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15.01.1999 18:16

Neu in Deutschland: Studienrichtung "Investment Banking"

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Die mit den Milliarden jonglieren
    Neu in Deutschland: Studienrichtung "Investment Banking"

    Am 21. Januar 1999 ist es soweit: Dann nämlich wird an der Chemnitzer Uni die neue und in Deutschland bisher einmalige Studienrichtung "Investment Banking" feierlich mit den ersten Vorlesungen eröffnet. Um 14.45 Uhr wird zunächst Dr. Heinz J. Hockmann über die "Grundlagen des Investment Banking" sprechen, anschließend um 16.30 Uhr Alfred Schorno über den "FX-Handel". Beide Vorlesungen finden im Hörsaal 111 des Neuen Hörsaalgebäudes in der Reichenhainer Straße 70 statt.

    Das besondere daran: Dr. Hockmann ist kein Geringerer als der oberste Vermögensstratege der Commerzbank und Alfred Schorno ist bei der gleichen Bank als Chefdevisenhändler tätig. Auch sonst sind für den neuen Studiengang als Dozenten lauter hochkarätige Manager aus der Commerzbank-Zentrale in Frankfurt am Main vorgesehen. Die Commerzbank engagiert sich schon seit geraumer Zeit stark auf dem Gebiet des Investment Bankings. Zum Start reisen eigens Dietrich-Kurt Frowein vom Commerzbank-Vorstand und Wilhelm von Carlowitz von der Dresdner Geschäftsleitung an. Ebenfalls dabei: Hans-Peter Neuhaus, Vorstandsmitglied der Nachrichtenagentur Reuters. Reuters hat in den vergangenen Jahren seinen Finanznachrichtendienst stark ausgebaut und stellt den Chemnitzern diese Nachrichten sowie die nötigen Geräte zu deren Empfang kostenlos zur Verfügung.

    Doch warum diese bisher in Deutschland ungewöhnliche Gestaltung der neuen Studienrichtung? "Die besondere Stärke dabei liegt im Bezug zur Praxis", erläutert Initiator Prof. Dr. Friedrich Thießen von der Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre der Chemnitzer Uni. "So können wir die Verhältnisse richtig verstehen und neue Lösungsansätze finden. Das Investment Banking entwickelt sich stürmisch weiter. Eine gute Zusammenarbeit mit den Banken kann dem Fach und der Ausbildung nur nützen." Die neue Studienrichtung stelle sicher, daß die Chemnitzer Studenten der Betriebswirtschaft die Uni mit topaktuellen und direkt anwendbaren Kenntnissen verließen.

    Studenten, die sich auf dem Gebiet des Investment Bankings spezialisieren wollen, müssen insgesamt vier Vorlesungen zu je zwei Semesterwochenstunden, dazu eine Übung und ein Seminar belegen. Auch eine Fallstudie ist anzufertigen. Daneben wird es ein Examenskolloquium geben. Wer möchte, kann auch seine Diplomarbeit auf dem neuen Gebiet schreiben.

    Eine der vier Vorlesungen werden die Praktiker der Commerzbank halten. Eine weitere bestreitet der Chemnitzer Wirtschaftsmathematiker Prof. Bernd Luderer. Wenn es nämlich um die Bewertung von Aktien oder ganzen Firmen geht, wird die Finanzmathematik immer wichtiger.

    Ganz besonders ist das bei den "Derivaten" zu spüren. Darunter verstehen die Bankiers Finanzprodukte, deren Wert von anderen Finanzprodukten abhängt, also etwa Aktienoptionen (das sind Kauf- oder Verkaufsrechte auf Aktien), Bezugsrechte, Termingeschäfte und andere, weit kompliziertere Konstruktionen. Solche Finanzprodukte sind wichtig, um Schwankungen auf den Kapitalmärkten abzufangen und damit die Wirtschaft zu stabilisieren. Die beiden restlichen Vorlesungen decken die Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftler selbst ab: Sie werden von Prof. Thießen gehalten.

    Daß sich die Großbank mit der neuen Studienrichtung ausgerechnet in Chemnitz engagiert, hat mehrere Gründe. Zum einen liegt hier eine der historischen Wurzeln der Bank - die Commerzbank ging unter anderem aus dem Chemnitzer Bankverein von 1871 hervor. Der war noch in den zwanziger Jahren mit 37 Filialen und fast 1000 Beschäftigten größte sächsische Regionalbank und rangierte unter den deutschen Regionalbanken immerhin auf Rang fünf. Darüber hinaus hat man in der Frankfurter Zentrale erkannt, welch ein offenes Klima gerade in Chemnitz herrscht. Kein Wunder, daß die Commerzbank bereits im Oktober 1995 hier eine Stiftungsprofessur eingerichtet hat, die sich dem internationalen Finanzmanagement widmet und im Wechsel internationale Kapazitäten einlädt.

    Stichwort: Investment Banking

    Ob die Autokonzerne Daimler Benz und Chrysler fusionieren oder sich die Chemieriesen Hoechst und Rhône Poulenc zur neuen Firma Aventis zusammenschließen, ob Gerüchte die Runde machen, daß Ford bei BMW einsteigen oder daß die Allianz einen französischen Versicherungskonzern übernehmen werde - wo immer auf internationaler Ebene in großem Stil Unternehmen ge- oder verkauft werden oder sich zusammentun, wo eine Firma den Gang an die Börse wagt, wo große Vermögen verwaltet werden, etwa von Versicherungen und Pensionsfonds, oder wo mit ausländischen Währungen gehandelt wird, ist der Rat von Investment Bankern gefragt. Mittlerweile weiß es fast jeder: Aktien und Anleihen werden rund um den Erdball verkauft, und wenn Staaten wie Brasilien und Rußland gerade mal nicht "flüssig" sind, leihen sie sich Geld auf den internationalen Kapitalmärkten. Dabei geht es fast immer um große Summen - zweistellige Milliardenbeträge sind durchaus nicht selten - bei denen man ohne fachkundige Beratung nicht auskommt.

    Zumindest in Europa ist der Beruf des Investment Bankers noch ziemlich neu. Bis vor wenigen Jahren war er so gut wie unbekannt - in vielen gängigen Lehrbüchern kommt der Begriff bis heute nicht vor. Typisch für die westeuropäischen Länder ist nämlich das Universalbanksystem. Dabei befindet sich das Wertpapiergeschäft (und nichts anderes ist nämlich Investment Banking im Kern) zusammen mit dem Einlagen- und Kreditgeschäft (neudeutsch: Commercial Banking) unter einem Dach. Das Einlagen- und Kreditgeschäft überwog hierbei in der Vergangenheit bei weitem. Für diesen Bereich bildeten die deutschen Unis ihre Absolventen denn auch vornehmlich aus - eine eigenständige Studienrichtung "Investment Banking" gab es bisher nicht.

    Im angelsächsischen Raum dagegen sind Commercial und Investment Banking getrennt. Letzteres kann dort auf eine fast 200 Jahre alte Tradition zurückblicken, die Investmentbank J. P. Morgan zum Beispiel wird bald 160 Jahre. Auch bei uns haben sich die Gewichte immer mehr in Richtung Investment Banking verschoben. Seit geraumer Zeit haben die deutschen Unternehmen entdeckt, wie gut sich mit Wertpapieren die Finanzausstattung, die flüssigen Mittel und die Beteiligung an anderen Firmen steuern lassen. Zudem haben auch die deutschen Privathaushalte mittlerweile die Aktie als Vermögensanlage entdeckt. Auch die Medien haben den Zug der Zeit erkannt: Längst verabschieden sich die "Tagesthemen" und das "heute-journal" jeden Tag mit den Aktienindices aus New York und Tokio. Hinzu kommt: Beim Investment Banking ist mehr Geld zu verdienen als beim herkömmlichen Einsammeln und Verleihen von Geldern. Freilich sind auch die Risiken erheblich größer, wie der Fall der Barings Bank, der ältesten englischen Privatbank, 1995 zeigte. Dort hatte ein gerade mal 27 Jahre alter Börsenhändler, der in der Filiale Singapur stationiert war, innerhalb kurzer Zeit Verluste von mehr als anderthalb Milliarden Mark aufgehäuft, die er durch betrügerische Buchungstricks kaschierte. Aber gerade dieser Fall macht deutlich, wie wichtig gut ausgebildete Fachleute sind - und auf eine gute Ausbildung ist in Chemnitz allemal Verlaß.

    Sehr wahrscheinlich ist deshalb, daß glänzende Karriereaussichten hat, wer sich für die neue Studienrichtung entscheidet: Erfolgreiche Investmentbanker können, so jedenfalls das "Handelsblatt", locker auf 300.000 Mark im Jahr kommen, selbst Gehälter von einer Million waren in der Vergangenheit keine Seltenheit und dürften auch in Zukunft nicht ausgeschlossen sein. Um in diese Kreise aufzusteigen, braucht es allerdings mehr als nur eine gute wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung. Perfekte englische Sprachkenntnisse etwa sind ein "Muß". "Englisch ist längst zur internationalen Finanzsprache geworden", so Prof. Thießen. "Wir sollten es nicht mehr als erste Fremdsprache, sondern als unsere zweite Muttersprache ansehen." Konsequent hat der Bankenexperte denn auch seinen Briefkopf ergänzt - seit kurzem heißt es dort nicht nur "Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre" sondern auch "Corporate Finance - Commercial Banking - Investment Banking".

    (Autor: Hubert J. Gieß)

    Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Wirtschafts-wissenschaften, Professur Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre, Reichenhainer Str. 39, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Friedrich Thießen, Telefon 03 71/531-41 74, Fax 03 71/5 31-39 65, E-mail: f.thiessen@wirtschaft.tu-chemnitz.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Mathematik, Physik / Astronomie, Wirtschaft, fachunabhängig
    überregional
    Organisatorisches, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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