idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
24.09.2018 10:30

Studienverantwortliche verstoßen gegen EU-Regeln: Einträge in Register lückenhaft

Dr. Anna-Sabine Ernst Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

    BMJ-Artikel bescheinigt Pharmafirmen relativ gute Compliance, Unis indes sehr schlechte

    Laut EU-Gesetz müssen klinische Studien vorab im European Union Clinical Trials Register (EUCTR) eingetragen und wichtige Ergebnisse ein Jahr nach Studienabschluss dort dokumentiert werden. Diese Informationen sind damit öffentlich zugänglich. Doch tatsächlich findet das nur bei der Hälfte der Studien mit Arzneimitteln statt (49,5 %). Während sich Hersteller mit einer Quote von 68,1 % relativ regelkonform verhalten, fällt die Bilanz bei nicht kommerziellen Forschungseinrichtungen mit 11,0 % sehr schlecht aus – so die Analyse einer jüngst im British Medical Journal (BMJ) veröffentlichten Erhebung.

    „Dass mit Steuergeldern finanzierte Universitäten ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachkommen, ist besonders unerfreulich“, kommentiert Jürgen Windeler, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). „Überrascht hat uns der BMJ-Artikel aber nicht. Denn das Institut hat in der Vergangenheit schon mehrfach erlebt, dass Studienverantwortliche aus Universitäten Daten zurückhielten“, so Jürgen Windeler.

    Transparenz bei Arzneimittel-Studien relativ hoch

    Generell ist die Datentransparenz bei Medikamenten höher als bei Studien zu nichtmedikamentösen Verfahren, bei denen häufig auch Medizinprodukte eingesetzt werden. Denn die erwähnte EU-Regulierung für Arzneimittel ist seit 2012 in Kraft. Für Medizinprodukte wurde eine vergleichbare Richtlinie erst 2017 beschlossen und wird ab 2020 greifen können.

    In Deutschland müssen pharmazeutische Unternehmen seit 2011 überdies maßgebliche Daten über neue Wirkstoffe gemäß Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) zur Verfügung stellen, die auch regelhaft publiziert werden können. Nach anfänglichem Widerstand haben sie sich mit diesen Anforderungen an die Transparenz arrangiert. Das korrespondiert mit dem BMJ-Befund, wonach elf große Studienverantwortliche aus der Pharmaindustrie alle Ergebnisse innerhalb der 1-Jahres-Frist in EUCTR eingespeist haben.

    Studiengruppen an Unis halten Daten zurück

    Regelkonformes Verhalten, sogenannte Compliance, lassen laut BMJ gerade die Universitäten bei Arzneimittelstudien vermissen. Darunter sind auch deutsche wie Berlin (Charité), Heidelberg und Köln (0%). Dagegen erreicht die britische Hochschule Dundee mit 82% die höchste Rate von Registereinträgen.

    Beim IQWiG fallen universitäre Forschergruppen vor allem dann negativ auf, wenn es um Studien zu Medizinprodukten geht. Erst Ende August 2018 musste das Institut in seinem Vorbericht zur Vakuumversiegelungstherapie von Wunden feststellen, dass nicht nur ein Hersteller, sondern auch an Universitäten angesiedelte Studienverantwortliche die Anfragen des Instituts nur unvollständig beantworteten oder gar nicht reagierten.

    Und das war kein Einzelfall: Für die Stammzelltransplantation bei Multiplem Myelom konnte das IQWiG keine Aussage zu Nutzen und Schaden treffen, weil drei große Studien auch über 10 Jahre nach ihrem Ende nicht vollständig veröffentlicht waren. Zwei dieser Studien standen unter deutscher Leitung (Unis Heidelberg und Würzburg). Dass es auch anders geht, zeigte 2016 eine Forschergruppe aus Australien: Sie stellte dem IQWiG alle individuellen Patientendaten einer Studie zur Verfügung. Diese ermöglichten Zusatzanalysen, die am Ende zu einem positiven Fazit der Nutzenbewertung führten (Hornhautvernetzung bei Keratokonus).

    Druck auf Studienverantwortliche erhöhen

    „Bei den sogenannten Investigator Initiated Trials (IITs) gibt es noch immer erhebliche Defizite bei der Datentransparenz“, sagt Jürgen Windeler. „Und es braucht wohl Sanktionen, um das zügig zu ändern.“ Eine Möglichkeit könnte darin bestehen, dass Forschungsförderer entsprechende Auflagen machen. Sie sollten überprüfen, ob ein Antragsteller sein letztes gefördertes Projekt vollständig in das Register eingestellt hat und gegebenenfalls weitere Finanzierungen verweigern.

    Weil Studien auch ohne Förderung durchgeführt werden, sollten zudem die Ethikkommissionen nachhalten, ob rechtliche Regelungen wie der Eintrag in das EU-Register befolgt werden. Denn Ethikkommissionen kennen alle Studien, die es in einer Region oder an einer Universität gibt.

    Fehlende Transparenz verschlechtert Versorgung

    Dass klinische Studien nicht registriert und ihre Ergebnisse nicht veröffentlicht werden, ist kein „Kavaliersdelikt“. Vielmehr werden hier ethische und wissenschaftliche Standards verletzt. Denn nur auf einer vollständigen Datenbasis lassen sich Nutzen und Schaden medizinischer Maßnahmen richtig einschätzen. Und nur dann können sich Ärzte und Patienten für die bestmögliche Alternative entscheiden.


    Weitere Informationen:

    http://www.iqwig.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).