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02.09.2015 09:54

Bald keine Kohle mehr für deutschen Strom?

Sylke Schumann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

    Deutschland kann sich rechtskonform bei der Stromerzeugung sowohl von Braun- und Steinkohle, als auch von der Atomkraft verabschieden. Das ist das Ergebnis der ersten umfassend angelegten energie- und rechtswissenschaftlichen Untersuchung zum gesteuerten Ausstieg aus der Nutzung von Kohle für die Stromerzeugung in Deutschland. Die vom rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie wurde am Montag vom Saarbrücker Institut für ZukunftsEnergieSysteme (IZES) in Mainz vorgestellt.

    Prof. Dr. jur. Stefan Klinski von der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin prüfte die juristischen Rahmenbedingungen von „Kraftwerks-Stilllegungen zur Emissionsreduzierung und Flexibilisierung des deutschen Kraftwerksparks“, deren Möglichkeiten und Auswirkungen.

    „Die rechtliche Analyse zeigt, dass der deutsche Gesetzgeber für den Ausstieg aus der Kohlenutzung große Spielräume hat. Das gilt sowohl für das EU-Recht als auch für das Verfassungsrecht“, stellt Klinski in seinem Gutachten fest. Im EU-Vertragsrecht werde den Mitgliedstaaten ausdrücklich die Kompetenz zugesprochen, über „die Wahl der Energiequellen und die allgemeine Struktur der Energieversorgung zu bestimmen“ (Art. 194 Abs. 2 Nr. 2 AEUV ‒ Vertrag über die Arbeitsweise der EU). Diese übergeordnete Regelung verhindere, dass die EU-Richtlinie zum Emissionshandel so ausgelegt werde, als untersage sie den Mitgliedstaaten, den Ausstieg aus der Kohleenergieerzeugung.

    Können Kraftwerksbetreiber wegen ihrer Anlagengenehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) dennoch darauf vertrauen, dass sie ihre Kraftwerke auf unbegrenzte Dauer betreiben dürfen? Dies verneint Verfassungsrechtsexperte Klinski und begründet: „Die Genehmigung entfaltet nur für den engeren inhaltlichen Bereich des Bundes-Immissionsschutzgesetz Vertrauensschutz, nicht für andere Rechtsbereiche. Sie hindert den Gesetzgeber deshalb nicht daran, neue Systementscheidungen zur Energieversorgung zu treffen. Darum besteht im Falle einer gesetzlichen Begrenzung der Laufzeit grundsätzlich auch kein Anspruch auf Entschädigung.“ Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung setzt sich also das herausragende Allgemeinwohlinteresse am Klimaschutz gegenüber den wirtschaftlichen Einzelinteressen der Kraftwerksbetreiber durch.

    Für die unter Leitung von Prof. Dr. Uwe Leprich, wissenschaftlicher Leiter des IZES und Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, erstellten Studie arbeitet Klinski in einem Rechtsgutachten die verfassungs- und europarechtlichen Spielräume für einen Kohleausstieg zum ersten Mal in der gesamten Breite wissenschaftlich auf. Besonders konsequent konzipierte Rechtsinstrumente wie die Festlegung von Kraftwerks-Laufzeiten und Abschaltdaten oder sinkende Strom-Einspeisemengen erweisen sich danach rechtlich als tragfähig. Zudem kann auf die energiewirtschaftliche Funktion des einzelnen Kraftwerks und auf regionale Besonderheiten gezielt Rücksicht genommen werden.

    Die Studie beleuchtet auch, inwiefern ein vorzeitiger Ausstieg aus der Kohleverstromung die Sicherheit und die Systemstabilität der Stromversorgung in Deutschland gefährden könnte. Darüber hinaus prognostizieren die Wissenschaftler, welchen Beitrag der Stromsektor mit einer Abkehr von Braun- und Steinkohle zum Erreichen der nationalen Klimaschutzziele leisten würde.

    Link zur Studie
    http://www.mwkel.rlp.de/File/IZES-2015-Kraftwerksstilllegungen-zur-Emissionsredu...

    Pressemitteilung des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Klimaschutz und Landesplanung des Landes Rheinland Pfalz
    http://www.mwkel.rlp.de/Aktuelles/Presse/Pressemeldungen/Lemke-Ausstieg-aus-Brau...

    Kontakt
    Prof. Dr. Stefan Klinski
    Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin
    E-Mail: stefan.klinski@hwr-berlin.de

    Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
    Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit rund 10 000 Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften Berlins – mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das Ausbildungsportfolio umfasst privates und öffentliches Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts-, und Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in insgesamt mehr als 50 Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin unterhält aktuell rund 160 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for Excellence“. Als Deutschlands Spitzenhochschule bezüglich der internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen steht sie im Ranking des CHE Centrum für Hochschulentwicklung an erster Stelle (ZEIT Studienführer 2014/15), vor allen anderen Fachhochschulen und Universitäten, und belegt auch im Masterbereich einen Spitzenplatz (ZEIT CAMPUS, Dezember-Ausgabe 2014/15).


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler
    Energie, Meer / Klima, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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