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22.07.2011 09:34

Neuron verursacht möglicherweise zu starke Gefühle

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Gibt es einen Zusammenhang zwischen einem bestimmten Nervenzelltyp (dem „von Economo Neuron“) im limbischen System des Gehirns und sehr starken Emotionen, die letztlich sogar zu Selbstmord führen können? Dieser spannenden Frage widmet sich ein Forscherteam der Ruhr-Universität Bochum. Zu ihm gehören Wissenschaftler des LWL-Universitätsklinikums Bochum und des Instituts für Neuroanatomie (Medizinische Fakultät der RUB). Erste Ergebnisse haben die Forscher im Fachmagazin PLoS One veröffentlicht.

    Wichtige Schnittstelle bei der Verarbeitung komplexer Emotionen

    Im Fokus der Forschung steht der anteriorer cingulärer Cortex (ACC), eine phylogenetisch alte Struktur des Gehirns, die dem limbischen System zugerechnet wird. Der ACC ist eine wichtige Schnittstelle bei der Verarbeitung komplexer Emotionen wie Scham, Schuld oder Unfairness, bei der Entscheidungsfindung und bei der Einfühlung (Empathie) und Verarbeitung körperlicher und seelischer Schmerzen. Anatomische und funktionell-bildgebende Untersuchungen mittels Kernspintomografie haben gezeigt, dass der ACC bei psychotischen Erkrankungen wie etwa Schizophrenien und bipolaren Erkrankungen betroffen ist. Vergleichende Untersuchungen beim Menschen und bei anderen Primaten haben ergeben, dass sich im ACC (und der vorderen Inselregion) ein besonderer Zelltyp wiederfindet, der nach ihrem Erstbeschreiber „von Economo Neuron“ genannt wird. Diese Zellen haben im Laufe der menschlichen Evolution an Größe und Zahl zugenommen. Interessanterweise finden sich die Zellen auch bei Walen und Elefanten – Tierarten, die ebenfalls in hoch komplexen Sozialstrukturen leben. Obwohl die genaue Funktion dieser Nervenzellen nicht bekannt ist, ist angesichts ihrer Lokalisation und Evolutionsgeschichte anzunehmen, dass sie an der Verarbeitung komplexer Informationen einschließlich emotionaler Vorgänge beteiligt sind.

    Erhöhte Dichte der von Economo Neurone

    Untersuchungen an Gehirnen von Patienten mit psychischen Erkrankungen wie Autismus, Schizophrenien und Demenz haben gezeigt, dass diese Zellen in Größe und Dichte im ACC verändert sein können. Dies fügt sich ein in das vorläufige Bild, das sich Forscher bezüglich der Funktion der „von Economo Neurone“ machen, da bei den genannten Erkrankungen die Verarbeitung komplexer Gefühle, das Mitgefühl mit Anderen und die Entscheidungsfindung häufig beeinträchtigt sind. In ihrer kürzlich im Fachmagazin „Public Library of Science One“ (PLoS One) veröffentlichten Studie konnten die Bochumer Forscher zeigen, dass bei Menschen mit psychischen Erkrankungen, die an Suizid verstarben, die Dichte der „von Economo Neurone“ im ACC im Vergleich zu Menschen, die durch andere Ursachen verstarben, erhöht ist. Dieser Befund könnte die Bedeutung der „von Economo Neurone“ in der Verarbeitung von Emotionen stärken. Die Fähigkeit zur Wahrnehmung komplexer Gefühle wie Scham, Schuld, Fairness und Empathie für Andere ist zweifellos bedeutsam für das menschliche Miteinander. Unter ungünstigen Umständen kann diese Sensibilität für starke Emotionen aber auch dazu führen, dass die betroffenen Menschen Suizid begehen. „Wenngleich diese Interpretation der Zusammenhänge teilweise spekulativ ist und wir keineswegs den Eindruck erwecken wollen, dass ein derart komplexes Geschehen wie Suizid auf die Funktionsweise eines einzelnen Nervenzelltyps zurückgeführt werden kann, so kann die Forschung auf diesem Gebiet doch dazu beitragen, die neurobiologischen Grundlagen dieser Vorgänge besser verstehen zu lernen“, erklärt Prof. Martin Brüne, der die Studie initiiert hat.

    Titelaufnahme

    Martin Brüne, Andreas Schöbel, Ramona Karau, Pedro M. Faustmann, Rolf Dermietzel, Georg Juckel, Elisabeth Petrasch-Parwez: Neuroanatomical Correlates of Suicide in Psychosis: The Possible Role of von Economo Neurons, PLoS One, June 2011, Volume 6, Issue 6, e20936.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. med. Martin Brüne, LWL-Universitätsklinikum Bochum der Ruhr-Universität Bochum, Leiter der Forschungsabteilung für Kognitive Neuropsychiatrie und psychiatrische Präventivmedizin, Alexandrinenstraße 1-3, 44791 Bochum, Tel.: 0234 5077 1130, Fax: 0234 5077 1329
    martin.bruene@wkp-lwl.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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