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12.09.2014 17:30

Abschlusssymposium: Studie zum chronischen Botulismus

Sonja von Brethorst Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

    TiHo-Wissenschaftler stellen Ergebnisse zum chronischen Krankheitsgeschehen in Milchviehbetrieben vor.

    Auf dem heutigen Abschlusssymposium stellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) die Ergebnisse ihrer Studie „Bedeutung von Clostridium botulinum bei chronischem Krankheitsgeschehen“ vor. „Wir konnten keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Clostridium botulinum und einem chronischen Krankheitsgeschehen auf Milchviehbetrieben oder bei einzelnen Tieren bestätigen. Das deutet daraufhin, dass C. botulinum nicht der wesentliche Hauptverursacher des chronischen Krankheitsgeschehen ist“, sagte Professorin Dr. Martina Hoedemaker, Leiterin der Klinik für Rinder der TiHo und hauptverantwortliche Wissenschaftlerin der Studie, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft finanziert wurde.

    Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der TiHo haben die Zusammenhänge zwischen chronischen Krankheitsfällen bei Milchkühen und C. botulinum untersucht. Sie ermittelten in 139 norddeutschen Milchviehbetrieben den C.-botulinum-Status, indem sie verdächtige und unverdächtige Herden auf das Vorkommen des Bakteriums und auf andere mögliche Krankheitsursachen untersuchten. In den Betrieben beurteilten sie die Körperkondition, das Gangbild, den hygienischen Zustand und den Zustand der Gelenke der Tiere. In den betroffenen Betrieben wählten sie fünf klinisch unauffällige und fünf chronisch kranke Tiere aus, die genauer untersucht und beprobt wurden. „Von jedem dieser insgesamt 1.389 Tiere haben die vier Studientierärzte Blut-, Pansensaft-, Kot-, Harn- und Haarproben entnommen. Wir haben den Kot und Pansensaft auf das Vorhandensein von Neurotoxin-Genvarianten von C. botulinum untersucht“, erklärte Svenja Fohler aus dem Institut für Lebensmittelqualität und -sicherheit der TiHo. Neben den Tierproben untersuchten sie Futtermittel- und Wasserproben. Die Wissenschaftler stuften anhand ihrer Untersuchungen knapp 18 Prozent der Betriebe und 6,19 Prozent der Tiere als Neurotoxin-Gen positiv ein. Lediglich in einer Kotprobe eines unauffälligen Tieres konnte ein Neurotoxin-Gen positives Isolat gefunden werden. Die klinische Untersuchung der Tiere ergab, dass das häufigste Symptom chronisch kranker Tiere eine Lahmheit aufgrund von einer Klauenerkrankung war – unabhängig vom Auftreten von C. botulinum.

    Des Weiteren wurden die Betriebe auf 74 mögliche Clostridien-Risikofaktoren wie beispielsweise das Vorkommen von Tauben oder die Verfütterung von Biertreber untersucht. „Wir konnten lediglich bei 13,5 Prozent der diskutierten Risikofaktoren einen Zusammenhang nachweisen. Mögliche Risikofaktoren für ein chronisches Krankheitsgeschehen sind nach diesen Ergebnissen beispielsweise die Weidehaltung laktierender Kühe in Zusammenhang mit der Weidengröße sowie verfrühtes Öffnen oder ein fehlender Verschluss des Maissilos“, sagte Hoedemaker. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Betriebe, in denen vermehrt chronische Erkrankungen auftraten, zum Teil erhebliche Probleme mit der allgemeinen Tiergesundheit hatten. „Als mögliche Ursache für die chronischen Herdengesundheitsprobleme konnten wir Faktoren in der Fütterung, in der Hygiene sowie im Kuhkomfort identifizieren. So waren die Kühe auf betroffenen Betrieben häufiger zu dünn, lahm und verschmutzt“, sagte Katharina Charlotte Jensen aus dem Institut für Biometrie, Epidemiologie und Informationsverarbeitung der TiHo. Viele der betroffenen Milchviehbetriebe wiesen ebenfalls Mängel in der Energiedichte des Futters, der Grobfutterqualität und der Art und Beschaffenheit der Liegeboxen auf. „Hier zeigen sich Möglichkeiten, um das chronische Krankheitsgeschehen in den Griff zu bekommen“, so Jensen.

    Chronischer Botulismus?

    Die unspezifische Erkrankung mit chronischem Verlauf trat in den vergangenen Jahren in Milchviehbetrieben vermehrt auf. Hierbei kam es zu einem schleichenden Verfall der betroffenen Tiere. Zu den Symptomen zählten eine herabgesetzte Milchproduktion, Euterentzündungen, Lahmheiten sowie Lähmungen bis hin zum Festliegen. Als mögliche Ursache wurden die Neurotoxine von C. botulinum als Auslöser des sogenannten viszeralen beziehungsweise chronischen Botulismus intensiv diskutiert. Die Verfechter dieser These vermuten, dass C. botulinum die Darmwand besiedelt und über einen längeren Zeitraum geringe Mengen des Toxins im Körper ausgeschüttet werden. Das würde den schleichenden Leistungsabfall und die unspezifischen Krankheitssymptome der Milchkühe erklären.

    Das Bakterium C. botulinum bildet Toxine, die zu den stärksten Nervengiften zählen. Das durch die Toxine hervorgerufene Krankheitsbild des klassischen Botulismus ist bei Menschen und Tieren seit langem bekannt. Die typischen Symptome – schwankender Gang bis hin zum Festliegen, Schwanz- und Zungenlähmung – werden durch Muskellähmungen hervorgerufen. Im Gegensatz dazu ist der postulierte „viszerale Botulismus“ aufgrund eines fehlenden wissenschaftlichen Nachweises bisher als Krankheitsbild nicht anerkannt.

    Für fachliche Rückfragen wenden Sie sich bitte an:

    Professorin Dr. Martina Hoedemaker, PhD
    Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
    Klinik für Rinder
    Tel.: +49 511 856-7246
    martina.hoedemaker@tiho-hannover.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Tier / Land / Forst
    überregional
    Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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