idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.01.2015 09:12

Fruchtfliegen riechen indirekt Antioxidantien

Angela Overmeyer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie

    Antioxidantien sind natürliche Nahrungsinhaltsstoffe, die Körperzellen vor gefährlichen Einflüssen schützen. Ihre Aufgabe ist es insbesondere, sogenannte freie Radikale zu neutralisieren, die meist durch Oxidation entstehen und für die Degeneration von Zellen verantwortlich gemacht werden. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena und der Universität Lund in Schweden konnten zeigen, dass Essigfliegen die Anwesenheit dieser Schutzstoffe riechen und aufspüren können. Düfte, die durch den mikrobiellen Abbau dieser Nahrungsinhaltstoffe entstehen, locken die Fliegen an, steigern ihren Appetit und lösen bei den Weibchen die Eiablage aus.

    Hydroxyzimtsäuren sind sekundäre Pflanzenstoffe und gehören zu den wichtigsten natürlichen Antioxidantien in der Nahrung. Für Tiere, aber auch für uns Menschen sind Antioxidantien unverzichtbare Nahrungsbestandteile, denn sie schützen die Zellen und stärken das Immunsystem. Sie verhindern insbesondere die Entstehung zu vieler freier Radikaler, zumeist Sauerstoffverbindungen, und somit eine Stoffwechsellage, die allgemein als oxidativer Stress bezeichnet wird. Leidet ein Organismus unter oxidativem Stress, können freie Radikale seine Zellen angreifen und die Krankheitsanfälligkeit erhöhen. In Fruchtfliegen entsteht oxidativer Stress beispielsweise, wenn das Insekt auf Giftstoffe durch schädliche Mikroorganismen in der Nahrung reagieren muss.

    Hydroxyzimtsäuren sind vor allem in Früchten zu finden. Da Früchte der bevorzugte Ort für die Eiablage von Fruchtfliegen sind, haben Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena diese Substanzen und ihre mögliche Wirkung auf die Fliegen genauer unter die Lupe genommen.

    Fruchtfliegen können Hydroxyzimtsäuren nicht direkt riechen. Durch die Aktivität von Hefen werden die Antioxidantien allerdings verstoffwechselt und es entstehen Ethylphenole. Diese flüchtigen Substanzen aktivieren gezielt Geruchsneurone, die sich auf Mundwerkzeugen der Fruchtfliegen, den sogenannten Maxillen, befinden und den Geruchsrezeptor Or71a produzieren. Fliegenlarven, die ebenfalls von Hydroxyzimtsäuren enthaltenden Hefen angelockt werden und die dafür Ethylphenole als duftende Hinweise nutzen, besitzen dagegen einen anderen Geruchsrezeptor, der die Ethylphenole bindet: Or94b, ein Rezeptor, der ausschließlich in Larven anzutreffen ist und zusammen mit Or94a aktiviert wird, der einen gewöhnlichen Hefeduft bindet. Obwohl die Fliegen Antioxidantien nicht direkt riechen können, sind Ethylphenole verlässliche Hinweise auf die Anwesenheit auf diese schützenden Stoffe in der Nahrung. Die Wahrnehmung dieser Duftsignale wirkt sich direkt auf das Verhalten der Fliegen aus: Sie werden von den Duftquellen angelockt, nehmen vermehrt Nahrung auf und legen dort ihre Eier dort ab, wo Ethylphenole die Anwesenheit gesunder Antioxidantien anzeigen.

    „Diese Form von stellvertretender Duftwahrnehmung ist kein Phänomen, das ausschließlich bei Insekten anzutreffen ist. Auch bei Menschen sind Düfte, die als angenehm oder lecker wahrgenommen werden, in der Tat wertvolle Hinweise auf gesunde oder gar lebensnotwendige Nahrungsinhaltstoffe, wie zum Beispiel essenzielle Aminosäuren, Fettsäuren und Vitamine“, erläutert Marcus Stensmyr, der die Untersuchungen in der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie geleitet hat und jetzt an der Universität Lund forscht.

    Die Ergebnisse sind ein weiteres Beispiel für einzelne Nervenleitungen, die vom Duftsignal über die Geruchsneurone und spezialisierte Rezeptoren einen grundlegenden Effekt auf das Verhalten der Fliegen haben (siehe auch unsere Pressemitteilung vom 7. Dezember 2012 „Direktschaltung im Fruchtfliegenhirn: STOPP, diese Nahrung ist verdorben − Duftstoff Geosmin von toxischen Mikroorganismen löst unbedingten Fluchtreflex aus“: http://www.ice.mpg.de/ext/971.html?&L=1). Die Nervenschaltung für Ethylphenole als Stellvertreter für wichtige Antioxidantien in der Nahrung zeigt eine weitere Facette des komplexen geruchsgesteuerten Verhaltens von Fruchtfliegen. Die Wissenschaftler werden jetzt versuchen, weitere solche Riechbahnen zu identifizieren, die an der Aufspürung wichtiger Nahrungsbestandteile beteiligt sind und letztendlich Verhalten auslösen. [AO]

    Originalveröffentlichung:
    Dweck, H., Ebrahim, S. A. M., Farhan, A., Hansson, B. S., Stensmyr, M. C. (2015). Olfactory proxy detection of dietary antioxidants in Drosophila. Current Biology, DOI: 10.1016/j.cub.2014.11.062
    http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2014.11.062

    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Bill S. Hansson, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, hansson@ice.mpg.de
    Dr. Marcus C. Stensmyr, Department of Biology, Lund University, marcus.stensmyr@biol.lu.se

    Kontakt und Bildanfragen:
    Angela Overmeyer M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str. 8, 07743 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail overmeyer@ice.mpg.de

    Download von hochaufgelösten Fotos über http://www.ice.mpg.de/ext/735.html


    Weitere Informationen:

    http://www.ice.mpg.de/ext/1183.html?&L=1


    Bilder

    Essigfliegen (Drosophila melanogaster) auf einer überreifen Kirsche
    Essigfliegen (Drosophila melanogaster) auf einer überreifen Kirsche
    Anna Schroll
    None

    Hany Dweck stimuliert die Riechsinneszellen von Fruchfliegen mit Düften und zeichnet die Reaktionen einzelner Geruchssensillen auf den Antennen der Insekten auf.
    Hany Dweck stimuliert die Riechsinneszellen von Fruchfliegen mit Düften und zeichnet die Reaktionen ...
    Anna Schroll
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Essigfliegen (Drosophila melanogaster) auf einer überreifen Kirsche


    Zum Download

    x

    Hany Dweck stimuliert die Riechsinneszellen von Fruchfliegen mit Düften und zeichnet die Reaktionen einzelner Geruchssensillen auf den Antennen der Insekten auf.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).