idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.09.2009 14:52

Thermodynamik und Relativitätstheorie: kein Problem mehr!

Klaus P. Prem Presse - Öffentlichkeitsarbeit - Information
Universität Augsburg

    Die Physiker J. Dunkel, P. Hänggi und S. Hilbert beantworten in "Nature Physics" eine seit über 100 Jahren offene Kernfrage der modernen Physik.

    Die klassische Thermodynamik hat sich zu einem Eckpfeiler der theoretischen Physik entwickelt, sie trägt entscheidend zum Verständnis komplexer natürlicher Vorgänge bei. Bereits Einstein war davon überzeugt, dass diese Theorie wohl die einzige bleiben werde, die nicht durch neue Einsichten im 20. Jahrhundert abgeändert werden müsse. Eine konsistente Einbettung thermodynamischer Konzepte in die Einsteinsche Relativitätstheorie ist seither jedoch nicht gelungen, sie wurde seit über 100 Jahren immer wieder kontrovers diskutiert.

    In der neuesten Ausgabe der renommierten Zeitschrift "Nature Physics" berichten jetzt Dr. Jörn Dunkel (Oxford), sein Augsburger Doktorvater Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hänggi und Dr. Stefan Hilbert (Universität Bonn) vom Erfolg ihrer Anstrengungen, dieses zentrale offene Problem der Physik endlich einer Lösung zuzuführen.

    Das grundsätzliche Ziel der Thermodynamik besteht darin, ausgedehnte physikalische Systeme mittels weniger globaler Kenngrößen wie Energie, Volumen oder Temperatur zu beschreiben. Solch eine Charakterisierung erweist sich in der Relativitätstheorie freilich als problematisch. Denn in ihr verlieren beispielsweise Aussagen wie "die Energie oder die Länge eines Körpers zum Zeitpunkt t" an Eindeutigkeit. Denn in Einsteins Relativitätstheorie hängt der Zeitbegriff vom Bewegungszustand des Beobachters ab.

    Zur Lösung dieses konzeptionellen Problems gelangen Dunkel, Hänggi und Hilbert, indem sie die thermodynamischen Größen "fotografisch", d. h. mit Hilfe von sogenannten Lichtkegeln (siehe Bild), bestimmen. Der Lichtkegel entspricht den Ereignissen die prinzipiell auf einem Foto abgebildet werden können, wobei wegen der endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts weiter entfernte Objekte früher auf dem Foto erscheinen als näherliegende Objekte.

    Im Gegensatz zu traditionellen Formulierungen der relativistischen Thermodynamik, die üblicherweise auf dem Begriff der Gleichzeitigkeit aufbauen, lässt sich die von Dunkel, Hänggi und Hilbert vorgeschlagene "fotografische Thermodynamik" prinzipiell problemlos auch auf die Allgemeine Relativitätstheorie erweitern.

    Zudem ergibt sich aus dieser neuen Theorie auch ein neuer Effekt: dass nämlich ein entfernter Beobachter bei naiver fotografischer Betrachtung proportional zu dessen Temperatur die endliche Fluchtgeschwindigkeit eines sehr heißen Objekts misst, obwohl sich das Objekt tatsächlich gar nicht von ihm wegbewegt. Dieser zumeist sehr kleine Effekt kann für zukünftige Präzisionsmessungen von Geschwindigkeiten weit entfernter und sehr heißer Galaxien von Bedeutung sein. Man könne diesen thermodynamisch-relativistischen Effekt etwa mit der kleinen Ablenkung von Lichtstrahlen durch Massen in der Einsteinschen Allgemeinen Relativitätstheorie vergleichen, erläutert Hänggi. Obwohl er üblicherweise sehr gering sei, spiele dieser Effekt eine zentrale Rolle bei der Bestimmung kosmologischer Modelle.

    "Die Einbeziehung der Gesetze der Quantenmechanik in eine schlüssig zusammenhängende Trias zusammen mit der Relativitätstheorie und der Thermodynamik", sagt Hänggi, "bleibt freilich noch ein Thema für die Zukunft."
    _______________________________________

    Originalbeitrag:

    Jörn Dunkel, Peter Hänggi, Stefan Hilbert: Non-local observables and light-averaging in relativistic thermodynamics, Nature Physics, published online: 20 September 2009, doi: 10.1038/nphys1395

    Abstract: http://www.nature.com/nphys/journal/vaop/ncurrent/abs/nphys1395.html

    Siehe auch: http://www.nature.com/nphys/index.html
    _______________________________________

    Kontakt:

    Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Peter Hanggi
    Lehrstuhl für Theoretische Physik I
    Institut für Physik der Universität Augsburg
    Universitätsstraße 1
    86159 Augsburg
    Relefon: +49(0)821-598-3250 / -3249
    hanggi@physik.uni-augsburg.de
    http://www.physik.uni-augsburg.de/theo1/hanggi/

    Dr. Jörn Dunkel
    Rudolf Peierls Centre for Theoretical Physics
    University of Oxford
    1 Keble Road, Oxford OX1 3NP
    Telefon +44(0)1865-273967
    jorn.dunkel@physics.ox.ac.u
    http://www-thphys.physics.ox.ac.uk/people/JornDunkel/


    Weitere Informationen:

    http://www.nature.com/nphys/journal/vaop/ncurrent/abs/nphys1395.html


    Bilder

    Durch die "fotografische" Bestimmung theromodynamischer Größen mit Hilfe von Lichtkegeln ...
    Durch die "fotografische" Bestimmung theromodynamischer Größen mit Hilfe von Lichtkegeln ...

    None

    ... ist es den Physikern (v.l.) P. Hänggi (Augsburg), J. Dunkel (früher Augsburg, jetzt Oxford) und S. Hilbert (Bonn) die Einbettung thermodynamischer Konzepte in die Relativitätstheorie gelungen.
    ... ist es den Physikern (v.l.) P. Hänggi (Augsburg), J. Dunkel (früher Augsburg, jetzt Oxford) und ...

    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).