die in der Zeitschrift Nature veröffentlicht werden*), nähren die Hoffnung auf vorbeugende Maßnahmen gegen hormonabhängigen Brustkrebs. Ein neues Medikament gegen Osteoporose könnte dabei zur Anwendung kommen.

    Brustkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen in westlichen Gesellschaften. In Europa ist jede achte Frau im Lauf ihres Lebens betroffen. Nur ein kleiner Teil der Erkrankten hat die Veranlagung geerbt, meist ist der Tumor durch äußere Einflüsse erworben. Zu den Faktoren, die Brustkrebs begünstigen, zählt die Einnahme von sythetischen Progesteronen (Gestagenen) im Zuge einer Hormonersatztherapie oder zur hormonellen Empfängnisverhütung. Umfangreiche Langzeitstudien wie die „Million Women Study“ (UK) und die „Women’s Health Initiative“ (USA) haben den Zusammenhang klar aufgezeigt.

    Ein Knochengen als missing link

    Ein internationales Team unter der Leitung von IMBA-Direktor Josef Penninger konnte nun den Mechanismus klären, wie ein sythetisches Sexualhormon bei Mäusen Brustkrebs auslösen kann. Erstmals liefern die Forscher den genetischen Beweis, dass ein wichtiges Knochengen dabei die entscheidende Rolle spielt. Die Studien wurden zum Großteil von Daniel Schramek im Rahmen seiner Dissertation am IMBA durchgeführt, an der Auswertung waren Pathologen der Wiener Universitätsklinik beteiligt.

    Die nun publizierten Forschungsergebnisse bauen auf früheren Arbeiten Josef Penningers auf, der die Bedeutung des Proteins RANKL als Schlüsselmolekül des Knochenstoffwechsels bewiesen hatte. Beim Auf- und Abbau von Knochensubstanz kommt RANKL eine wesentliche Rolle zu, indem es knochenabbauende Zellen aktiviert. Ist RANKL überaktiv, dann kippt die Balance und der Knochenschwund nimmt überhand. Millionen Menschen sind davon betroffen - sie leiden an Osteoporose oder Verkrüppelung durch Knochabbau bei rheumatoider Arthritis.

    Sexualhormone fördern Brustkrebs

    Bereits im Jahr 2000 fanden Mitarbeiter Penningers, dass trächtige Mäuse RANKL benötigen, um funktionierende Milchdrüsen zu bilden. Sie konnten auch zeigen, dass die Produktion von RANKL durch Sexualhormone angeregt wird. Basierend auf diesen Daten nahmen die Forscher an, dass ein Zusammenhang zwischen RANKL und der Entstehung von Brustkrebs bestehen könnte. Mit den damaligen Methoden konnte dies jedoch nicht bewiesen werden.

    Die vergangenen zehn Jahre nutzte die Forschergruppe um Josef Penninger, um geeignete experimentelle Systeme zum Beleg ihrer Hypothese zu entwickeln. Aus den Ergebnissen ihrer Studien lässt sich nun folgender Mechanismus ableiten: das synthetische Sexualhormon MPA (Medroxyprogesteronacetat), das in Hormonpräparaten eingesetzt wird, steigert in Brustdrüsenzellen von Mäusen die Produktion von RANKL. Dies regt die Zellen zur Teilung an und schützt sie gleichzeitig davor, bei Genschäden vom Körper eliminiert zu werden. Eine weitere Folge ist die Zunahme der Stammzellenpopulation – alles wesentliche Voraussetzungen für die Entstehung von Krebs.

    Eine weitere Arbeit, die zeitgleich von Nature publiziert wird, unterstützt das Modell. In ihr beschreiben amerikanische und spanische Wissenschaftler Experimente an Mäusen, bei denen sie durch Hormongaben Brustkrebs auslösten. Wurde RANKL bei diesen Mäusen pharmakologisch blockiert, sank die Brustkrebsrate um 90 Prozent.

    Dem Krebsrisiko vorbeugen

    Josef Penninger ist von der Eindeutigkeit der Studien überwältigt. „Ich bin wirklich überrascht davon, wie massiv der Einfluss des RANKL-Systems auf die Brustkrebsentstehung ist. Wenn man bedenkt, dass Millionen Frauen synthetische Progesterone einnehmen, kommt diesem Zusammenhang eine ungeheure Bedeutung zu. Da wir nun den Mechanismus der Tumorentstehung kennen, sind auch vorbeugende Maßnahmen denkbar. Durch Medikamente, die RANKL blockieren, könnten Frauen möglicherweise in Zukunft ihr Brustkrebsrisiko senken.“

    Erst vor wenigen Monaten kam in den USA und Europa ein monoklonaler Antikörper auf den Markt, der RANKL blockiert. Die Substanz ist unter dem Namen Denosumab für die Behandlung von Osteoporose und Knochenschwund bei Prostatakrebs zugelassen.

    „Wir werden weitere Untersuchungen benötigen, um die Gültigkeit unserer Ergebnisse auch beim Menschen zu bestätigen“, sagt Daniel Schramek. „Doch wir hoffen sehr, dass Studien mit Denosumab schon in naher Zukunft beginnen können.“

    * * * * * * * * * * * * * * * * *

    Die Untersuchungen zur vorliegenden Arbeit entstanden am IMBA in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der medizinischen Universität Wien, des Garvan Institute of Medical Research in Sydney, des Ontario Cancer Institute der Universität Toronto, der Harvard School of Public Health, der Harvard Medical School and des Ragon Institute of MGH/MIT and Harvard, der Universität Köln, des University College London und der Universität Nürnberg-Erlangen.

    *) Originalarbeit
    Osteoclast differentiation factor RANKL controls development of progestin-driven mammary cancer (Schramek et al.). Nature AOP, 29.9.2010, doi:10.1038/nature09387
    Siehe auch
    RANK Ligand mediates progestin-induced mammary epithelial proliferation and carcinogenesis (Gonzalez-Suarez et al.). Nature AOP, 29.9.2010, doi:10.1038/nature09495.

    Eine druckfähige Illustration finden Sie unter http://www.imba.oeaw.ac.at/news-media/illustrations

    Über den Autor
    Der 29-jährige Österreicher Daniel Schramek studierte Molekularbiologie an der Universität Wien und Molekulare Medizin an der Universität Sydney. Von 2006 bis 2010 forschte er als Doktorand in der Arbeitsgruppe von Josef Penninger am IMBA. Seine Dissertation widmet sich den Ursachen von Brust- und Lungenkrebs.

    Über IMBA
    Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften kombiniert Grundlagen- und angewandte Forschung auf dem Gebiet der Biomedizin. Interdisziplinär zusammengesetzte Forschergruppen bearbeiten funktionsgenetische Fragen, besonders in Zusammenhang mit der Krankheitsentstehung. Ziel ist es, das erworbene Wissen in die Entwicklung innovativer Ansätze zur Prävention, Diagnose und Therapie von Krankheiten einzubringen.

    IMP-IMBA Research Center
    Zwischen dem Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP), das 1988 von Boehringer Ingelheim gegründet wurde, und dem seit 2003 operativen Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) wurde eine enge Forschungskooperation vereinbart. Unter dem Namen “IMP-IMBA Research Center” greifen die beiden Institute am Campus Vienna Biocenter auf eine gemeinsame Infrastruktur im wissenschaftlichen und administrativen Bereich zu. Zusammen beschäftigen sie rund 400 Mitarbeiter aus 30 Nationen.

    Kontakt
    Dr Heidemarie Hurtl, IMP-IMBA Communications
    Dr. Bohr-Gasse 7, A-1030 Wien
    Tel. +43 1 79730/3625
    Mobil: +43 664 8247910
    Email: heidemarie.hurtl@imba.oeaw.ac.at

    Professor Josef Penninger,
    Tel. +43 1 79730/4702
    Email: josef.penninger@imba.oeaw.ac.at

    Dr Daniel Schramek
    Tel. +43 1 79730/4731
    Email: daniel.schramek@imba.oeaw.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://www.imba.oeaw.ac.at/research/josef-penninger zur Arbeitsgruppe Josef Penninger


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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