idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.08.2019 11:57

Internationales Forscherteam unter Leitung der Universität Göttingen entschlüsselt Abwehrmechanismus von Schimmelpilzen

Thomas Richter Öffentlichkeitsarbeit
Georg-August-Universität Göttingen

    Ein internationales Forscherteam unter der Leitung der Universität Göttingen hat den Abwehrmechanismus von Schimmelpilzen entschlüsselt. Schimmelpilze sind die bevorzugte Nahrung vieler kleiner Bodentiere, und da sie vor ihren Fraßfeinden nicht weglaufen können, wehren sie sich mithilfe von Abwehrstoffen, die sie giftig oder ungenießbar machen. Die Suche nach diesen Abwehrstoffen verlief jahrzehntelang erfolglos. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen.

    (pug) Kleine Bodentiere wie Würmer, Springschwänze und Milben machen etwa 20 Prozent der lebenden Biomasse im Boden aus. Bei der Frage, wie sich Schimmelpilze gegen Bodentiere wehren, legten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit den 1980er-Jahren den Schwerpunkt ihrer Forschung auf Mykotoxine. Zahlreiche Untersuchungen konnten die Giftigkeit vieler Mykotoxine für Insekten belegen, alle Bemühungen, ihre Funktion als Abwehrstoffe gegen Fraßfeinde nachzuweisen, schlugen bislang jedoch fehl.

    Die Göttinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fanden nun heraus, dass nicht Mykotoxine, sondern bestimmte Pigmente die Pilze vor Prädatoren schützen. Diese Pigmente, die von vielen Schlauchpilzen gebildet werden, gehören der Stoffklasse der Bis-naphthopyrone an. Als Modellsubstanz diente in Göttingen das tiefrote Pigment Aurofusarin, das von den Arten der Pilzgattung Fusarium und von tropischen Schimmelpilzen produziert wird: Springschwänze und Insektenlarven erkannten das Aurofusarin in Fütterungsversuchen und mieden es. Den entscheidenden Beweis für die ökologische Funktion lieferten Pilzmutanten, in denen die Forscherinnen und Forscher die Bildung des Pigments unterbanden. Diese wurden von Springschwänzen, Asseln und Insektenlarven als Nahrung akzeptiert, während Pilzkolonien mit Aurofusarin gemieden wurden. Fütterungsversuche mit verschiedenen Fusariumarten und Mutanten zeigten außerdem, dass das Aurofusarin bei dieser Pilzart der wichtigste oder sogar einzige Abwehrstoff ist. Darüber hinaus ergaben erste Versuche mit anderen Bis-naphthopyronen, die von den Pilzgattungen Penicillium und Aspergillus gebildet werden, dass auch diese fraßhemmend wirken.

    Doch warum wirken Bis-naphthopyrone auf Tiere fraßhemmend? Gemäß der Mykotoxin-Hypothese müssten sie giftig sein. „Bei weiteren Versuchen mit Springschwänzen und aurofusarinhaltigem Futter konnten wir keine toxische Wirkung feststellen“, erläutert die Göttinger Doktorandin und Erstautorin Yang Xu. „Die Tiere überlebten eine fünfwöchige Fütterung mit Aurofusarin ohne sichtbare Schäden. Aurofusarin ist folglich ein ungiftiges Repellent.“

    Wenn die Pigmente nicht giftig sind, stellt sich jedoch die Frage, warum Aurofusarin auch nach über 100 Millionen Jahren seine Wirkung nicht verloren hat. Synthetische Insektizide werden oft schon nach wenigen Jahren unwirksam und pflanzliche Abwehrstoffe hindern angepasste Schädlinge nicht am Fraß. Wieso haben sich also diese Bodentiere nicht den Abwehrstoffen der Schimmelpilze angepasst? „Eine mögliche Antwort könnte in der sehr hohen Menge liegen, in der Pilzkulturen Aurofusarin produzieren“, so Prof. Dr. Petr Karlovsky, Leiter der Abteilung Molekulare Phytopathologie und Mykotoxinforschung. „Etwaige Mutationen, die das Pigment inaktivieren oder seine Bindung an Rezeptoren verringern, hätten demnach keine Wirkung.“

    Falls sich diese Annahme bestätigt, wäre Aurofusarin das erste Beispiel für ein bisher unbekanntes Phänomen in der chemischen Ökologie: die Verhinderung der Anpassung von Zielorganismen durch extrem hohe Konzentration eines Abwehrstoffes.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Petr Karlovsky
    Georg-August-Universität Göttingen
    Fakultät für Agrarwissenschaften
    Department für Nutzpflanzenwissenschaften
    Abteilung Molekulare Phytopathologie und Mykotoxinforschung
    Grisebachstraße 6, 37077 Göttingen
    Telefon (0551) 39-12918
    E-Mail: pkarlov@gwdg.de
    Internet: www.fungal-toxins.uni-goettingen.de/


    Originalpublikation:

    Yang Xu et al. Bis-naphthopyrone pigments protect filamentous ascomycetes from a wide range of predators. Nature Communications 2019. http://dx.doi.org/10.1038/s41467-019-11377-5


    Bilder

    Mehlwürmer, denen der Schimmelpilz Fusarium graminearum mit Aurofusarin (rechts) und seine Mutante ohne Aurofusarin (links) angeboten wurde, bevorzugen die Mutante.
    Mehlwürmer, denen der Schimmelpilz Fusarium graminearum mit Aurofusarin (rechts) und seine Mutante o ...
    Ruth Pilot
    None

    Springschwänzen wurde der Aurofusarin produzierende Schimmelpilz Fusarium graminearum (rot) und seine Mutante ohne Aurofusarin (blau) angeboten. Nach wenigen Stunden sammelten sich
    Springschwänzen wurde der Aurofusarin produzierende Schimmelpilz Fusarium graminearum (rot) und sein ...
    Yang Xu
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Mehlwürmer, denen der Schimmelpilz Fusarium graminearum mit Aurofusarin (rechts) und seine Mutante ohne Aurofusarin (links) angeboten wurde, bevorzugen die Mutante.


    Zum Download

    x

    Springschwänzen wurde der Aurofusarin produzierende Schimmelpilz Fusarium graminearum (rot) und seine Mutante ohne Aurofusarin (blau) angeboten. Nach wenigen Stunden sammelten sich


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).