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22.09.2014 08:09

MHH als überregionales Behandlungszentrum für Menschen mit angeborenen Herzfehlern zertifiziert

Stefan Zorn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Medizinische Hochschule Hannover

    Umfassendes Know-how für eine spezielle Patientengruppe: EMAH-Zentrum bietet kontinuierliche multidisziplinäre Betreuung über alle Altersstufen hinweg

    Die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) wurde von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. als überregionales Zentrum für Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) zertifiziert. Die MHH ist das erste Zentrum dieser Art in Niedersachsen. EMAH-Zentren zeichnen sich durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit aller beteiligten Abteilungen, hohe technische Ausstattung und besondere Qualifikation des medizinischen Personals aus. Patientinnen und Patienten mit einem angeborenen Herzfehler wird hier eine kontinuierliche multidisziplinäre Betreuung über alle Altersstufen hinweg geboten. Sie werden von der Geburt bis ins Erwachsenenalter von demselben Expertenteam betreut. In der MHH besteht dieses Team aus Spezialisten der Klinik für Kardiologie und Angiologie, der Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin sowie der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie.

    Stetig wachsende Patientengruppe

    Etwa eines von 100 Babys in Deutschland kommt mit einem Herzfehler zur Welt. „Wegen der großen Fortschritte in der Kinderchirurgie und der Kinderkardiologie haben Menschen mit angeborenen Herzfehlern heute exzellente Überlebenschancen. Mehr als 90 Prozent von ihnen erreichen das Erwachsenenalter“, sagt Professor Dr. Philipp Beerbaum, Direktor der Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin. Zurzeit leben rund 250.000 Erwachsene mit angeborenem Herzfehler in Deutschland. Diese Gruppe der EMAH-Patienten wird immer größer, Schätzungen zufolge kommen jährlich 5.000 Betroffene hinzu. Obwohl die meisten von ihnen bereits im Kindesalter operiert werden, sind die wenigsten als „geheilt“ zu betrachten. Häufig treten später Folgeerkrankungen oder alterstypische nichtkardiale Krankheiten auf, die zu Komplikationen führen. „Diese Patienten sollten daher von der Geburt bis ins Erwachsenenalter in spezialisierten EMAH-Zentren von demselben Team aus Kinderkardiologen, Kardiologen und Kinderherzchirurgen betreut werden“, erklärt Professor Dr. Johann Bauersachs, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie.

    Das gesamte Spektrum der Therapiemöglichkeiten

    Zertifizierte EMAH-Zentren zeichnen sich vor allem durch die sehr enge Kooperation der beteiligten Kliniken aus. „In wöchentlichen Fallkonferenzen mit allen beteiligten Disziplinen werden im EMAH-Zentrum der MHH alle Patienten und die weiteren Therapieschritte besprochen“, erläutert Privatdozent Dr. Harald Bertram, Kinderkardiologe und Leiter des EMAH-Zentrums der MHH. Jede einzelne Patientengeschichte wird fächerübergreifend nach festen Standards dokumentiert. Darüber hinaus zeichnet sich das Zentrum durch eine besondere Qualifikation der Ärzte und des Pflegepersonals, eine Transitionsambulanz für die spezielle Betreuung von jugendlichen Patienten sowie die Anbindung an verschiedene Spezialambulanzen wie beispielsweise die Kunstherzsprechstunde aus. EMAH-Patienten, die nicht mit einer primären Herzproblematik auf einer kardiologischen oder kardiochirurgischen Station liegen, sondern von anderen Fachdisziplinen behandelt werden, werden konsiliarisch von einem EMAH-zertifizierten Arzt mitbetreut. Ein Beispiel hierfür sind Schwangere mit einem angeborenen Herzfehler. Da die schwangerschaftsbedingte Kreislaufbelastung für sie zu einem Problem werden kann, erfolgen in Zusammenarbeit mit der Frauenklinik regelmäßige vorsorgende Kontrolluntersuchungen. „Die MHH ist in der gesamten Bandbreite der Herz-Kreislauf-Medizin hervorragend aufgestellt. Durch die enge Zusammenarbeit der Disziplinen können sämtliche Therapiemöglichkeiten jetzt noch besser eingesetzt werden. Den Patienten steht die geballte Kompetenz zur Verfügung“, sagt Professor Dr. Axel Haverich, Direktor der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie.

    Viele Patienten müssen mehrmals operiert werden

    Im vergangenen Jahr wurden an der MHH 200 Kinder und 160 Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern operiert. „Einige Defekte, wie beispielsweise Herzscheidewanddefekte, können durch eine OP behoben werden. Komplexere Herzfehler, wie etwa eine Transposition der großen Arterien, beziehen meist die Herzklappen mit ein. Diese können zwar funktionell korrigiert werden, müssen später im Erwachsenenalter aber häufig nachoperiert werden“, erläutert Dr. Alexander Horke, Leiter der Chirurgie für angeborene Herzfehler der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie. So zählen Reoperationen an Herzklappen, meist in Kombination mit rhythmuschirurgischen Eingriffen bei EMAH-Patienten zu den häufigen Operationen im Erwachsenenalter. Weitere mögliche operative Eingriffe können der Einsatz von Schrittmachersystemen oder Kunstherzen bis hin zur Herztransplantation sein.

    Einzigartiges Therapieangebot bei psychischen Problemen

    Zusätzlich zu ihrer angeborenen Herzerkrankung können sich bei EMAH-Patienten im fortgeschrittenen Alter dieselben gesundheitlichen Probleme bemerkbar machen wie in der Allgemeinbevölkerung. „Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen sowie ungünstige Lebensgewohnheiten wie Rauchen und Bewegungsmangel sind Risikofaktoren kardiovaskulärer Krankheiten“, erklärt Professor Bauersachs. Als Komplikationen können Rhythmusstörungen, Herzschwäche, Schlaganfälle und Herzinfarkte auftreten. In der EMAH-Ambulanz in seiner Klinik werden pro Jahr rund 1.000 Patienten betreut. Die Ambulanz wird von der stellvertretenden Leiterin des EMAH-Zentrums Dr. Mechthild Westhoff-Bleck betreut. Die zertifizierte EMAH-Kardiologin hat sich in einer Studie mit psychischen Erkrankungen bei Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern beschäftigt. „In ihrer langen Krankheitsgeschichte durchleben diese Patienten Ängste und Schmerzen, die sich nachhaltig auf ihr Leben auswirken“, stellt Dr. Westhoff-Bleck fest. „Deshalb sind psychische Erkrankungen bei EMAH-Patienten überdurchschnittlich oft vertreten. Knapp 41 Prozent der Studienteilnehmer erhielten eine Therapie-Empfehlung.“ Durch die enge Zusammenarbeit mit der MHH-Klinik für Psychiatrie, Sozialpsychiatrie und Psychotherapie kann den Patienten auch in dieser Hinsicht geholfen werden. Dieses Therapieangebot ist bislang einzigartig in deutschen EMAH-Zentren.

    Seit 35 Jahren Patient an der MHH

    Sami Ullrich (35) wird seit seiner Geburt an der MHH behandelt. Der Wolfenbütteler hat einen komplexen Herzdefekt. Nachdem er auf die Welt gekommen war, stellten die Ärzte fest, dass seine rechte Herzklappe fehlt und dass die Herzschlagader und die Lungenschlagader vertauscht sind. Er wurde dreimal operiert: Im Alter von neun Monaten, mit neun Jahren und mit 15 Jahren. Der komplexe Herzfehler konnte nicht vollständig korrigiert, sondern nur bestmöglich an die gegebenen körperlichen Verhältnisse angepasst werden. Sami Ullrich lebt mit nur einer funktionierenden Herzkammer. Weil sein Puls zu niedrig war, setzten ihm die Ärzte bei der dritten Operation zusätzlich einen Herzschrittmacher ein. „Meine körperliche Leistungsfähigkeit ist stark eingeschränkt und kleine Zipperlein, die andere Menschen gut wegstecken, machen mir schnell zu schaffen“, sagt Sami Ullrich. Dennoch kann er ein halbwegs „normales“ Leben führen. Sein Beruf hilft ihm dabei in Bewegung zu bleiben: „Ich habe eine Hundeschule. Die Tiere halten mich auf Trab.“ Alle sechs Monate kommt er zur Kontrolle in die EMAH-Ambulanz. Im Laufe seines Lebens hat er ambulante und stationäre Behandlungen in der Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Intensivmedizin, der Klinik für Kardiologie und Angiologie und in der Herzchirurgie mit dem Schwerpunkt angeborene Herzfehler sehr gut kennengelernt. Dabei hat er festgestellt, dass sich in den vergangenen Jahren in der Betreuung der EMAH-Patienten vieles deutlich verbessert hat. Ein Beispiel dafür sei der Wechsel von der Kinderkardiologie in die Erwachsenenkardiologie. „Der Übergang ist heute nicht mehr abrupt, sondern fließend. Das ist für die Patienten in dem Alter sehr wichtig“, erklärt Sami Ullrich. Außerdem seien die Pflegekräfte inzwischen viel besser auf die spezielle Patientengruppe vorbereitet. Als Qualitätsmerkmal bezeichnet er auch den guten Austausch der MHH-Spezialisten mit seinem Kardiologen in Braunschweig, von dem er ebenfalls betreut wird.

    Kontakt zum EMAH-Zentrum der MHH können Patienten aufnehmen über die EMAH-Ambulanz in der Klinik für Kardiologie und Angiologie, Telefon (0511) 532-25 32, die Transitionsambulanz in der Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Intensivmedizin, Telefon (0511) 532-32 44 und das Sekretariat der Chirurgie für angeborene Herzfehler, Telefon (0511) 532-98 29.

    Es gibt auch eine Selbsthilfeorganisation für EMAH-Patienten. Nähere Informationen dazu finden Interessierte im Internet unter www.jemah.de. Ansprechpartner der Regionalgruppe Niedersachsen ist Sami Ullrich, Telefon (0 53 31) 93 29 32, niedersachsen@jemah.de.

    Weitere Informationen erhalten Sie bei PD Dr. Harald Bertram, Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Telefon (0511) 532-90 76, bertram.harald@mh-hannover.de, Dr. Mechthild Westhoff-Bleck, Klinik für Kardiologie und Angiologie, Telefon (0511) 532-25 32, westhoff-bleck.mechthild@mh-hannover.de, Professor Dr. Philipp Beerbaum, Klinik für Pädiatrische Kardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin, Telefon (0511) 532-67 50, beerbaum.philipp@mh-hannover.de, Professor Dr. Johann Bauersachs, Klinik für Kardiologie und Angiologie, Telefon (0511) 532-38 41, bauersachs.johann@mh-hannover.de und Dr. Alexander Horke, Chirurgie für angeborene Herzfehler der Klinik für Herz-, Thorax-, Transplantations- und Gefäßchirurgie, Telefon (0511) 532-98 29, horke.alexander@mh-hannover.de.


    Bilder

    PD Dr. Bertram (rechts) im neuen Herzkatheterlabor der Kinderkardiologie, erklärt Dr. Horke, Dr. Westhoff-Bleck, Professor Beerbaum und Patient Sami Ullrich (links) eine 3D-Aufnahme.
    PD Dr. Bertram (rechts) im neuen Herzkatheterlabor der Kinderkardiologie, erklärt Dr. Horke, Dr. We ...
    "Foto: MHH/Kaiser"
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Organisatorisches
    Deutsch


     

    PD Dr. Bertram (rechts) im neuen Herzkatheterlabor der Kinderkardiologie, erklärt Dr. Horke, Dr. Westhoff-Bleck, Professor Beerbaum und Patient Sami Ullrich (links) eine 3D-Aufnahme.


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