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10.01.2012 11:52

Schwere Nierenerkrankungen früh erkennen – neue Biomarker auf die Probe gestellt

Barbara Bachtler Pressestelle
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch

    Wie erkennt ein Arzt, ob bei einem Patienten, der in die Notaufnahme einer Klinik eingeliefert wird, die Nieren akut geschädigt sind? Diese Frage ist mit bisherigen Tests häufig nur schwer zu beantworten, für die frühe Beurteilung der Schwere des Krankheitsbildes jedoch von großer Bedeutung. Kliniker vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC) des Max-Delbrück-Centrums (MDC) und der Charité, des Helios-Klinikums Berlin und dreier US-Kliniken haben jetzt gezeigt, dass der Nachweis von Proteinen, die eine geschädigte Niere in den Urin ausschüttet, hilft, Hochrisikopatienten sehr früh zu erkennen (Journal of the American College of Cardiology, online, 9. Januar 2012)*.

    „Es gibt keine typischen Symptome für akutes Nierenversagen“, sagt Prof. Kai Schmidt-Ott. „Trotzdem ist es für den Arzt sehr wichtig, schon sehr früh festzustellen, ob ein Patient eine akute Nierenschädigung hat“, betont der Nierenspezialist von der Charité, der am MDC eine Forschungsgruppe leitet. Denn im Anfangsstadium ist es häufig noch möglich, die Erkrankung aufzuhalten oder zumindest zu verlangsamen. Bei fortgeschrittener Schädigung ist eine Dialyse-Behandlung (Blutwäsche) erforderlich. Viele Patienten mit schwerer Nierenschädigung sterben im Krankenhaus. Wie groß das Problem ist, machen auch einige Zahlen deutlich. Allein in den USA werden jedes Jahr eine Million Patienten mit schwerer Nierenschädigung diagnostiziert. In Deutschland gibt es derzeit nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie allein rund 70 000 Dialysepatienten. Und die Zahlen steigen.

    Derzeit wird einzig der Kreatininwert im Blut (Serum-Kreatinin) für die Diagnose eines akuten Nierenversagens herangezogen. Kreatinin ist ein Molekül, das normalerweise über die Niere ausgeschieden wird, sich jedoch bei eingeschränkter Nierenfunktion im Blut anhäuft. „Ein erhöhter Kreatininwert ist aber kein direktes Maß für die Nierenschädigung“ erläutert Prof. Schmidt-Ott. „So kann eine längerdauernde leichte Minderdurchblutung der Niere bereits zu einem deutlichen Anstieg des Serum-Kreatinins führen, ohne dass das Nierengewebe geschädigt ist. Diese Funktionsstörung der Niere ist meist gut zu behandeln. Die Patienten erhalten eine Elektrolytlösung oder müssen die Medikamente, die die Niere schädigen, absetzen.

    Dagegen hat eine Gewebeschädigung in der Niere eine deutlich schlechtere Prognose. Dennoch ist es nicht immer möglich in der Notaufnahme erhöhte Serum-Kreatinin-Werte zu messen, weil nach einer Nierenschädigung 24 bis 48 Stunden vergehen können, bis das Kreatinin sich im Blut anhäuft und damit die Risikopatienten nicht erkannt werden. Somit besteht ein dringender Bedarf an genaueren Markern der Gewebeschädigung in der Niere.

    Seit einiger Zeit ist bekannt, dass eine geschädigte Niere eine Reihe von Proteinen bildet. In kleineren Studien mit wenigen Patienten war untersucht worden, ob diese Proteine als „Biomarker“ dienen können, um Hochrisikopatienten mit einer Gewebeschädigung der Niere zu identifizieren. In den vergangenen drei Jahren sind Prof. Thomas L. Nickolas und Prof. Jonathan Barasch von der Columbia Universität in New York City, sowie Prof. Schmidt-Ott und Prof. Friedrich C. Luft (beide ECRC), dieser Frage in einer großen Studie nachgegangen. Sie haben von fast 1 700 Patienten, die in die Notaufnahmen von Kliniken in Berlin und New York kamen, fünf dieser Proteine im Urin gemessen.

    Dabei stellten sie fest, dass vor allem zwei Proteine, in der Fachsprache kurz NGAL und KIM-1 genannt, sich als hilfreich für eine frühzeitige Risikoeinschätzung erwiesen haben. Sind die NGAL-und KIM-1-Werte niedrig, so ist das Risiko des Patienten gering, im Laufe des Klinikaufenthaltes zu versterben oder eine Dialyse zu benötigen. Hohe Werte zeigen dagegen das Risiko einer akuten Nierenschädigung an. Kombiniert ein Arzt die Messwerte dieser Biomarker mit den Werten des Serum-Kreatinins, ist eine genauere Einschätzung des individuellen Risikos möglich, so Prof. Schmidt-Ott. Das könnte Klinikern in der Notaufnahme schnell helfen, eine adäquate Behandlungsstrategie für den Patienten zu entwickeln.

    Noch aber ist nicht klar, ob alle Patienten, die in eine Notaufnahme kommen, auf diese Biomarkerproteine hin untersucht werden sollten oder ob die Messung nur bestimmten Patienten (zum Beispiel Diabetikern oder Bluthochdruckpatienten, die ein hohes Risiko für ein akutes Nierenversagen haben) vorbehalten sein soll. Ebenso ist noch unklar, ob eine Diagnose mit Hilfe dieser Biomarker tatsächlich den individuellen Behandlungserfolg beeinflusst. Dazu sind nach Aussage von Prof. Schmidt-Ott weitere Studien nötig.

    *Diagnostic and Prognostic Stratification in the Emergency Department Using Urinary Biomarkers of Nephron Damage - A Multicenter Prospective Cohort Study
    Thomas L. Nickolas*†1, Kai M. Schmidt-Ott*†2,3, Pietro Canetta1, Catherine Forster1, Eugenia Singer2,3, Meghan Sise1, Antje Elger2, Omar Maarouf4, David Antonio Sola-Del Valle1, Matthew O’Rourke1, Evan Sherman1, Peter Lee1, Abdallah Geara1, Philip Imus1, Achuta Guddati1, Allison Polland1, Wasiq Rahman1, Saban Elitok3, Nasir Malik1, James Giglio1, Suzanne El-Sayegh4, Prasad Devarajan5, Sudarshan Hebbar6, Subodh J. Saggi4, Barry Hahn4, Ralph Kettritz2,3, Friedrich C. Luft2,3, and Jonathan Barasch1

    1 Columbia University College of Physicians and Surgeons, New York, NY, USA
    2 Experimental and Clinical Research Center, a joint cooperation between the Charité Medical Faculty and the Max-Delbrück Center for Molecular Medicine, Berlin, Germany
    3 Helios Clinics, Berlin, Germany
    4 Staten Island University Hospital, Staten Island, NY, USA
    5 Cincinnati Childrens Hospital, Cincinnati, OH, USA
    *† Co-first and co-corresponding authors

    Kontakt:
    Barbara Bachtler
    Pressestelle
    Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch
    in der Helmholtz-Gemeinschaft
    Robert-Rössle-Straße 10
    13125 Berlin
    Tel.: +49 (0) 30 94 06 - 38 96
    Fax: +49 (0) 30 94 06 - 38 33
    e-mail: presse@mdc-berlin.de
    http://www.mdc-berlin.de/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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