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23.05.2006 15:53

50 Jahre Nuklearmedizin: Vom Abstellraum zur modernen Klinik

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Im März 1956 kamen am Klinikum der Uni Würzburg erstmals radioaktive Substanzen für die Untersuchung von Patienten zum Einsatz - und zwar durch Professor Wilhelm Börner in einem winzigen, früheren Abstellraum unter dem Treppenaufgang in der Medizinischen Poliklinik. Was klein begann, hat sich in den vergangenen 50 Jahren prächtig entwickelt: Heute steht in Würzburg eine der größten nuklearmedizinischen Kliniken der Bundesrepublik.

    Was ein Nuklearmediziner macht? Er gewinnt mit Hilfe von schwachen und kurzlebigen radioaktiven Substanzen, die sich im Organismus in spezieller Weise verteilen, diagnostische Informationen über Krankheiten. So kann er zum Beispiel Tumoren in der Schilddrüse aufspüren oder den Erfolg einer Krebstherapie überprüfen. Auf der anderen Seite eignen sich die radioaktiven Substanzen auch zur Behandlung verschiedener Erkrankungen - sozusagen durch eine "Bestrahlung von innen".

    Auf der mit 14 Betten ausgestatteten Therapiestation der Würzburger Klinik für Nuklearmedizin werden pro Jahr etwa 900 Patienten, die an Schilddrüsenfunktionsstörungen oder -krebs leiden, mit radioaktivem Jod behandelt. Diese Therapie sei sehr gut verträglich, sagt Klinikdirektor Professor Christoph Reiners. Vor allem aber könne sich das Ergebnis sehen lassen: Sowohl bei gutartigen wie bei bösartigen Schilddrüsenerkrankungen liegen die langfristigen Erfolge bei rund 90 Prozent.

    Laut Reiners hat die nuklearmedizinische Diagnostik gegenüber anderen Untersuchungsverfahren einen entscheidenden Vorteil: Mit ihr können Stoffwechselvorgänge und Funktionsabläufe im Organismus relativ einfach erfasst werden. Hoch entwickelte Geräte zum Nachweis der Gamma- oder Positronen-Strahlung würden es ermöglichen, Stoffwechselvorgänge exakt und mengenmäßig genau zu analysieren - und zwar unabhängig davon, ob sie nur Bruchteile von Sekunden oder Stunden dauern.

    Die wissenschaftlichen Schwerpunkte der Klinik für Nuklearmedizin liegen auf der Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenkrankheiten, dem Strahlenschutz und der Osteoporose-Diagnostik. In der Krankenversorgung werden jährlich insgesamt 11.000 Untersuchungen durchgeführt, vor allem so genannte Szintigraphien von Schilddrüse, Skelett und Herzmuskel. Bei der Szintigraphie wird die Gamma-Strahlung der verabreichten Substanzen im Körper mit Spezialkameras sichtbar gemacht.

    Hinzu kommen 2.900 Knochendichtemessungen und die PET-Diagnostik mit etwa 600 Untersuchungen. PET steht für Positronen-Emissions-Tomographie. Auch mit diesem bildgebenden Verfahren lassen sich Krebsherde im Körper finden und der Erfolg einer Krebstherapie beurteilen. Bei der PET werden sehr kurzlebige radioaktive Substanzen eingesetzt. Weiterhin werden pro Jahr 4.300 Ultraschall-Untersuchungen durchgeführt und 44.000 Labortests für das gesamte Uniklinikum.

    Zur Versorgung von Strahlenunfall-Patienten gehört die Klinik seit 1990 als Regionales Strahlenschutzzentrum einem Netz aus insgesamt elf solcher Einrichtungen der Berufsgenossenschaften an. Seit 2005 ist sie zudem eines der 16 weltweit verteilten REMPAN-Kollaborationszentren der Weltgesundheitsorganisation. Aufgabe dieser Zentren ist es, bei nuklearen und radiologischen Notfällen die medizinische Strahlenschutzvorsorge und internationale Hilfeleistung anzubieten.

    Über den Positronen-Emissions-Tomographen verfügt die Klinik seit 2000. Dieses Gerät nutzt sie im Rahmen des "PET-Netzes Mainfranken" mit den beiden Würzburger Fachpraxen für Nuklearmedizin. Künftig soll dieser Bereich ausgebaut werden: Wenn das im Bau befindliche Zentrum für Innere Medizin (ZIM) voraussichtlich 2008/09 in Betrieb geht, wird dort auch die Nuklearmedizin einziehen. Dann ist an der Universität die Einrichtung eines fakultätsübergreifenden PET-Zentrums mit einem eigenen Zyklotron für die Herstellung der kurzlebigen Positronenstrahler vorgesehen. Darin sollen von klinischer Seite Fragestellungen aus den Bereichen Onkologie, Kardiologie, Neurologie/Neurochirurgie und Psychiatrie untersucht werden.

    Ihren 50. Geburtstag feierte die Nuklearmedizin am 19. und 20. Mai mit einem öffentlichen Symposium im Zentrum für Operative Medizin. Dort wurde die Zukunft des Faches diskutiert: Renommierte internationale Experten hielten Übersichtsvorträge und Mitarbeiter der Würzburger Nuklearmedizin stellten in Ko-Referaten dar, wie die jeweiligen Entwicklungen an der hiesigen Universitätsklinik verlaufen.

    Zur Geschichte der Nuklearmedizin

    1955 stellte Professor Hans Franke, damaliger Chef der Würzburger Medizinischen Poliklinik, den Weiterbildungsassistenten Wilhelm Börner ein. Dieser baute mit seinen an der Uni Erlangen und in Harwell/England erworbenen Kenntnissen in Strahlenbiologie und Strahlenschutz eine Isotopenabteilung auf.

    Doch fast wäre dieser erste Versuch, ein mit radioaktiven Substanzen arbeitendes Labor einzurichten, bereits in seinen Anfängen gescheitert. Weder die Universität noch der Freistaat waren damals bereit, für dieses junge und noch unbekannte Spezialgebiet relativ teuere Einrichtungen zu beschaffen. Erst mit Hilfe der Kugellagerindustrie in Schweinfurt gelang es, diese Hürde zu überwinden: Die Nuklearmedizin bekam für ihre Pläne 1957/58 von den Firmen Kugelfischer und SKF weit über 100.000 Mark gespendet.

    Im Vordergrund der Arbeit stand zunächst der Aufbau der Schilddrüsen-Diagnostik, die in Unterfranken als "Kropf-Gebiet" ein dringendes Erfordernis war, wie sich Wilhelm Börner erinnert. So wurde in Würzburg 1958 eine der ersten in der Bundesrepublik gefertigten Szintigraphie-Einrichtungen, ein Siemens-Nucleograph für 34.900 Mark, erfolgreich in der Diagnostik eingesetzt.

    In der Folgezeit ließ die Einführung kurzlebiger radioaktiver Substanzen und die damit verbundene geringere Strahlenexposition die Zahl der nuklearmedizinischen Untersuchungen stark steigen. Für die Klinik bedeutete das vor allem eines: große Raumnot. Gelöst wurde dieses Problem, als auf dem Gelände des Luitpoldkrankenhauses in Bau 9-11 Räume frei wurden - die HNO- und die Neurochirurgische Klinik zogen ins neu gebaute Kopfklinikum um. Dadurch erhielt die Nuklearmedizin 1976 im Stadtteil Grombühl eine räumlich großzügig konzipierte eigene Abteilung, deren Leitung Wilhelm Börner übernahm.

    Als schließlich noch die Kinder- und Jugendpsychiatrie in die neue Nervenklinik in der Füchsleinstraße wechselte, eröffneten sich der Nuklearmedizin in Bau 8 weitere Räume. Diese Erweiterung wurde mit einem Umbau der bestehenden Klinik kombiniert, die dann am 1. Juli 1990 neu eröffnet wurde. Vier Jahre später übergab Börner, der der neu geschaffenen Klinik für Nuklearmedizin seit 1987 als Direktor vorstand, sein Amt an Christoph Reiners.


    Bilder

    In diesem Gebäude befindet sich derzeit die Würzburger Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin.
    In diesem Gebäude befindet sich derzeit die Würzburger Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin.
    Foto: Uniklinikum
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    Der junge Wilhelm Börner, Gründer der Würzburger Nuklearmedizin, im Jahr 1956 am ersten Schilddrüsen-Uptakemessplatz in der Medizinischen Poliklinik.
    Der junge Wilhelm Börner, Gründer der Würzburger Nuklearmedizin, im Jahr 1956 am ersten Schilddrüsen ...
    Archivbild Uniklinikum
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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