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29.08.2012 11:02

Die molekularen Ursachen der Internetsucht

Johannes Seiler Abteilung Presse und Kommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Internetsucht ist in aller Munde: Viele Menschen tummeln sich stundenlang online und fühlen sich sofort unwohl, wenn sie dazu einmal keine Möglichkeit haben. Medizinisch ist das Phänomen noch nicht so klar erfasst, wie etwa die Nikotin- oder Alkoholabhängigkeit. Doch eine Studie von Forschern der Universität Bonn und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim gibt nun Hinweise darauf, dass es auch bei Internetsucht molekulargenetische Zusammenhänge gibt. Die Wissenschaftler berichten im „Journal of Addiction Medicine“ über ihre Ergebnisse. Die Druckfassung erscheint jetzt in der Septemberausgabe.

    „Es zeigt sich, dass Internetsucht kein Hirngespinst ist“, sagt der Erstautor Privatdozent Dr. Christian Montag von der Abteilung für Differentielle und Biologische Psychologie der Universität Bonn. „Sie rückt zunehmend in den Fokus der Wissenschaftler und Therapeuten.“ Die Bonner Forscher haben im Lauf der letzten Jahre insgesamt 843 Menschen zu ihrem Internetverhalten befragt. Nach Auswertung der Fragebögen zeigte sich, dass davon 132 Frauen und Männer ein problematisches Verhalten im Umgang mit dem Online-Medium aufweisen: Sie befassen sich im Alltag gedanklich sehr ausgeprägt mit dem Internet und fühlen sich in ihrem Wohlbefinden stark beeinträchtigt, wenn sie darauf verzichten müssen.

    Häufung einer Genvariation bei Internetabhängigen

    Die Forscher der Universität Bonn und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim verglichen das Erbgut der problematischen Internetnutzer mit gesunden Kontrollpersonen. Dabei stellte sich heraus, dass bei den 132 Probanden deutlich häufiger eine Veränderung in einer bestimmten Genregion vorlag, die unter anderem auch bei Nikotinabhängigkeit eine große Rolle spielt. „Vom nikotinergen Acetylcholinrezeptor im Gehirn ist bekannt, dass eine Mutation auf dem dazu gehörigen Gen das Suchtverhalten fördert“, erläutert Dr. Montag. Das im Tabak vorkommende Nikotin passt genauso wie das vom menschlichen Körper produzierte Acetylcholin wie ein Schlüssel auf diesen Rezeptor. Beide Botenstoffe spielen eine wichtige Rolle für die Aktivierung des Belohnungssystems im Gehirn. „Dieser Zusammenhang ist offenbar nicht nur für die Nikotinsucht von großer Bedeutung, sondern ebenso für die Internetsucht“, berichtet der Bonner Psychologe.

    Frauen sind stärker von der Mutation betroffen

    Es handelt sich konkret um eine Mutation auf dem Gen „CHRNA4“, die das Erbgut für die Untereinheit „alpha 4“ am nikotinergen Acetylcholinrezeptor verändert. „Diese Variante tritt innerhalb der Probandengruppe mit problematischem Internetverhalten gehäuft auf – insbesondere bei Frauen“, sagt Dr. Montag. Dieser Befund muss noch näher untersucht werden, weil dagegen in zahlreichen Befragungen herauskam, dass eher Männer als Frauen zu Online-Suchtverhalten neigen. „Möglicherweise ist der geschlechtsspezifische genetische Befund auf eine spezielle Untergruppe der Internetabhängigkeit wie zum Beispiel die Nutzung von sozialen Netzwerken oder Ähnliches zurückzuführen“, vermutet der Psychologe.

    Besserer Suchtnachweis durch biologische Marker

    Es seien noch Studien mit mehr Probanden erforderlich, um den Zusammenhang zwischen der Mutation und dem Internetsuchtverhalten weiter zu untersuchen. „Die Daten zeigen aber bereits jetzt, dass es deutliche Hinweise auf molekulargenetische Ursachen der Internetsucht gibt“, sagt der Psychologe der Universität Bonn. Mit der Mutation sei nun auch ein biologischer Marker gefunden, mit dem sich das Online-Suchtverhalten neurowissenschaftlich charakterisieren lasse. „Wenn solche Zusammenhänge besser verstanden sind, ergeben sich daraus außerdem wichtige Anhaltspunkte für bessere Therapien“, sagt Dr. Montag.

    Publikation: The role of the CHRNA4 Gene in Internet Addiction – A Case-control Study, „Journal of Addiction Medicine“, DOI: 10.1097/ADM.0b013e31825ba7e7

    Kontakt:

    Privatdozent Dr. Christian Montag
    Abteilung für Differentielle und Biologische Psychologie
    Institut für Psychologie
    Universität Bonn
    Tel. 0228/734309
    E-Mail: christian.montag@uni-bonn-diff.de


    Weitere Informationen:

    http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed?term=internet%20addiction%20chrna4 Publikation im Internet


    Bilder

    Privatdozent Dr. Christian Montag von der Abteilung für Differentielle und Biologische Psychologie der Universität Bonn im molekulargenetischen Labor.
    Privatdozent Dr. Christian Montag von der Abteilung für Differentielle und Biologische Psychologie d ...
    Foto: Uni Bonn
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Biologie, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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