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22.08.2012 13:25

Tiotropium hat Vorteile für Patientinnen und Patienten mit COPD

Dr. Anna-Sabine Ernst Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

    Vorteile in Bezug auf akute Verschlechterungen, Krankenhausaufenthalte, Symptome und Lebensqualität

    Um die verengten Atemwege bei Patientinnen und Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) zu erweitern, kann auch Tiotropiumbromid (kurz: Tiotropium) zur Inhalation verordnet werden. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat untersucht, ob Tiotropium im Vergleich zu einem Scheinmedikament (Placebo) und zu anderen COPD-Medikamenten den Patientinnen und Patienten einen spürbaren Vorteil bietet. Außerdem standen die beiden derzeit verfügbaren Inhalatortypen (HandiHaler und Respimat) für Tiotropium (Handelsname: Spiriva®) zum Vergleich.

    Demnach gibt es Belege dafür, dass Tiotropium den Patientinnen und Patienten mit COPD im Vergleich zu Placebo Vorteile bietet: Sie erleiden seltener akute Verschlechterungen (Exazerbationen), sie müssen seltener aus diesem Grund ins Krankenhaus und ihre Lebensqualität ist besser. Hinweise für einen Nutzen zeigen sich im Hinblick auf schwächer ausgeprägte Symptome und Beschwerden, z. B. Atembeschwerden. In Bezug auf die Ausübung alltagspraktischer Fähigkeiten gibt es außerdem einen Anhaltspunkt für einen Nutzen von Tiotropium.

    Auch im Vergleich mit den Wirkstoffen Salmeterol, Formeterol, Indacaterol und Ipratropium ist ein Zusatznutzen belegt: Bei der Behandlung mit Tiotropium traten seltener Exazerbationen und Krankenhausaufenthalte in deren Folge auf. Im Vergleich zu Indacaterol gibt es allerdings auch einen Anhaltspunkt für einen geringeren Nutzen von Tiotropium. Das betrifft die COPD-Symptome und die Lebensqualität.

    Auswirkungen für COPD-Patienten stehen im Mittelpunkt

    Tiotropium ist ein sogenanntes Anticholinergikum zur Behandlung von COPD, bei der die Atemwege dauerhaft verengt sind und die Lunge geschädigt ist. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch chronischen Husten, vermehrten Auswurf und Atemnot bei Belastung. Etwa jeder 10. bis 20. Erwachsene im Alter von über 40 Jahren hat COPD. Die Erkrankung tritt damit weit häufiger auf als Asthma. Dreiviertel der Patienten sind Männer. Wegen des starken Zusammenhangs mit Rauchen wird COPD umgangssprachlich auch als "Raucherhusten" bezeichnet.

    Zielkriterien der vorliegenden Nutzenbewertung waren neben Symptomen, akuten Verschlechterungen und der Notwendigkeit von Krankenhausaufenthalten in deren Folge u. a. auch Sterblichkeit, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Nebenwirkungen.

    Placebovergleich zeigt Vorteile für Patientinnen und Patienten

    Bei ihrer weltweiten Suche nach klinischen Studien und systematischen Übersichtsarbeiten fanden die Kölner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler insgesamt 27 relevante Studien.

    Die 21 Studien, in denen Tiotropium mit einem Placebo verglichen wurde, ergeben Belege für einen Nutzen in Bezug auf Exazerbationen und auf Krankenhausaufenthalte wegen Exazerbationen. Ebenfalls belegt ist der Nutzen hinsichtlich der Lebensqualität, weil die Studienteilnehmer mit Tiotropium weniger unter Atemproblemen zu leiden hatten und ihre körperliche Gesundheit besser war als die der Kontrollgruppe. Diese Belege gelten für beide Inhalatortypen.

    Einen Hinweis auf einen Nutzen von Tiotropium (ebenfalls für beide Inhalatoren) lässt sich in Bezug auf die Symptome feststellen. Für den HandiHaler gibt es zudem einen entsprechenden Hinweis hinsichtlich der Sterblichkeitsrate von Ex-Rauchern.

    Einen Anhaltspunkt für einen Nutzen sieht das IQWiG bei den alltagspraktischen Fähigkeiten. Hier unterscheidet sich der Abschlussbericht vom Vorbericht auf Grund von zusätzlichen Daten aus einer neuen Studie, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der regelhaften Nachrecherche identifiziert haben.

    Tiotropium im Vergleich mit anderen COPD-Wirkstoffen

    In 10 Studien wurde Tiotropium mit anderen Wirkstoffen verglichen, nämlich mit Ipratropium, mit der Kombination aus Salmeterol und Fluticason sowie mit der Wirkstoffgruppe LABA. Die Zusammenfassung der langwirksamen Beta-2-Sympathomimetika Salmeterol, Formeterol und Indacaterol in der Gruppe LABA berücksichtigt Argumente aus dem Stellungnahmeverfahren zum Vorbericht. Daraus folgt, dass Vorteile von Tiotropium, die sich bei einem der LABA-Wirkstoffe zeigen, gegenüber der gesamten Gruppe gelten. Die Ergebnisse der 10 Studien gelten generell nur für den Inhalator HandiHaler, weil für den Respimat nur placebokontrollierte Studien vorlagen.

    Zusatznutzen im Vergleich mit LABA und Ipratropium

    Anders als im Vorbericht zeigte sich im Vergleich mit Ipratropium nicht nur ein Beleg für einen Nutzen von Tiotropium hinsichtlich der Exazerbationen, sondern aufgrund neuer Auswertungen in den Stellungnahmen auch ein Hinweis für einen Nutzen in Bezug auf die COPD-Symptome. Ipratropium ist im Gegensatz zu Tiotropium und LABA kurzwirksam und muss daher öfter eingenommen werden.

    Belege für einen Zusatznutzen von Tiotropium in Bezug auf Exazerbationen und Krankenhausaufenthalte in deren Folge ließen sich gegenüber der Wirkstoffgruppe LABA feststellen.

    Verglichen mit Indacaterol gab es allerdings auch zwei Anhaltspunkte für einen geringeren Nutzen von Tiotropium, nämlich in Bezug auf die Symptome und die Lebensqualität. Indacaterol gehört zwar zur gemeinsam betrachteten Wirkstoffgruppe LABA, allerdings sind die Studienergebnisse hinsichtlich dieser patientenrelevanten Endpunkte sehr heterogen. Die Wirkstoffe wurden daher dazu getrennt voneinander betrachtet.

    Der Vergleich von Tiotropium mit der Kombination aus Salmeterol und Fluticason ergab keine Unterschiede für die Patientinnen und Patienten mit COPD.

    Keine Unterschiede für weitere Endpunkte und als Zusatzmedikation

    In Bezug auf weitere patientenrelevante Kriterien wie körperliche Belastbarkeit, Sterblichkeit und Erkrankungsrate an Herz-Kreislauf-Krankheiten sowie Nebenwirkungen ergaben sich aus den Studien für Tiotropium keine Unterschiede im Vergleich zu den untersuchten Therapiealternativen.

    Zwei Studien verglichen die zusätzliche Gabe von Tiotropium mit der jeweiligen Vergleichsmedikation allein: Tiotropium wurde in einer Studie zusätzlich zur Behandlung mit LABA gegeben und in einer weiteren Studie zusätzlich zur Kombination von Salmeterol und Fluticason. Aus den Ergebnissen ließen sich aber ebenfalls keine Unterschiede in Nutzen oder Schaden durch die zusätzliche Gabe von Tiotropium ableiten.

    Grundsätzlich gute Studienlage

    Die weltweite Recherche zum Thema wurde ergänzt durch Anfragen bei pharmazeutischen Herstellern nach weiteren, auch unveröffentlichten Studien. Boehringer Ingelheim, Sponsor zahlreicher Tiotropium-Studien, lieferte dem IQWiG alle angeforderten Daten und weitere Zusatzinformationen und so auch die Hersteller von Vergleichspräparaten, GlaxoSmithKline und Novartis.

    Obwohl alle Studien gut konzipiert waren, ließen sich die Ergebnisse teilweise nicht zuverlässig interpretieren, weil beispielsweise zu viele Studienteilnehmer bei der Auswertung nicht berücksichtigt wurden. So ergaben sich auch schwächere Nutzenaussagen wie "Hinweise" beziehungsweise "Anhaltspunkte" statt "Belege".

    Kein direkter Vergleich der Inhalatoren

    Keine der relevanten Studien verglich die beiden Inhalatoren direkt miteinander: Zum Respimat lagen 4 ausschließlich placebokontrollierte Studien vor, alle anderen wurden mit dem HandiHaler durchgeführt. Deshalb wurden die jeweiligen Ergebnisse für die beiden Inhalatoren aus den placebokontrollierten Studien miteinander verglichen. Die Effekte unterschieden sich in den Studien nicht maßgeblich, so dass die Nutzenbewertung auf Basis der placebokontrollierten Studien hinsichtlich fast aller Endpunkte grundsätzlich auch für den Respimat gilt.

    Nur in Bezug auf die geringere Sterblichkeit von Ex-Rauchern gilt der Nutzen allein für den HandiHaler, weil dieses Ergebnis ausschließlich auf einer mit dem HandiHaler durchgeführten Studie beruht. Die Nutzenbewertung auf Basis der Studien mit Medikamentenvergleich gilt dagegen nur für den HandiHaler.

    Zum Ablauf der Berichtserstellung

    Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG im November 2011 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im Juni 2012 an den Auftraggeber versandt. Die schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.


    Weitere Informationen:

    http://www.iqwig.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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