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10.06.2011 08:56

EHEC-Ausbruchsstamm: Prof. Karch vermutet den Mensch als ein Reservoir

Stefan Dreising Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Universitätsklinikum Münster

    „Das wäre nicht das erste Mal“ / HUSEC041 hat eine vergleichbar hohe Säureresistenz wie klassische EHEC-Typen

    Münster (ukm/dre). Auf mehreren Ebenen konnten Wissenschaftler der Medizinischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster um Prof. Dr. Dr. h.c. Helge Karch am Institut für Hygiene des Universitätsklinikums Münster (UKM) den aktuellen EHEC-Ausbruchsstamm HUSEC041 (O104:H4) in dieser Woche weiter entschlüsseln. Dabei rückte besonders die Frage nach dem natürlichen Reservoir des Darmbakteriums in den Mittelpunkt: „Zum jetzigen Zeitpunkt liegt mir und dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kein Nachweis vor, dass zu HUSEC041 gehörende EHEC-Isolate des Menschen bei Tieren festgestellt wurden und diese dauerhaft kolonisieren können. Der sich jetzt ausbreitende Erreger ist bislang nur beim Menschen nachgewiesen worden. Dies gilt übrigens auch für eng mit ihm verwandte Stämme, die den enteroaggregativen Geno- und Phänotyp zeigen und Shiga Toxin produzieren. HUSEC041 ist nicht der einzige Stamm in der 42 Stämme umfassenden HUSEC-Referenzkollektion am Institut für Hygiene, der diese Eigenschaften aufweist. Darüber hinaus haben wir bereits 1998 zusammen mit Kollegen aus Frankreich und Italien Stämme eines HUS-Ausbruchs beschrieben, bei dem entereoaggregative E. coli (EAEC) Shiga Toxin 2 gebildet haben.“

    Der jetzige Ausbruchsstamm und der zehn Jahre alte HUSEC041, aber auch andere Stämme aus der HUSEC-Referenzstammsammlung, zeigen das gleiche Adärenzmuster („Anheftungsmuster“) an Darmzellen. Auch außerhalb des Körpers kleben sie an allen Oberflächen, weil sie ausgezeichnete Biofilmbildner sind. „ Bei dem jetzigen Ausbruchsstamm von einer Neuentwicklung zu sprechen, halte ich daher für nicht angemessen“, betont Prof. Karch.

    Zum jetzigen Zeitpunkt müsse davon ausgegangen werden, dass der Ausbruchsstamm ein Reservoir im Menschen hat. „Innerhalb der Serogruppe O104 sind uns drei H-Antigentypen (H7, H12, H21) bekannt, die Shiga Toxine produzieren und bei Tieren (Schaf, Rind) vorkommen. Im Gegensatz dazu ist ein vierter Geißeltyp (H4) und der Sequenztyp 678 innerhalb der Serogruppe O104 , also der jetzige Ausbruchsstamm HUSEC041 jedoch bis heute noch nie bei Tieren gefunden worden. Oder er hat erst in jüngster Zeit die Speziesbarriere überschritten und ist auf Tiere übergegangen. Dies ist eher unwahrscheinlich, wird aber aktuell von meinem Kollegen Prof. Lothar Wieler in Berlin nochmals abgeklärt“, sagt Karch.

    Angesichts des Ausbreitungsmusters der Erkrankungsfälle in Deutschland ist es jedoch nahezu auszuschließen, dass die Infektionen nur über Kontakt von Mensch zu Mensch über Schmierinfektionen erfolgen. Karch: „Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass auch andere Infektionsträger, die z.B. über menschliche Fäkalien kontaminiert wurden, eine Bedeutung haben. Diese möglichen Infektionsträger müssen natürlich gefunden werden. Das wäre nicht das erste Mal bei einem EHEC: Denn er kann, wie viele anderer enteritische Krankheitserreger, über menschliche Fäkalien in die Umwelt eingetragen werden.“

    Der EHEC-Spezialist aus Münster betont: „Aktuell arbeiten deutschlandweit die Experten ihres jeweiligen Faches eng zusammen, so werden Kompetenzen gebündelt und zusammengeführt. Es haben sich verschiedene Kompetenzteams gebildet, die eng miteinander kooperieren.“ Hierzu zählen u.a. ein Kompetenzteam der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) unter Leitung von Prof. Karch zur Ausscheidungsdauer bei Patienten, ein Antibiotikakompetenzteam sowie das Kompetenzteam Wasser. Die Ergebnisse dieser Studien werden unmittelbar ausgetauscht und an alle beteiligten Einrichtungen weitergegeben.

    Aktuell laufen in Münster der Abgleich der Genomsequenzen der HUSEC041-Isolate aus den Jahren 2011 und 2001 sowie weitere umfangreiche Untersuchungen. Bereits fest steht, dass der aktuelle Erreger wie ein „klassischer“ EHEC sehr niedrige pH-Werte (2,5 bis 3,5) mindestens zwei Stunden toleriert. Das bedeutet, dass er anders als z.B. Salmonellen die normale Säurebarriere des menschlichen Magens überstehen kann und wahrscheinlich schon wenige Keime zur Infektion und zur Erkrankung führen können.

    Weitere Ergebnisse werden in den kommenden Tagen erwartet. „Unsere Ergebnisse werden wir wie bisher unverzüglich der Öffentlichkeit mitteilen“, so Prof. Karch.

    Laborinformationen zum in Münster entwickelten EHEC-Bestätigungstest sind weiterhin unter der Homepage: www.ehec.org frei abrufbar.

    Chronologie der Arbeiten am Institut für Hygiene in Münster

    Seit dem 23. Mai steht die Erforschung des EHEC-Erregers im Mittelpunkt der Arbeit im Hygieneinstitut: An diesem Tag ging vormittags die erste Stuhlprobe ein. Am 25. Mai konnten die Wissenschaftler aus Münster den bis dahin weltweit sehr seltenen Stamm HUSEC041 (O104:H4, ST 678) als aktuellen Ausbruchsstamm identifizieren.
    In den darauf folgenden Tagen entwickelten die Forscher einen für diesen Stamm spezifischen Bestätigungstest, der innerhalb von vier Stunden eine Infektion mit dem Ausbruchsstamm nachweist oder ausschließt und ab dem 30. Mai eingesetzt werden konnte. Die hierzu nötigen Testprotokolle und Laborinformationen wurden unmittelbar auf www.ehec.org veröffentlicht. Der Test unterscheidet nicht nur den aktuellen Ausbruchsstamm von anderen nahe verwandten Shiga Toxin-produzierenden EHEC der Serogruppe O104 mit den H-Antigenen H2, H7,H12, H21, sondern auch von allen anderen Shiga Toxin-produzierenden E. coli, anderen Pathotypen darmpathogener E. coli und der E. coli Normalflora.

    In der Nacht zum 2. Juni lag die Genomsequenzierung des Ausbruchsstamms 2011 in Münster vor. Drei Tage später, am 5. Juni, stand die Sequenzierung eines zu HUSEC041 gehörendem Isolat aus dem Jahr 2001 zur Verfügung.


    Weitere Informationen:

    http://www.ehec.org - Website mit Laborinformationen zum EHEC-Bestätigungstest


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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