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08.05.2007 09:59

Die "silberne Zukunft" gestalten: Innovative Wohnformen für ältere Menschen

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Alt, verwirrt, alleine und ins Heim abgeschoben, so will keiner enden. Es muss doch Alternativen geben, dachten sich Annette Franke und David Wilde, und machten die Frage nach innovativen Wohnformen für ältere Menschen zum Thema ihrer Diplomarbeit (Betreuer: Prof. Dr. Rolf Heinze, Soziologie). Und sie wurden fündig: Gerade das Ruhrgebiet, wo der demografische Wandel noch schneller voranschreitet als anderswo in Deutschland, bot sich als Modellregion an. Hier gibt es Ansätze, die älteren Menschen ein selbstbestimmtes, aber sicheres und komfortables Leben möglich machen. Die Arbeit, die mit einem der Preise an Studierende der Ruhr-Universität ausgezeichnet wurde, ist jetzt auch unter dem Titel "Die silberne Zukunft gestalten" als Buch erschienen.

    Bochum, 08.05.2007
    Nr. 158

    Die "silberne Zukunft" gestalten
    Innovative Wohnformen für ältere Menschen
    Das Ruhrgebiet hat Modellcharakter

    Alt, verwirrt, alleine und ins Heim abgeschoben, so will keiner enden. Es muss doch Alternativen geben, dachten sich Annette Franke und David Wilde, und machten die Frage nach innovativen Wohnformen für ältere Menschen zum Thema ihrer Diplomarbeit (Betreuer: Prof. Dr. Rolf Heinze, Soziologie). Und sie wurden fündig: Gerade das Ruhrgebiet, wo der demografische Wandel noch schneller voranschreitet als anderswo in Deutschland, bot sich als Modellregion an. Hier gibt es Ansätze, die älteren Menschen ein selbstbestimmtes, aber sicheres und komfortables Leben möglich machen. Die Arbeit, die mit einem der Preise an Studierende der Ruhr-Universität ausgezeichnet wurde, ist jetzt auch unter dem Titel "Die silberne Zukunft gestalten" als Buch erschienen.

    Wann ist man alt?

    Der Blick auf die Alten und das Alter fällt in der öffentlichen Diskussion meistens düster aus: Immer mehr alte Menschen, immer weniger Junge, ältere sind arm, hilflos, müssen verwahrt werden, sind eine Belastung für die Angehörigen, wenn es denn welche gibt, für die Sozialkassen, die Allgemeinheit. "Wir haben uns gefragt: Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn viele Leute länger leben, das ist doch eigentlich erstmal eine positive Entwicklung", erzählt Annette Franke, "und wir wollten einen konstruktiven Blick auf das Thema werfen." Die beiden Sozialwissenschaftler machten sich zunächst an eine Bestandsaufnahme: Was ist eigentlich alt? Wann ist man alt? Wodurch ist Altern gekennzeichnet?, fragten sie. Statistiken halfen bei der Beantwortung der Frage, wie ältere Menschen tatsächlich leben. Treffen Vorurteile zu? Wie viel Geld steht zur Verfügung? Wie wünschen sich ältere Menschen zu leben? Und schließlich: Was gibt es überhaupt? Zwischen den Extremen "eigene Wohnung" und "Pflegeheim" muss es doch noch mehr geben.

    "Smart Home" macht das Licht aus

    Und auch wenn noch nicht jeder aufgewacht ist: Die Wirtschaft entdeckt die älteren Menschen allmählich als attraktive Kundengruppe. Anhand zweier Unternehmensbeispiele in Castrop-Rauxel und Hattingen stellen die Forscher vor, was möglich ist. Da hilft in "Smart Homes" die moderne Technik Senioren, altersbedingte Defizite zu kompensieren und ihren Alltag allen Behinderungen zum Trotz selbstbestimmt zu bewältigen. "Smarter Wohnen NRW" heißt das Projekt in Hattingen, wo technische Neuerungen rund ums Wohnen entwickelt und erprobt werden. "Das fängt damit an, dass beim Verlassen der Wohnung alle Lichter und der Herd automatisch ausgeschaltet werden und geht bis hin zum Bewegungsmelder, der Hilfe alarmiert, wenn sich der Wohnungsinhaber auffällig lange nicht mehr bewegt", erklärt David Wilde.

    Demenzkranke leben zusammen

    In Castrop-Rauxel leben mehrere demenzerkrankte Menschen gemeinsam in einer betreuten Wohngemeinschaft und fühlen sich gut aufgehoben. "Wenn die Leute - anders als im Heim - ihre eigenen Möbel und ihre Haustiere um sich haben können, zum Geburtstag eine Kerze anzünden dürfen und ihre individuellen Bedürfnisse ausleben können statt zu reglementierten Tagesabläufen gezwungen zu sein, dann geht es ihnen auch besser", so Annette Franke. "Diese Wohnform kann eine Demenzerkrankung nicht heilen, aber wohl verzögern. Aggressionen und andere Verhaltensauffälligkeiten sind weitaus seltener zu beobachten als bei Heimbewohnern. Zudem müssen weniger Psychopharmaka verabreicht werden." Wissen sie ihre Eltern oder Großeltern in einer solchen Wohngemeinschaft gut aufgehoben, können auch Angehörige aufatmen.

    Mieter: Vom Bewerber zum Umworbenen

    Im Ruhrgebiet finden sich mehrere solcher Beispiele. Hier ist nicht nur der demografische Wandel besonders fortgeschritten, es gibt auch einen ausgeprägten Wohnungsleerstand, der solche Projekte ermöglicht und sogar erforderlich macht. "Früher war die Wohnungsnot so groß, dass die Wohnungsgesellschaften nicht von Kunden, sondern von Bewerbern sprechen konnten", so David Wilde. "Inzwischen muss man sich Gedanken machen, wie man den potenziellen Kunden umwirbt." Daher hat man aus der Not eine Tugend gemacht und arbeitet daran, Wohnungen mit Technik und zusätzlichen Serviceleistungen auszustatten, die der Mieter auf Wunsch bekommen kann.

    Gute Gründe für Unternehmer

    Allerdings gibt es immer noch vieles zu verbessern. Bürokratische Hürden machen es Unternehmern schwierig, Wohnprojekte für Ältere zu realisieren. Zu schnell gerät man etwa mit der Heimverordnung in Konflikt - auch wenn sie in Heimen sicher ihre Berechtigung hat, behindert sich mitunter die Umsetzung innovativer Wohnprojekte. Bei der Organisation von häuslicher Pflege in WG-Projekten gibt es Loyalitätskonflikte zwischen den Trägern von Pflegediensten, häufig Sozialverbänden, die selbst Heime betreiben, und den WG-Trägern. Die ambulante Versorgung von alten Menschen angesichts einer somatisch orientierten Pflegeversicherung ist unterfinanziert, das Personal unterbezahlt, die Zeit viel zu knapp bemessen. "Da muss und wird sich in Zukunft viel tun", schätzt Annette Franke. "Es werden bessere Kooperationen gebraucht zwischen Wohnungsgesellschaften, Wirtschaftsförderung, Pflegeverbänden, Politik und Wissenschaft. Erkrankte und Angehörige brauchen niedrigschwellige Beratungsangebote. Und es muss Geld in den Bereich fließen." Die Wirtschaft wird einer der treibenden Faktoren dabei sein, denn das Potenzial der älteren Kundschaft ist nicht zu unterschätzen. Und nicht zuletzt trifft der Ausfall von Arbeitskräften, die einen älteren Angehörigen mangels Alternativen zu Hause pflegen müssen, die Wirtschaftsunternehmen empfindlich - auch das ein guter Grund, sich in der Entwicklung alternative Wohnangebote für Ältere zu engagieren.

    Titelaufnahme

    Annette Franke, David Wilde: Die "silberne" Zukunft gestalten. Handlungsoptionen im demografischen Wandel am Beispiel innovativer Wohnformen für ältere Menschen. Verlag Dr. H. H. Driesen, Taunusstein 2006, ISBN 978-3-936328-64-6

    Weitere Informationen

    Annette Franke, Tel. 0421/8974652, E-Mail: annette.franke@gmx.de
    David Wilde, Tel. 02324/5009242, E-Mail: david.wilde@gmx.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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