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12.05.2014 09:32

Wähler gesucht – Greifswalder Wissenschaftler werben für Teilnahme an EU-Wahlsimulation

Jan Meßerschmidt Presse- und Informationsstelle
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Beeinflusst das Wahlsystem unsere Wahlentscheidung? Zwei Wochen vor der Europawahl am 25. Mai haben Greifswalder Politikwissenschaftler jetzt die Internetplattform EUROVOTE+ freigeschaltet. Nun suchen sie möglichst viele Interessierte, die sich 10 bis 20 Minuten Zeit nehmen und sich an der anonymen Online-Umfrage beteiligen. Außerdem können sich Wähler auf den Internetseiten über verschiedene Wahlverfahren informieren. Noch bis zum 25. Mai kann man mitmachen, die Ergebnisse werden anschließend ausgewertet, stehen ab Ende Mai auf EUROVOTE+ zur Verfügung und fließen in die weitere Forschung der Politikwissenschaftler ein.

    Sehr erfolgreich ist ein ähnliches Projekt bereits 2012 zur Präsidentschaftswahl in Frankreich gelaufen. Mehr als 11.000 Interessierte hatten sich an der Umfrage beteiligt, die Kollegen der Paris School of Economics initiiert hatte. Prof. Dr. Philipp Harfst, Juniorprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Greifwald und Initiator des Projektes zur Europawahl: „EUROVOTE+ bietet ausführliche Informationen zum Funktionieren sowie zu Vor- und Nachteilen verschiedener Wahlverfahren. Diese können die Wähler auf unserer Plattform dann praktisch ausprobieren. Wir hoffen, dass möglichst viele mitmachen, die große Resonanz der Kollegen in Frankreich ist natürlich ein großer Ansporn für uns.“

    Im Mittelpunkt der Umfrage stehen die unterschiedlichen Wahlsysteme der Staaten innerhalb der Europäischen Union. Während man in Deutschland nur Parteien wählen kann, stellt sich die Situation in Luxemburg und Lettland ganz anders dar, hier können die Wähler auf offenen Listen mitbestimmen, welche Personen die Parteien ins Europaparlament entsenden. Prof. Dr. Philipp Harfst: „Eine Rolle bei der gezielten Unterstützung bestimmter Kandidaten könnte zum Beispiel deren regionale Herkunft spielen.“ Welches System ist nun das beste? Das möchten die Wissenschaftler herausfinden.

    Außerdem gibt die Idee, einige Abgeordnete über eine pan-europäische Liste direkt von allen europäischen Bürgern wählen zu lassen. EUROVOTE+ bietet die Möglichkeit, auch diese Überlegung realitätsnah durchzuspielen.

    Die Simulation der Europawahl ist Teilprojekt einer internationalen Forschungskooperation unter der Leitung der Université de Montréal (Kanada). Das Gesamtprojekt wird von der kanadischen Forschungsförderung sowie der Université de Montréal für einen Zeitraum von insgesamt sieben Jahren mit rund 3,7 Millionen kanadischer Dollar (rund 2,6 Millionen Euro) unterstützt.

    Weitere Infos gibt es auf der Seite http://eurovoteplus.eu/ sowie direkt bei der Universität Greifswald und auf der WWW-Seite der Kanadier (http://electoraldemocracy.com/).

    EP-Wahlsimulation http://eurovoteplus.eu/
    Informationen zum Gesamtprojekt http://electoraldemocracy.com/
    Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft http://www.ipk.uni-greifswald.de/

    Ansprechpartner an der Universität Greifswald
    JProf. Dr. Philipp Harfst
    Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaft
    Baderstraße 6/7
    17489 Greifswald
    Telefon 03834 86-3170
    Telefax 03834 86-3153
    pharfst@uni-greifswald.de

    HINTERGRUNDINFORMATIONEN

    Bisher gilt bei Europawahlen kein einheitliches Wahlverfahren. Auch wenn alle EU-Staaten die Verhältniswahl eingeführt haben, unterscheiden sich die Systeme wesentlich in der Frage, wie viel Mitbestimmungsmöglichkeiten sie den Wählern bei der Entscheidung erlauben, wer genau sie in Brüssel vertreten soll. Ziel der Plattform ist zu verstehen, welche Auswirkungen die unterschiedliche Offenheit dieser Systeme auf das Wahlverhalten der Bürger hat. Untersucht werden soll, ob und wie die Wähler die Gestaltungsspielräume, die ihnen Präferenzstimmen und die Möglichkeit zum Kumulieren und Panaschieren bieten, tatsächlich nutzen.

    Die Wissenschaftler haben ein Modell entwickelt, in dem zunächst eine klassisch „nationale“ Europawahl in drei verschiedenen Wahlverfahren nachgestellt wird. Dabei werden die Wähler aufgefordert, über die Parteien und Kandidaten abzustimmen, die sie bei der Europawahl tatsächlich auf ihrem Wahlzettel vorfinden. Darüber hinaus wird den Wählern eine simulierte paneuropäische Liste zur Abstimmung angeboten. Auch hier kommen wieder drei verschiedene Wahlverfahren zur Anwendung.

    Die drei Wahlsysteme, die den Teilnehmern zu Forschungszwecken angeboten werden, orientieren sich an tatsächlich existierenden Verhältniswahlsystemen mit offenen und geschlossenen Parteilisten. Grundsätzlich präsentieren die Parteien in allen Verhältniswahlsystemen mit Listen den Wählern eine Liste mit Kandidaten, mit dem Ziel, mehrere Kandidaten für einen Wahlkreis zu bestimmen.

    Deutschland: geschlossene Liste
    In einem Verhältniswahlsystem mit geschlossenen Listen, wie es bei der anstehenden Europawahl beispielsweise in Deutschland verwendet wird, kann man seine Stimme für eine Liste abgeben, nicht jedoch für einen bestimmten Kandidaten. Die Zahl der Sitze, die eine Partei in einem Wahlkreis gewinnt, hängt davon ab, wie viele Stimmen die Liste erhalten hat. Sobald bekannt ist, wie viele Sitze auf jede Partei entfallen, werden die Sitze jeder Partei entsprechend der Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste – von oben beginnend – verteilt. Gewinnt eine Partei beispielsweise drei Sitze, werden sie den ersten drei Kandidaten auf der Liste zugeteilt. Dieses Wahlsystem wird als „geschlossenes“ Listensystem bezeichnet, weil die Wähler ihre Stimmen weder einem bestimmten Kandidaten geben, können noch einen Einfluss auf die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste haben; die Liste wird von der Partei aufgestellt und ist „geschlossen“ für die Wähler.

    Lettland: offene Liste
    Bei einem Verhältniswahlsystem mit offenen Listen, wie es bei den EP-Wahlen beispielsweise in Lettland zur Anwendung kommt, entscheiden die Wähler sich für eine Liste und bringen ihre Unterstützung für einen bestimmten Kandidaten auf dieser Liste zum Ausdruck. Wie viele Sitze eine Partei erhält, hängt davon ab, wie oft sich die Wähler für deren Liste entschieden haben. Sobald die Sitze auf die Parteien verteilt wurden, werden sie innerhalb der Partei auf diejenigen Listenkandidaten verteilt, auf die die meisten Stimmen entfallen sind. Gewinnt eine Partei in einem Wahlkreis drei Sitze, werden diese Sitze an die drei erfolgreichsten Listenkandidaten vergeben. Dieses Wahlsystem wird als „offen“ bezeichnet, weil die Wähler einen Einfluss darauf haben, welche Kandidaten auf der Liste eine Wahlkreissitz bekommen; die Auswahl der Kandidaten ist „offen“ für die Wähler.

    Luxemburg: Kumulieren und Panaschieren
    In einem offenen Listensystem mit der Möglichkeit zu Panaschieren haben die Wähler mehrere Stimmen. Oft sind es so viele Stimmen, wie es Sitze in deren Wahlkreis gibt. Sie können diese Stimmen benutzen, um ihre Unterstützung für Kandidaten auf einer oder mehreren Listen zum Ausdruck zu bringen. In einem offenen Listensystem mit der Möglichkeit zu Kumulieren können sie einem einzelnen Kandidaten mehr als eine Stimme geben. Die Anzahl der Sitze, die eine Partei gewinnt, hängt von der Gesamtzahl der Stimmen ab, die von allen Kandidaten auf der Liste gewonnen wurden. Nachdem die Sitze auf die Parteien verteilt wurden, erfolgt innerhalb einer Partei die Verteilung der Sitze an die Kandidaten, beginnend mit denen, die die meisten Stimmen erhalten haben. Gewinnt beispielsweise eine Partei in ihrem Wahlkreis drei Sitze, werden diese an die drei erfolgreichsten Kandidaten auf der Liste vergeben.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Politik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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