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10.10.2012 11:37

DGPM: Zuwendung und Schutz im Säuglingsalter beugen seelischen und körperlichen Erkrankungen vor

Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Berlin - Schutz, Geborgenheit und Nähe: In den ersten beiden Lebensjahren bilden sich die zentralen Grundmuster für soziale Beziehungen, die ein Leben lang prägen. Zuwendung und Sicherheit im Säuglingsalter stellen die Weichen dafür, dass das Individuum später unbeschadeter mit Stress umgeht, Krankheiten besser bewältigt oder auch, wie leicht es seinem Arzt vertrauen kann. Die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) weist anlässlich des Internationalen Tags der seelischen Gesundheit am 10. Oktober darauf hin, wie entscheidend eine positive frühkindliche Bindung für die spätere seelische und körperliche Gesundheit ist.

    Für den Entwicklungspsychologen Professor Dr. Gottfried Spangler, aus Erlangen, steht fest: Bereits innerhalb des ersten Lebensjahres entstehen typische sichere oder eben unsichere bindungsbezogene Verhaltensmuster, die jeweils Gelingen oder Nichtgelingen der nächsten Entwicklungsphasen bestimmen und so Einfluss auf den gesamten Verlauf des Lebens nehmen können. „Nach unseren Untersuchungen können wir sagen, dass günstige Bindungserfahrungen die Entwicklung sozial-emotionaler Kompetenzen fördern, insbesondere die Fähigkeit zur emotionalen Regulation. Diese sehen wir als einen wesentlichen Schutzfaktor für die Bewältigung von belastenden Situationen im Laufe des Lebens an“, so Spangler auf einer Konferenz in Heidelberg, die sich der Rolle des Bindungsverhaltens in der Medizin widmete. Danach gelten Einschränkungen in der Bindungsorganisation als ein Risikofaktor für eine „abweichende“ Entwicklung des Kindes. Ob und in welchem Ausmaß auch Stressbelastungen der Eltern unsichere Bindung verursachen und sich langfristig auf das kindliche Verhalten auswirken, wird derzeit an vielen Orten erforscht. Beispiele aus der therapeutischen Arbeit der Psychologin Dr. phil. Dipl.-Psych. Corinna Reck, Heidelberg, mit psychisch kranken Schwangeren und Müttern zeigen, dass sich durch frühe therapeutische Intervention die Bindung zwischen Mutter und Kind verbessern lässt.

    Dass psychische Belastungen und Erkrankungen gesamtgesellschaftlich eine immer größere Bedeutung erlangen, belegen unterschiedlichste Quellen: Nach den Zahlen des Robert Koch-Instituts litten im Jahr 2010 12,3 Prozent der Deutschen an Stress, Depression, Burnout oder Schlafstörungen. Laut Weltgesundheitsorganisation werden bis zum Jahr 2020 Depressionen oder affektive Störungen weltweit die zweithäufigste Volkskrankheit sein. „Stabile soziale Bindungen sind ein wesentlicher Präventionsfaktor für diese psychischen Erkrankungen“, gibt Professor Dr. med. Henning Schauenburg von der DGPM zu bedenken, der die Tagung zur Bindungsmedizin organisiert hat. Am Beispiel von Rettungssanitätern untersuchte etwa der amerikanische Psychosomatiker Robert G. Maunder den Einfluss von frühkindlichen belastenden Ereignissen und Bindungsunsicherheit auf den Umgang mit Arbeitsstress. Danach litten jene, die in der Kindheit missbraucht oder vernachlässigt wurden und geringe soziale Unterstützung hatten, häufiger unter akutem und anhaltendem Stress aufgrund kritischer Ereignisse im Job, hatten häufiger Schlafstörungen und waren öfter krank.

    Die Verbindung zwischen psychischen Belastungen und späteren körperlichen und psychischen Reaktionen könnten nun Erkenntnisse aus der Neurobiologie erklären: „Tierversuche weisen darauf hin, dass eine fürsorgliche Aufzucht die Genaktivität derart stark beeinflusst, dass die Säuger lebenslang besser mit Stress umgehen können“, sagt Schauenburg, der an der Uniklinik Heidelberg stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin & Psychosomatik ist. Messen lässt sich dies insbesondere daran, wie sich die Tiere nach einer Ausschüttung von Stresshormonen schneller wieder beruhigen. Auch bei bindungssicheren Menschen finden sich solche „späten“ Folgen: sie weisen eine höhere Konzentration des Bindungshormons Oxytocin im Blut. „Diese auch körperlich nachweisbaren Effekte von frühen Bindungsstörungen sind ein weiteres wichtiges Argument dafür, die Frühphase der Entwicklung von Kindern ernst zu nehmen und belastete Eltern zu unterstützen“, mahnt Schauenburg. Denn auch eines haben Bindungsmediziner nachgewiesen: Der Behandlungserfolg, auch vieler körperlicher Erkrankungen, ist bei bindungsängstlichen Menschen geringer als bei bindungssicheren Menschen.

    Quellen:
    Kongress: Bindung in der Medizin – vom Molekül zur Arzt-Patienten-Beziehung, 14. / 15. September 2012, Heidelberg.
    Bericht und Präsentationen finden Sie hier: http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Bindungskongress.126238.0.html

    Levy KN, Ellison WD, Scott LN, Bernecker SL., Attachment style. J Clin Psychol. 2011, Feb;67(2):193-203.

    Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS), des Robert-Koch-Instituts 2012, http://www.degs-studie.de/

    Pressekontakt für Rückfragen:
    Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM)
    Pressestelle
    Christine Schoner
    Postfach 30 11 20, 70451 Stuttgart
    Tel: 0711 8931-573; Fax: 0711 8931-167
    schoner@medizinkommunikation.org
    http://www.dgpm.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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