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21.07.2006 15:28

Das neue Laien-Expertentum - Studie befasst sich mit Wissenskommunikation im Internet

Dr. Margarete Wein Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Beständig wachsende und zudem vernetzte Wissensbestände sorgen für ein hohes gesellschaftliches Bildungsniveau und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Doch wie entsteht neues Wissen, wie wird es kommuniziert? Welche Rolle spielen moderne Medien wie das Internet? Daniela Pscheida möchte Antworten finden. In ihrer Dissertation untersucht sie den digitalen Wandel von Wissensgenese und -kommunikation.

"Der Umgang mit Wissen verändert sich. Wie es hergestellt, vermittelt und rezipiert wird, ist von den gesellschaftlichen Um- und Zuständen sowie den jeweils verfügbaren Medien abhängig", meint Pscheida. In den vergangenen Jahrhunderten habe sich eine hierarchisch gegliederte Wissensordnung herausgebildet. "Die Erzeugung neuen Wissens erfolgt in einem standardisierten und objektivierten Forschungsprozess. Die so erworbenen Erkenntnisse werden einseitig-linear von institutionell ausgewiesenen Experten an ein passives Laienpublikum weitergegeben. Den Experten obliegt somit die Deutungsmacht darüber, was als wahres Wissen gelten soll." Auch bei handwerklichen Problemen ziehe man schließlich oftmals einen Fachmann zu Rate, da das Wissen des Einzelnen bei vielen alltäglichen Problemen nicht ausreicht. Diese Struktur habe sich über lange Zeit verfestigt.

Herausbildung eines Laien-Expertentums

Mit der Herausbildung und Verbreitung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien ergeben sich nun weitreichende Möglichkeiten. Allein in Deutschland nutzen knapp 25 Prozent der Bevölkerung das Internet und rufen täglich Millionen an Daten ab. Gleichermaßen haben sie auf Diskussionsplattformen die Möglichkeit ihr eigenes Wissen an andere Nutzer weiterzugeben und sich mit diesen auszutauschen. "Interessant ist, dass sich Internetnutzer vermehrt auf diese Art Informationen bzw. Wissen stützen und berufen. Ein Beispiel: Bei medizinischen Fragen verlässt man sich zunehmend nicht mehr allein auf seinen Arzt, sondern informiert sich zusätzlich per Internet über alternative Behandlungsmethoden und greift die Argumente anderer Betroffener auf. Man könnte diese Entwicklung als Herausbildung eines Laien-Expertentums bezeichnen. Die bestehende Differenz von Experten und Laien scheint im und durch das Internet zunehmend aufzuweichen. Deshalb möchte ich untersuchen, wie sich die Existenz des Internets mit seinen Bedingungen und Möglichkeiten auf die Erzeugung und Weitergabe von Wissen auswirkt und inwiefern dies die traditionelle Dialektik zwischen Experten und Laien beeinflusst", erklärt Pscheida weiter.

Objektive Hermeneutik als Hilfsmittel

Eine Analyse soll auf mehreren Ebenen erfolgen. "Als Grundlage dienen ausgewählte Artikel und Texte der 2001 gegründeten Online-Enzyklopädie Wikipedia - hier kann jeder Nutzer eine Art 'Expertenstatus' beanspruchen und selbst neue Artikel verfassen und bestehende Formulierungen nach Belieben verändern. Diese sollen auf die ihnen zugrunde liegenden Strukturen untersucht werden." Pscheida möchte dabei insbesondere auf die Objektiven Hermeneutik zurückgreifen, einem Ansatz aus der qualitativen Sozialforschung. "Bei dieser Methode geht es weniger um die objektiv vorhandenen Inhalte der Kommunikation, sondern um die in den sprachlichen Äußerungen enthaltenen latenten Sinngehalte. Sollte sich im Internet tatsächlich ein Paradigmenwechsel bei der Wissensgenese und -kommunikation abzeichnen, müsste dieser anhand der Sinnstrukturen in den Texten zu erkennen sein".
In einem weiteren Schritt will sich die Doktorandin daraufhin den Konsequenzen etwaiger Veränderungen im Rahmen des Internets für die gesellschaftliche Wissensordnung insgesamt zuwenden. "Es gilt zu fragen, ob und wie die neuen, internetbasierten Formen der Herstellung und Verbreitung von Wissen auf das traditionelle Wissenschaftssystem zurückwirken und inwieweit sich dieses gegebenenfalls den Entwicklungen anpassen muss", sagt die 25-jährige.
Das Dissertationsprojekt soll bis März 2008 abgeschlossen sein. "Ziel ist es, Grundlagenwissen bereitzustellen, das erklärt, wie in einer durch Medien geprägten Gesellschaft gültiges und verlässliches Wissen erzeugt und kommuniziert wird."

Weitere Informationen:
Daniela Pscheida M.A.
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaften
Mansfelder Str. 56
06108 Halle (Saale)
Telefon: 0345 55-23570
E-Mail: daniela.pscheida@medienkomm.uni-halle.de


Bilder

Daniela Pscheida M.A.
Daniela Pscheida M.A.
Foto: Paolo Schubert
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Ergänzung vom 02.08.2006

Die E-Mail-Adresse von Frau Pscheida wurde irrtümlich falsch angegeben.

Sie lautet korrekt: daniela.pscheida@web.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Pädagogik / Bildung, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
Deutsch


 

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