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16.11.2006 11:21

Bessere Kleinstbauteile schneller produzieren: Neuer Sonderforschungsbereich für Universität Bremen

Eberhard Scholz Hochschulkommunikation und -marketing
Universität Bremen

    Ob Stecker im Mobiltelefon oder Einspritzdüse im Motor: Kleinstbauteile müssen immer winziger, leichter und kostengünstiger werden. Dabei sollen sie stetig mehr Funktionen erfüllen und noch präziser arbeiten. Und sie müssen schneller in größeren Stückzahlen zur Verfügung stehen. Das bedarf neuer Materialien, Prozesse und Methoden in der Produktion. Lösungen verspricht der neue Sonderforschungsbereich "Mikrokaltumformen" an der Universität Bremen. Am 15. November 2006 wurde SFB 747 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligt.

    Bremer Ingenieurwissenschaften weiter auf Erfolgskurs: Deutsche Forschungsgemeinschaft richtet SFB 747 ein / 10 Millionen Euro für "Mikrokaltumformen"

    "Mikrokaltumformen - Prozesse, Charakterisierung, Optimierung" ist der volle Name des neuen SFB. In den nächsten vier Jahren erhält er rund 10 Millionen Euro - unter anderem für knapp 20 Wissenschaftlerstellen. Um die Doktorandenausbildung gezielt zu unterstützen und den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, wird auch eine Postdoktorandenstelle geschaffen.

    "Ein wunderbarer Erfolg", freut sich Professor Frank Vollertsen über die Botschaft der DFG aus Bonn. Der Leibniz-Preis-Träger hat einen Lehrstuhl im Fachbereich Produktionstechnik inne und leitet das Bremer Institut für angewandte Strahltechnik (BIAS). Er hat den SFB initiiert und ist auch dessen Sprecher. Vollertsen sieht in der DFG-Entscheidung auch eine Bestätigung für die Qualität der ingenieurwissenschaftlichen Forschung und die Erfolge der interdisziplinären Zusammenarbeit auf dem Bremer Campus. "Sie bewährt sich schon seit vielen Jahren", sagt er. Der Antragsband zur Einrichtung des neuen SFB belegt das eindrucksvoll.

    Ein Kilogramm wiegt das Buch, und auf knapp 800 eng bedruckten Seiten beschreibt er die Ergebnisse der dreijährigen Vorarbeiten sowie das Forschungsprogramm und seine 17 Teilprojekte. Mitgearbeitet an dem Werk haben insgesamt 19 Forscher aus drei Fachbereichen und sechs Instituten. Darunter sind elf Professoren verschiedener Disziplinen, die nun beabsichtigen, zwölf Jahre fachübergreifend miteinander zu forschen. Anfang 2007 nimmt der neue SFB seine Arbeit auf. Interessant ist sie unter anderem für die Automobil-, Telekommunikations- und Unterhaltungselektronik-Märkte, denn die Wissenschaftler beschäftigen sich mit metallischen Mikrobauteilen und deren Produktion.

    Solche Mikrobauteile finden sich zum Beispiel in den 800 Millionen Mobiltelefonen, die jährlich weltweit produziert werden. Sie enthalten eine Vielzahl kleinster Kontakte, Stecker und Mikrogehäuse für elektronische Bauelemente, genauso wie MP3-Player, Waschmaschinensteuerungen, Digitalkameras und Hörgeräte oder die 200 Millionen PCs, die jedes Jahr neu auf den Markt kommen. Diese Mikrobauteile werden in hohen Stückzahlen und bevorzugt in Integralbauweise produziert, also aus mehreren vorgefertigten Einzelteilen zusammengesetzt. Die Modellzyklen sind sehr kurz und die Stückpreise sowie die Werkstoffausnutzung sind gering. Dabei wachsen die Ansprüche an die Geometrien der Bauteile. Während die Variantenvielfalt zunimmt, werden die Zykluszeiten immer kürzer. Dabei müssen die Ausbringungsmengen größer, die Stückpreise kleiner und das Gewicht reduziert werden. Hier bietet der SFB 747 neue Perspektiven: "Wir machen da weiter, wo die Produktion heute an ihren Grenzen angekommen ist", sagt Vollertsen.

    Das Ziel des SFB ist die "Schaffung von Wissen zu Methoden und Prozessen für die systematische Auslegung und den prozesssicheren Einsatz von Umformprozessen zur industriellen Herstellung metallischer Mikrobauteile." Oder anders: Die Wissenschaftler betrachten den gesamten Produktionsprozess, wobei sie insbesondere den Umformprozess untersuchen: von der Werkstoffentwicklung über die Optimierung und das Qualitätsmanagement hin zu planerischen Aspekten der mikroumformtechnischen Fertigung.

    Vorteile des Kaltumformens

    Schmieden, Biegen, Wälzen, Prägen oder Tiefziehen - es gibt verschiedene Verfahren, Metalle in eine andere Form zu bringen. Umformen kann kalt oder warm geschehen. Mit Warmumformen wie Schmieden lassen sich keine kleinen, filigranen Bauteile fertigen. Für Mikrobauteile am besten geeignet ist das Kaltumformen, wie es zum Beispiel beim Prägen von Münzen angewandt wird. Hochglänzend, präzise und mit feinsten Strukturen kommen sie aus der Produktion. Zudem bleiben die Werkstoffeigenschaften beim Kaltumformen nicht nur erhalten, sondern werden sogar noch verbessert. Es wird für kleine und kleinste Bauteile angewandt, die im Mikrometerbereich genau sein müssen. So erklärt sich auch der Name den SFB. Die Forscher beschäftigen sich mit dem Mikrokaltumformen.

    Die Herausforderungen dabei sind die Genauigkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Funktionsverdichtung. Genauigkeit: Bei extrem hohen Stückzahlen müssen stets perfekte Qualität und ein konstantes Ergebnis in engem Spielraum mit nur kleinsten Toleranzen gewährleistet sein, wobei außerdem ein großes Eigenschaftsspektrum realisiert werden muss. Wirtschaftlichkeit: Bei immer kürzeren Modell-Lebensdauern besteht der Zwang, Produktionsprozesse schnell und flexibel auf neue Anforderungen einzustellen, also Modelle neu zu definieren und den ganzen Produktionsprozess besser planbar zu gestalten. Funktionsverdichtung: Es gilt, Teile zu miniaturisieren und zudem mit mehr Funktionen auszustatten.

    Zeigen werden die Forscher ihren wissenschaftlichen Fortschritt im Verlauf der SFB-Arbeiten an einem so genannten "Demonstrator". Hier haben sie einen besonderen Fokus auf das Innenleben der Kfz-Sicherheitssysteme, und dort besonders auf die darin vielfach enthaltenen Mikroventile. Jährlich werden rund 1,5 Milliarden davon hergestellt und millionenfach in die Kraftfahrzeuge eingebaut. Mindestens 24 dieser filigranen Bauteile befinden sich in den Antiblockiersystemen (ABS) eines Autos. Noch hat ein solches Ventil den Durchmesser eines Kugelschreibers. Angestrebt ist es, den Durchmesser auf den eines Streichholzes zu reduzieren und die Funktionalität des Bauteiles weiter zu erhöhen. An dem Demonstrator können alle 17 SFB-Teilprojekte ihre Forschungsfortschritte als Hardware, Konzept oder als virtuellen Beitrag darlegen.

    Spätestens an dem Demonstrator zeigen sich alle im SFB gebündelten Kompetenzen: Umformtechnik, Werkstofftechnik, Werkzeug-Formenbau, Fertigungsorganisation, Mess- und Regelungstechnik, Optimierung und Statistik. Die Schwerpunkte im SFB liegen bei den Materialwissenschaften und in der Mikrotechnologie. Das sind unter anderem zwei der Bereiche, die die Universität Bremen im Rahmen ihrer Konzentration auf Kompetenzen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schwerpunkte definiert hat. "Die Kombination von Kompetenzen ermöglichen erst derart ganzheitliche Betrachtungen, wie wir sie im SFB realisieren", sagt SFB-Sprecher Vollertsen. Er hat langjährige Erfahrungen mit fächerübergreifenden Kooperationen auf dem Campus und sieht hier einen der Gründe für den Erfolg der Universität und des Fachbereiches Produktionstechnik. "Auch der Mut, Schwerpunkte zu setzen, wurde nun mit dieser Bewilligung honoriert!"

    Die Beteiligten am SFB "Mikrokaltumformen"
    Beteiligt am SFB sind neben dem Fachbereich Produktionstechnik, der die Federführung im SFB hat, auch die Fachbereiche Physik/Elektrotechnik und Mathematik/Informatik sowie das Bremer Institut für angewandte Strahltechnik (BIAS), das Bremer Institut für Betriebstechnik und angewandte Arbeitswissenschaft (BIBA), das Institut für Statistik (IfS), die Stiftung Institut für Werkstofftechnik (IWT), Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (WZM) und das Zentrum für Technomathematik (ZeTeM).

    Ingenieurwissenschaftler im Fachbereich Produktionstechnik außerordentlich erfolgreich

    In der Grundlagenforschung genießen die Ingenieurwissenschaftler im Uni-Fachbereich Produktionstechnik ein sehr hohes Ansehen. Ihre Ergebnisse zum Beispiel beim Einwerben von DFG-Mitteln in diesem Bereich bestätigen das. Ab Januar 2007 gilt: Drei der sechs SFB an der Uni Bremen, ein Transferbereich (TFB) und ein Schwerpunktprogramm (SPP) werden von den Produktionstechnikern koordiniert, bei einem vierten SFB arbeiten sie federführend mit. Die Wissenschaftler belegen den Spitzenplatz im bundesweiten DFG-Förderranking, und auch zwei der am SFB beteiligten außeruniversitären Einrichtungen, das BIAS und das IWT, finden sich auf den oberen Rängen der Liste.

    DFG-finanzierte Forschung mit Beteiligung des Fachbereiches Produktionstechnik
    Der SFB/TR 4 "Prozessketten zur Herstellung komplexer Optikkomponenten" beschäftigt sich mit den Grundlagen zur kostengünstigen Serienproduktion komplexer optischer Bauteile. Im SFB 570 "Distortion Engineering - Verzugsbeherrschung in der Fertigung" untersuchen Produktions- und Werkstofftechniker die Ursachen für die Verformungen von Metall-Bauteilen. Im SFB 637 "Selbststeuerung logistischer Prozesse - ein Paradigmenwechsel und seine Grenzen" werden Methoden und Werkzeuge für effiziente, dynamische Selbststeuerungsverfahren erarbeitet. Der TFB 58 "Transferbereich Supreme Materials: Sprühkompaktierte Materialien in der Anwendung" ist aus dem 2004 beendeten Sonderforschungsbereich Sprühkompaktieren entstanden und überträgt dessen verfahrenstechnische Besonderheiten in industrielle Anwendungen. Im SPP 1138 "Prozessskalierung", der ebenfalls von Professor Vollertsen koordiniert wird, geht es um die Modellierung von Größeneinflüssen und deren Auswirkungen auf das Arbeitsergebnis. Erweitert wird diese Liste im Januar 2007 mit dem neuen SFB 747 "Mikrokaltumformen".
    (Sabine Nollmann)

    Achtung Redaktionen: Fotos können in der Uni-Pressestelle unter der Telefonnummer 0421 218 2751 oder E-Mail presse@uni-bremen.de angefordert werden!

    Weitere Informationen und Ansprechpartner:

    Universität Bremen
    Bremer Institut für Strahltechnik (BIASW)
    Prof. Dr.-Ing. Frank Vollertsen (Sprecher SFB 747, Leiter BIAS)
    Tel: 0421 218-50 04
    E-Mail: vollertsen@bias.de


    Weitere Informationen:

    http://www.bias.de


    Bilder

    Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop: Auf einem 50 Cent-Stück liegen eine Mikro-AntriebsWelle, wie sie in Mikromotoren eingesetzt werden, und zwei so genannte  "Näpfe", die unter andem als Kappen für Widerstände oder Sicherungen eingesetzt werden. Die Näpfe wurden tiefgezogenhaben und haben einen Durchmesser von 1 Millimeter. Die Welle wurde rundgeknetet und hat eine Durchmesser von 0,5 bis 1,2 Millimeter.
    Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop: Auf einem 50 Cent-Stück liegen eine Mikro-AntriebsWelle ...

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    Fotos: Hendrik Schulze Niehoff, BIAS
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie, Informationstechnik, Maschinenbau, Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

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