idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.01.2011 09:57

Vom Entzündungsverstärker zum Entzündungsdämpfer

Dr. Jo Schilling Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Twincore - Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung

    Wissenschaftler am TWINCORE entdecken Rollenwechsel von Immunzellen

    Th17-Zellen gelten als Auslöser und Verstärker von immunentzündlichen Erkrankungen wie Rheuma und Arthritis. Forscher am hannoverschen TWINCORE haben entdeckt, dass diese Zellen im Darm unter bestimmten Umständen die genau entgegen gesetzte Rolle übernehmen: Sie dämpfen überschießende Immunreaktionen ab.

    Unser Immunsystem steht im Darm vor großen Herausforderungen. Der Verdauungstrakt ist von unzähligen Mikroorganismen bevölkert. Die meisten von ihnen sind Bakterien, und geschätzt beherbergt unser Darm etwa 100 Mal mehr Mikroben als unser gesamter Körper Zellen hat. Die meisten dieser winzigen Organismen sind keine Gefahr für uns. Im Gegenteil, sie helfen uns bei der Verdauung der Nahrung. Wenn sie allerdings durch die Darmwand in unseren Körper gelangen, können sie schwere Infektionen auslösen. Bei der Steuerung dieser Wohngemeinschaft spielen so genannte Th17-Zellen eine wichtige Rolle. „Th17-Zellen sind seit einiger Zeit im Gespräch, weil sie bei Rheuma, Arthritis und anderen immunentzündlichen Erkrankungen die Entzündung verstärken oder sogar auslösen“, sagt Matthias Lochner, Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Infektionsimmunologie des TWINCORE. In neuen Therapieansätzen gegen diese Erkrankungen wollen Wissenschaftler die Bildung von Th17-Zellen blockieren – und damit der Entzündung zumindest den Verstärker nehmen. „Also haben wir uns die Rolle der Th17-Zellen im Darm genauer angesehen. Denn auch im Darm kommt es, wie beispielsweise bei Morbus Crohn, zu immunentzündlichen Erkrankungen, die bisher kaum therapierbar sind.“

    Für die Organisation dieser Gemeinschaft hat das Immunsystem in unserem Darm ein paar Besonderheiten entwickelt: In den Schleifen des Dickdarms wachen Lymphknoten über die Bakterien und der Dünndarm ist durchsetzt mit Immunzell-Ansammlungen und Follikeln. Der Nahrungsbrei fließt über eine Schicht aus großen Eiweiß-Zucker-Molekülen: den Mukus, den die Zellen des Darms produzieren und der mit der Darmwand verankert ist. Darin fühlen sich die Bakterien besonders wohl. Auf der anderen Seite dieser Schicht sorgen die Immunzellen dafür, dass die Mukus-Schicht stets mit Antikörpern durchsetzt ist. Diese Antikörper wirken wie Anker und binden die Bakterien. So können die Mikroben weiter Nahrungsmittel für uns verarbeiten, können jedoch nicht die Darmwand selbst erreichen. Die Immunzellen im Darm erkennen die Produkte der Bakterien und wissen damit genau über die Darmbewohner Bescheid.

    Um die Steuerungsmechanismen dahinter aufzuklären, haben die Forscher die Bildung des normalen Lymphgewebes im Darm von Mäusen ausgeschaltet und damit auch die Produktion der Th17-Zellen. Das Erstaunliche: Der Darm hat einen Notfall-Plan und stellt auf eine Immunregulation um, bei der eine große Anzahl von Immun-Zell-Follikeln gebildet wird, die nun die Steuerung der Darmflora übernehmen. Wird dieses Notfallsystem jedoch gestört – etwa durch Entzündung – zeigen sich die Schwächen dieses Plans. Der Darm reagiert viel heftiger als mit dem normalen Immunsystem und entzündet sich besonders stark. Er beruhigt sich erst wieder, wenn die Forscher Th17-Zellen in den Darm bringen. Th17 schlüpft damit hier aus seiner bekannten Rolle – während diese Zellen bei anderen entzündlichen Erkrankungen die Reaktion verstärken, bremsen sie in diesem Fall die Entzündung ab. „Mit diesem Ergebnis stellen wir uns natürlich die Frage, ob es in jedem Fall sinnvoll ist, immunentzündlichen Erkrankungen mit einer Th17-Blockade zu begegnen“, gibt Matthias Lochner zu bedenken. „Offenbar erfüllt Th17 auch wichtige regulatorische Aufgaben und wir wissen nicht, was eine generelle Blockade etwa bei Rheuma oder Arthritis für Auswirkungen haben kann.“

    Publikation:

    Lochner M, Ohnmacht C, Presley L, Bruhns P, Si-Tahar M, Sawa S, Eberl G. 2011. Microbiota-induced tertiary lymphoid tissues aggravate inflammatory disease in the absence of RORgt and LTi cells. J Exp Med. 2011 Jan 17;208(1):125-134. Published December 20, 2010, doi:10.1084

    Ansprechpartner:

    Dr. Matthias Lochner
    TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung GmbH
    Tel: +49 (0)511 220027 202
    E-Mail: matthias.lochner@twincore.de


    Weitere Informationen:

    http://www.twincore.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).