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27.11.2012 16:57

Brustkrebs: Die Rolle von microRNAs bei Wachstum und Metastasierung

Sylvia Kloberdanz Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Wilhelm Sander-Stiftung

    Auch moderne Behandlungsverfahren gegen Brustkrebs schlagen nicht bei allen Patientinnen an. Zudem entwickeln sich häufig Resistenzen gegen die eingesetzten Medikamente. Ein Team am Deutschen Krebsforschungszentrum hat nun Hinweise auf die Ursachen dafür gefunden. Die Molekularbiologen Dr. Stefan Wiemann und Dr. Özgür Sahin untersuchten speziell die Situation bei einer Behandlungen mit den Medikamenten Tamoxifen und Herceptin. Den Forschern gelang es, Erbmoleküle (microRNAs) zu identifizieren, die in der Lage sind, Resistenzen oder Metastase-Prozessen entgegenzuwirken. Damit haben sie Angriffspunkte für neue zielgerichtete Therapien gefunden.

    Bei Brustkrebs sind in der Mehrzahl der Fälle bestimmte antennenartige Strukturen auf der Oberfläche oder im Inneren der Tumorzellen besonders zahlreich ausgebildet. Diese sogenannten Rezeptoren reagieren auf Signalmoleküle – wie zum Beispiel Östrogen oder den „epidermalen Wachstumsfaktor“ EGF – und setzen anschließend Kaskaden in Gang, die Zellwachstum und Zellteilung fördern. Die Medikamente Tamoxifen und Herceptin blockieren solche Rezeptoren. Damit soll das Wachstum des entarteten Gewebes gestoppt werden.
    Um zu klären, warum die beiden Medikamente bei einigen Patientinnen nicht wirken oder sich nach einiger Zeit Resistenzen bilden, haben Dr. Wiemann und Dr. Sahin untersucht, welche molekularen Veränderungen mit der Resistenzentwicklung einhergehen.

    Unter die Lupe genommen haben sie sogenannte microRNAs – kurze Ribonukleinsäuren, die aus nur rund 22 Bausteinen bestehen. Erst seit kurzem ist bekannt, dass microRNAs bei der Antwort der Zelle auf äußere Signale beteiligt sind. Wissenschaftler gehen heute davon aus, dass microRNAs sich an Genabschriften (Boten-RNAs) binden, die die Bauanleitung für neue Eiweißmoleküle (wie etwa Bestandteile der Signalkaskaden) tragen. Dies führt zum Abbau der Genabschriften, so dass das entsprechende Eiweiß erst gar nicht produziert werden kann.

    Die Molekularbiologen konnten mehrere krebsrelevante microRNAs identifizieren, die bei der Regulation der untersuchten Signalwege eine Rolle spielen (z. B. miR-375 und miR-200c).
    Die Untersuchungen gaben auch Hinweise darauf, wie diese microRNAs das Wachstumsverhalten der Krebszellen regulieren – z.B. indem sie zusätzlich auf die Metastasierung von Krebszellen einwirken.
    So fanden die Forscher, dass die miR-375 im Verlauf der Resistenzentwicklung gegen Tamoxifen von den Krebszellen verringert gebildet wird. Zellwachstum und Metastasierungsrisiko stiegen dadurch wieder an. Diesem Prozess konnte entgegengewirkt werden, indem die Konzentration der microRNA erhöht wurde – ein Hinweis auf die zentrale Rolle der miR-375.
    Mit der Identifizierung eines relevanten Zielmoleküls der miR-375 haben Wiemann und Sahin schließlich den Schlüssel zu einem molekularen Mechanismus gefunden, der das Problem der Resistenz künftig lösen könnte: Als die Wissenschaftler das Zielmolekül „Metadherin“ ausschalteten, reagierten die Tumorzellen plötzlich wieder auf Tamoxifen. Vorherige Beobachtungen untermauern die zentrale Rolle von „Metadherin“: Das Gen wies in den resistenten Tumorzellen – aber auch in bestimmten Brustkrebspatientinnen – erhöhte Konzentrationen auf und war nachweislich mit einer schlechten Überlebensrate korreliert.

    Ihre Erkenntnisse haben die erfolgreichen Molekularbiologen in mehreren Artikeln in internationalen Fachjournalen veröffentlicht (s. u.). Die Ergebnisse bilden die Basis für die Entwicklung neuer Behandlungsformen, die den Therapieerfolg bei Brustkrebs verbessern könnten.

    Mit weltweit über einer Million Neuerkrankungen jährlich, davon über 57.000 allein in Deutschland, ist Brustkrebs die häufigste Tumorerkrankung bei Frauen. Trotz der Verfügbarkeit einiger neuer Therapien ist die Sterblichkeit hoch, vor allem, wenn die Erkrankung erst im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Die Erforschung der molekularen Ursachen und Mechanismen des Brustkrebses ist daher eines der drängendsten Themen der Krebsforschung. Da Verständnis um die Rolle der microRNAs bringt daher dringend erwartete Fortschritte auf diesem Gebiet.

    Die Wilhelm Sander-Stiftung hat dieses Forschungsprojekt mit rund 85.000 Euro unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 190 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

    Weitere Informationen zur Stiftung: http://www.wilhelm-sander-stiftung.de

    Kontakt (Projektleitung):

    Dr. Özgür Sahin / PD Dr. Stefan Wiemann
    Abt. Molekulare Genomanalyse, Deutsches Krebsforschungszentrum, INF 580 , 69120 Heidelberg
    Tel: ++49 (0) 6221 42 4646
    E-Mail: s.wiemannn@dkfz.de

    Publikationen:

    Jurmeister S, Baumann M, Balwierz A, Keklikoglou I, Ward A, Uhlmann S, Zhang JD, Wiemann S, Sahin O (2012) MicroRNA-200c represses migration and invasion of breast cancer cells by targeting actin-regulatory proteins FHOD1 and PPM1F. Mol Cell Biol 32: 633-651.

    Uhlmann S, Mannsperger H, Zhang JD, Horvat EA, Schmidt C, Kublbeck M, Henjes F, Ward A, Tschulena U, Zweig K, Korf U, Wiemann S, Sahin O (2012) Global microRNA level regulation of EGFR-driven cell-cycle protein network in breast cancer. Mol Syst Biol 8: 570.

    Ward A, Balwierz A, Zhang JD, Kublbeck M, Pawitan Y, Hielscher T, Wiemann S, Sahin O (2012) Re-expression of microRNA-375 reverses both tamoxifen resistance and accompanying EMT-like properties in breast cancer. Oncogene: doi:10.1038/onc.2012.1128.

    Uhlmann S, Zhang JD, Schwager A, Mannsperger H, Riazalhosseini Y, Burmester S, Ward A, Korf U, Wiemann S, Sahin O (2010) miR-200bc/429 cluster targets PLCgamma1 and differentially regulates proliferation and EGF-driven invasion than miR-200a/141 in breast cancer. Oncogene 29: 4297-4306.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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