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01.06.2012 13:12

Intelligentes Fettgewebe - Veröffentlichung in "nature"

Susann Huster Pressestelle
Universität Leipzig

    Eine amerikanisch-deutsche Gemeinschaftsstudie hat auf molekularer Ebene klären können, warum eine Insulinresistenz häufig dazu führt, dass Zellen Fett und Zucker verändert ab- oder aufbauen. Als eine entscheidende Stellschraube auf dem Kommunikationsweg zwischen Blutzucker und Zelle wurde das sogenannte ChREBP-Protein identifiziert. Es eröffnet die Möglichkeit für zukünftige Therapien. Wesentliche Studienteile stützen sich auf Datenmaterial aus der Leipziger Biobank für Fettgewebe, die aktuell eine Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Höhe von 500.000 Euro erhalten hat.

    Ausgangssituation
    Insulinresistenz ist eine schwerwiegende Folge einer
    Adipositas- oder Typ 2-Diabetes-Erkrankung. Sie gehören zu den größten Gesundheitsproblemen unserer Zeit und senken schon jetzt die menschliche Lebenserwartung. Um das Problem in den Griff zu bekommen, sind Erkenntnisse wichtig, wie krankhaftes Übergewicht und Zuckerkrankheit überhaupt entstehen. Danach erst können neue Therapien oder Medikamente entwickelt werden. Bei den genannten Erkrankungen spielt die Insulinresistenz eine wesentliche Rolle. Der Körper wird dabei unempfindlich gegen das eigene Insulin. In der Folge steigt der Blutzuckerspiegel und der Abbau von Fett wird verhindert. Die Betroffenen geraten in einer Negativspirale immer tiefer in die Erkrankung.
    Aktuell wird davon ausgegangen, dass 80 bis 85 Prozent der Adipositasbetroffenen eine Insulinresistenz haben.
    Insulinresistenz ist jedoch nicht auf Übergewichtige beschränkt, auch schlanke Menschen können betroffen sein.
    Ernährungsfaktoren wie fettreiche oder sehr kohlenhydratreiche Nahrung können sie fördern. An dieser Stelle setzten die Wissenschaftler an mit der Ausgangsfrage, woher das Fettgewebe überhaupt weiß, wie
    kalorien- oder fettreich die zugeführte Nahrung ist.

    GLUT4 und ChREBP
    Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf die Vorgänge in
    Leber- und Fettzellen. Zucker wird von ihnen über einen sogenannten Glukosetransporter (GLUT4) aufgenommen. Er steht unter der Kontrolle von Insulin. Wenn sich eine Insulinresistenz entwickelt hat, ist der Glukosetransporter deutlich geringer vorhanden, ein frühes Phänomen bei Adipositas und Diabetes. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um einen Selbstschutz der Zelle vor dem schädlichen Überangebot an Zucker. Auf Grundlage dieser Erkenntnis hat die leitende Arbeitsgruppe um Barbara Kahn an der Harvard Medical School in Boston den Glukosetransporter im Fettgewebe von Mäusen gezielt herunterreguliert und anschließend die Auswirkungen untersucht. Für den Auf- oder Abbau von Zucker oder Fett werden Enzyme bzw. Proteine benötigt, die biochemische Reaktionen steuern. Die aktuelle Studie hat das sogenannte kohlenhydratresponsible Verbindungsprotein (carbohydrate-responsive-element-binding protein), kurz ChREBP, in den Mittelpunkt gestellt. Es handelt sich um einen Transkriptionsfaktor, der Gene an- und abschalten kann und somit entscheidend dafür ist, welches Enzym in der Zelle produziert wird. ChREBP wiederum, so fanden die Forscher heraus, steht unter der Kontrolle vom Glukosetransporter GLUT4 und ist damit eine Art "intrazellulärer Sensor" ist für das Zuckerangebot außerhalb der Zelle.

    Einordnende Bedeutung
    "Das ist ein spannender neuer Ansatz für eine Therapie", schätzt Prof. Matthias Blüher von der Leipziger Universitätsklinik und Poliklinik für Endokrinologie und Nephrologie die Ergebnisse ein. ChREBP feinreguliert die Balance zwischen Zucker und Fett ab- und aufbauenden Prozessen in der Zelle. Durch eine Stimulation von ChREBP kann man alle günstigen Prozesse beeinflussen, um die Insulinsensitivität zu verbessern. Wenn man an dieser Stellschraube dreht, weiß die Zelle, was sie mit dem zu viel an Zucker machen soll."
    Adipositas und Typ 2-Diabetes sind nach wie vor nicht heilbar. Aufgabe der Grundlagenforschung ist es, nach möglichen Therapienansätzen zu suchen. "Wir sind dankbar für jedes neue Molekül", so Blüher, "das das Potential hat, mit den Erkrankungen zusammenhängende Stoffwechselprobleme zu beheben. Der vorliegende Ansatz ist deshalb völlig neu, weil er sich auf der Fettzellebene abspielt und somit auch für Adipositaspatienten interessant ist. Man wird sie damit zwar nicht schlank machen können, aber zumindest stoffwechselgesünder."

    Leipziger Anteil: Einzigartige Fettgewebebank Die Arbeitsgruppe um Prof. Blüher ist von der Studienleitung in Bosten aktiv angesprochen worden, weil Leipzig über eine der weltweit größten Biobanken mit Fettgewebsproben verfügt. Darüber hinaus sind die Proben besonders gut hinsichtlich ihrer Insulinempfindlichkeit charakterisiert. "Bei uns wird danach unterschieden, ob ein Patient zu wenig Insulin produziert oder ob ausreichend produziert wird, das Insulin im Körper aber nicht wirkt. Wir haben unsere Fettgewebeproben nun auch auf GLUT4 und ChREBP untersucht und damit die grundlegende Erkenntnis zur Bostoner Arbeit beigesteuert, dass ihre Mausergebnisse tatsächlich auf den Menschen übertragbar sind."

    In Leipzig hatte sich vor gut zehn Jahren die Erkenntnis durchgesetzt, dass Fettgewebe kein banales Energiespeicherorgan, sondern hochaktiv ist, Hormone produziert und Auswirkungen auf den ganzen Körper hat.
    Chirurgen und Patienten konnten und können nach wie vor überzeugt werden, während Routineoperationen eine Spende von weniger als einem Gramm Fettgewebe zu entnehmen. Die so entstandene Biobank umfasst inzwischen annähernd 1.000 Proben und kommt bereits für viele molekularbiologische Untersuchungen im Rahmen des IFB AdipositasErkrankungen zum Einsatz. In diesem Jahr wird sie erstmals Ausgangspunkt für eine auf zunächst drei Jahre ausgelegte Förderung durch das Bundesforschungsministerium sein und die Grundlage der sogenannten "Deutschen Adipositas Biomaterialbank“ bilden, die zusätzlich an verschiedenen Standorten wie München, Dresden oder Karlsruhe etabliert werden soll.
    Damit verbunden sind für Leipzig rund eine halbe Million Euro unter anderem zur Stellenförderung, für die Unterstützung durch das Bioinformatikinstitut IMISE unter Leitung von Prof. Markus Löffler, das die Datenaufbereitung und -auswertung übernehmen wird. Anfang Juni fällt der Startschuss, was Matthias Blüher als gutes Zeichen für den Leipziger Adipositasschwerpunkt wertet: "Wir werden international wahrgenommen. Relevante Forschung findet heutzutage in solchen Kooperationen statt."

    Die Forschungsergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitung "nature" veröffentlicht: "A novel ChREBP isoform in adipose tissue regulates systemic glucose metabolism"
    www.nature.com/nature/journal/v484/n7394/full/nature10986.htm

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    Weitere Informationen:
    Dr. Matthias Blüher
    Telefon: +49 341 97-13301
    E-Mail: Matthias.Blueher@uniklinik-leipzig.de
    endokrinologie.uniklinikum-leipzig.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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