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05.06.2014 12:55

Der Pionier, der kein „Erfinder“ war - Neue Biographie über den Reisepionier Thomas Cook

Elisabeth Ligendza PR
Duale Hochschule Baden-Württemberg

    Immer wieder wird Thomas Cook (1808-1892), der Gründer des gleichnamigen Reiseunterneh-mens, als „Erfinder“ der Pauschalreise und Organisator des ersten Eisenbahnausfluges in der Ge-schichte des Reisens angesehen. Beides war er nicht. Dies zeigt die neue Biographie, die der frühere Leiter des Studiengangs BWL-Reiseverkehrsmanagement an der DHBW Ravensburg, Jörn W. Mundt, gerade veröffentlicht hat.

    Da der Begriff „Pauschalreise“ erst aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg stammt und sich zu-nächst nur auf Flugreisen bezog, kann er es auch gar nicht gewesen sein. Zudem gäbe es mit seinen damaligen Konkurrenten Henry Gaze, Joseph Crisp und einigen anderen noch weitere Kandidaten, denen man ein solches Etikett hätte anheften können. Auch der immer wieder zitierte erste Eisen-bahnausflug, den Thomas Cook am 5. Juli 1841 für Abstinenzler von Leicester in das elf Meilen ent-fernte Loughborough organisierte, war keineswegs der erste seiner Art. Solche Ausflüge hatte es mindestens fünf Jahre zuvor bereits in England gegeben.
    Dies tut jedoch der Lebensleistung und der Bedeutung Thomas Cooks für die „Demokratisierung“ des Reisens im viktorianischen England keinen Abbruch, wie das Buch eindrucksvoll zeigt. In 17 Kapiteln zeichnet es das Leben des in kleinste Verhältnisse geborenen Thomas Cook nach. Schon als Kind musste er arbeiten und zum Lebensunterhalt seiner Familie beitragen. Dabei wurde er gleich mit den brutalen Folgen des Alkoholismus konfrontiert, dem seine ersten beiden Chefs verfallen waren. Die mangelnde Schulausbildung machte er durch den eifrigen Besuch von Sonntagsschulen wett. So stieg er vom Schüler bis zum späteren Vorsteher einer Sonntagsschule auf. Sein weniges Geld verdiente er, nachdem er zunächst eine Lehre als Drechsler und Tischler begonnen hatte, als Wanderprediger für die baptistische Gemeinde. Dabei lernte er seine spätere Frau, Marianne Mason, kennen, die er 1833 heiratete. Um den Lebensunterhalt für seine Familie zu sichern, arbeitete er als selbständiger Holzdrechsler und Messingdreher – denn schon gut neun Monate später kam mit John Mason sein erster Sohn zur Welt.
    Beide Eheleute hatten noch vor ihrer Hochzeit dem Alkohol abgeschworen und Thomas Cook wurde immer aktiver in der entstehenden englischen Temperenzlerbewegung, die sich das Ziel gesetzt hatte, der arbeitenden Klasse positive Erlebnisse in ihrer knappen Freizeit zu vermitteln, statt sie den zerstörerischen Wirkungen der Flucht in den Alkohol zu überlassen. In diesem Zusammenhang kam ihm auch die Idee mit dem Eisenbahnausflug. Über mehrere Jahre lang organisierte er nach diesem Erfolg unentgeltlich immer wieder solche Ausflüge, nicht nur für Erwachsene, sondern auch für tausende von Kindern und Jugendlichen, die von lokalen Festen und Pferderennen und damit vom Alkohol ferngehalten wurden. Seine unternehmerische Tätigkeit verlegte er immer stärker auf das Drucken und Verlegen von Traktaten und Zeitschriften der Temperenzler.
    Erst 1845, er war bereits 36 Jahre alt, veranstaltete er seine erste kommerzielle Reise und legte damit den Grundstein für den heute noch existierenden transnationalen Reisekonzern, der auch einer der größten Reiseanbieter in Deutschland ist. Selbst ein früher Konkurs im Folgejahr, über den heute nur noch wenig herauszubekommen ist und der schnell überwunden war, konnte den Erfolg Cooks als Reiseunternehmer nicht aufhalten. Selbst wenn seine Gäste mit der Expansion auf den europäischen Kontinent und nach Ägypten und Palästina jetzt immer häufiger aus wohlhabenderen bis hin zu gesellschaftlich höchsten Kreisen stammten, blieben die Arbeiterausflüge zeit seines Lebens wichtiger Bestandteil des Programms seines Unternehmens. Auch in den Zielgebieten engagierte er sich, wie ein eigenes Kapitel aufzeigt, für die Belange der dort lebenden Menschen und entwickelte zum Beispiel Initiativen zur Selbsthilfe schottischer Fischer und jüdischer und arabischer Arbeiter in Palästina. Nicht zuletzt wusste er die heimische Presse, selbst die Londoner Times, dafür zu nutzen.
    Durch die Einbettung der biographischen Erzählung in den Zusammenhang historischer Entwicklun-gen - nicht zuletzt findet sich im Anhang auch eine Zeittafel der Lebensdaten Thomas Cooks neben den jeweils wichtigsten historischen Ereignissen - entsteht zudem ein Bild des viktorianischen Zeitalters. Gleichzeitig reflektiert das Buch am Beispiel Thomas Cooks über die gesellschaftliche Funktion und das Selbstverständnis des Unternehmers. Insoweit geht es über eine bloße Beschreibung des außerordentlichen Lebens des Unternehmensgründers hinaus. Dies wird ferner darin deutlich, daß die besondere Bedeutung der sozialen Kategorie ‚Vertrauen‘ für die Beziehung zwischen Reiseveranstaltern und ihren Gästen in einem eigenen Kapitel thematisiert wird und ein weiteres Kapitel sich mit der damals aufkommenden elitären Tourismuskritik auseinandersetzt, deren Ziel vor allem Thomas Cook mit seinen Gästen wurde. Dies zusammengenommen macht die Lektüre des Buches nicht nur für historisch Interessierte, sondern für alle lohnenswert, die sich für die Aufgaben des Unternehmers im allgemeinen und für Sinn und Zweck des Tourismus im Speziellen interessieren.
    Jörn W. Mundt: Thomas Cook. Pionier des Tourismus. Konstanz und München: UVK Verlagsgesell-schaft 2014, 221 S., geb., 19,99 €


    Weitere Informationen:

    http://www.dhbw-ravensburg.de


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    Gerade erschienen: Eine Biografie über den Reisepionier Thomas Cook
    Gerade erschienen: Eine Biografie über den Reisepionier Thomas Cook

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
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    Deutsch


     

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