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24.06.2003 11:55

Aufgerichteter Wirbel bringt Schmerzfreiheit und Mobilität

Dr. Annette Tuffs Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Heidelberg

    Erste Ergebnisse der Heidelberger Kyphoplastie-Studie veröffentlicht / Verfahren nur für 10 Prozent der Patienten geeignet

    Mehr als 90 Prozent der Patienten, deren eingebrochene Rückenwirbel mit Hilfe einer "Kyphoplastie" aufgerichtet werden können, haben unmittelbar nach dem Eingriff deutlich weniger Schmerzen oder sind ganz von ihren Schmerzen befreit. Dies ist ein vorläufiges Ergebnis der auf fünf Jahre angelegten Heidelberger kontrollierten Kyphoplastie-Studie, die in der jüngsten Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes" (Band 25, S. A 1748 -1752) vorgestellt wird. Bei dem Eingriff wird mit Hilfe einer Kanüle unter Röntgenkontrolle ein spezieller Biozement eingespritzt. Der Wirbel wird zunächst mit einem aufblasbaren Ballon vorgedehnt und dann durch die Zementplombe stabilisiert. Die schmerzhafte Reizung der Knochenhaut lässt nach, die Patienten werden meist wieder mobil.

    "Voraussetzung für den Erfolg ist eine sehr sorgfältige Auswahl der Patienten", erklärt Privatdozent Dr. Dr. Christian Kasperk, Hormonspezialist und Leiter der Sektion Osteologie in der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Abteilung Endokrinologie und Stoffwechsel, Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Peter Nawroth). In der interdisziplinären Heidelberger Kyphoplastie-Konferenz entscheiden Unfallchirurgen, Röntgen-Experten und Hormonspezialisten gemeinsam, welche Patienten für die Kyphoplastie in Frage kommen. "Nur für 10 Prozent der ca. 840 Patienten, die sich seit Ende 2001 am Heidelberger Klinikum vorgestellt haben, kam der Eingriff in Frage", berichtet Dr. Kasperk.

    Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden an Wirbeleinbrüchen

    Nachfrage und Bedarf sind sehr hoch, da Wirbelkörperfrakturen die häufigste Komplikation des Knochenschwundes (Osteoporose) sind, an der rund 5 Millionen Menschen in Deutschland leiden. Wirbelfrakturen haben ca. 1,7 Millionen Frauen und 800.000 Männer. Etwa die Hälfte der meist älteren Betroffenen müssen mit chronischen Schmerzen, beeinträchtigter Mobilität und Pflegebedürftigkeit rechnen. "Auch wenn die Osteoporose bei allen Patienten effektiv mit Medikamenten behandelt würde, sind bei einem kleinen Anteil der Patienten Wirbeleinbrüche zu erwarten", sagt Dr. Kasperk.

    Bis vor 15 Jahren standen nur Schmerzmittel, Ruhigstellung, auch mit Korsett oder Mieder, oder eine stabilisierende Operation als Therapien zur Verfügung. Meist wurde dadurch das Grundproblem, der Knochenschwund, noch verstärkt, so dass weitere Wirbeleinbrüche die Folge waren. Die "Vertebroplastie", ein vor allem in Frankreich praktiziertes Verfahren, war ein erster Ansatz, den Wirbel durch Einspritzung zu stabilisieren. Allerdings wird dabei ein Knochenzement unter hohem Druck ohne Ballonvordehnung in den Wirbel gespritzt. Ein Austritt des Knochenzements wird bei 70 Prozent der Patienten beobachtet, hat aber meist keine klinischen Folgen. Da der verwendete Knochenzement (Polymethylacrylat) nur bei hohen Temperaturen hart wird, droht eine Schädigung des verbliebenen Knochen Gewebes.

    Der bei der Kyphoplastie verwendete Biozement erhärtet bereits bei Körpertemperatur und lässt sich, dank vorhergegangener Aufrichtung des Wirbelkörpers durch den Ballon, ohne erhöhten Druck einspritzen. Austritte des Biozements aus dem vorgeschädigten Wirbel sind deshalb nur bei ca. 20 Prozent der Patienten zu beobachten und machen fast nie Beschwerden. Der Biozement ist resorbierbar und kann allmählich durch Knochengewebe ersetzt werden.

    Welche Patienten kommen für eine Kyphoplastie in Frage? Auch Unfallpatienten können behandelt werden: Die Fraktur in Brust- oder Lendenwirbelsäule sollte jedoch nicht länger als drei Monate zurückliegen. Weitere prinzipielle Indikationen sind der chronische Wirbeleinbruch bei Osteoporose und die Fraktur bei bösartigen Tumoren oder Metastasen im Wirbelkörper. Eingeschränkt wird der Anwendungsbereich vor allem durch die Operations- und Narkosefähigkeit des Patienten, durch Gerinnungsprobleme und Infektionen sowie einen hochgradigen Abbau der Knochensubstanz in der gesamten Wirbelsäule. Nicht geeignet ist die Kyphoplastie zur kosmetischen Behandlung von Deformationen der Wirbelsäule oder als Therapie bei Bandscheibenvorfällen.

    Heidelberger Studie untersucht Langzeitergebnisse der Kyphoplastie

    Die Heidelberger Ärzte weisen darauf hin, dass nur eine strenge Indikationsentscheidung, die von allen Mitgliedern des Kyphoplastie-Teams getragen wird, Missbrauch mit dem vielversprechenden Therapieverfahren verhindern könne. Ob die Patienten tatsächlich langfristig profitieren, kann erst nach Abschluss der Heidelberger Studie im Jahr 2005 beurteilt werden. Dann wird sich u.a. zeigen, ob Einbrüche in anderen Wirbeln verhindert oder, wie Skeptiker der Kyphoplastie mutmaßen, begünstigt werden und ob sich das Knochengewebe im aufgerichteten Wirbel regenerieren konnte.

    Neu! Informationen für Ärzte und Patienten über die Kyphoplastie im Internet unter:
    www.kyphoplastie.de

    Artikel im Deutschen Ärzteblatt im Internet unter:
    http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=37441

    Das Gesundheitsmagazin PRAXIS des ZDF berichtet am morgigen Mittwoch, dem 25. Juni 2003, in seiner Sendung um 22.45 Uhr über das Heidelberger Kyphoplastie-Verfahren.

    Ansprechpartner:
    Privatdozent Dr. Dr. Christian Kasperk:
    06221 / 568605 (Endokrinologische Ambulanz, Frau Tietz)

    Diese Pressemitteilung ist auch online verfügbar unter
    http://www.med.uni-heidelberg.de/aktuelles/


    Weitere Informationen:

    http://www.kyphoplastie.de
    http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=37441


    Bilder

    Der Biozement wird zur Stabilisierung des Wirbelkörpers eingeführt. / Abb.: www.kyphon.com
    Der Biozement wird zur Stabilisierung des Wirbelkörpers eingeführt. / Abb.: www.kyphon.com

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Der Biozement wird zur Stabilisierung des Wirbelkörpers eingeführt. / Abb.: www.kyphon.com


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