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11.12.1996 00:00

Jahresbericht des Rektors

Dr. Elisabeth Zuber-Knost Presse und Kommunikation
Universität Karlsruhe (TH) - Forschungsuniversität.gegründet 1825

    Nr. 118 / 6. Dezember 1996 / sho/mea

    Jahresbericht des Rektors ,Wettbewerb ist kein Fremdwort fuer uns"

    ,Trotz aller wirtschaftlichen und hochschulpolitischen Turbulenzen habe ich 1996 als Jahr voll richtungsweisender Entwicklungen erlebt." Dieses Fazit zog Universitaetsrektor Professor Dr.-Ing. Sigmar Wittig bei der Jahresfeier am 7. Dezember in seinem Jahresbericht. Aktuelle hochschulpolitische Entwicklungen, Erfolge in Lehre und Forschung sowie die Auslandsbeziehungen der Universitaet waren die Themen, denen sich der Rektor schwerpunktmaessig widmete.

    Haushaltskuerzungen: ,Irreparable Schaeden" Einen breiten Raum nahm die Hochschulpolitik des Landes Baden-Wuerttemberg ein. Die geplanten Haushaltskuerzungen werden nach Auffassung Wittigs zu ,irreparablen Schaeden mit grosser Langzeitwirkung" fuehren. ,Damit ist der Universitaetsbetrieb von der Bibliothek bis zum Rechenzentrum nicht zu gewaehrleisten." Fuer die Universitaet bedeutet dies konkret, dass Tutorien, Forschung und Lehre zunaechst nur 50 Prozent der bisher verfuegbaren Mittel erhalten. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

    o Die Zahl der Tutorien, das heisst das effiziente Lernen von Kleingruppen, muss drastisch eingeschraenkt werden. Studienzeitverlaengernde Auswirkungen sind zu erwarten. Die Tutoren selbst, die mit ihrer Arbeit zum Teil das Studium finanzieren, geraten in finanzielle Bedraengnis. o Vertretungen koennen nicht finanziert werden, wovon vor allem kleinere Faecher und Institute - Professoren, Sekretariate etc. - betroffen sind. o Berufungen neuer Professoren mit vor allem im technischen Bereich erforderlichen Investitionen und Reinvestitionen sind kaum mehr moeglich. o Die notwendige Grundausstattung zur Drittmitteleinwerbung, wie sie die Deutsche Forschungsgemeinschaft voraussetzt, kann nicht mehr bereitgestellt werden. Ge- rade fuer eine forschungsintensive Universitaet - die Fridericiana zaehlt nach juengsten Erhebungen zu den zehn forschungsstaerksten der Bundesrepublik Deutschland - mit einer grossen Zahl an Sonderforschungsbereichen und Graduiertenkollegs hat das katastrophale Folgen. o Die Moeglichkeit des Technologietransfers vor allem zu mittleren und kleinen Un- ternehmen wird stark gefaehrdet.

    ,Kein Wildwuchs" an der Fridericiana ,Wettbewerb ist kein Fremdwort fuer uns", bekundete der Rektor im Hinblick auf die Vereinbarungen zur neuen Regierungskoalition, ,den Hochschulen des Landes mehr Autonomie und Eigenverantwortung zu uebertragen und ihnen mehr Wettbewerb un- tereinander und verstaerktes Wirtschaftlichkeitsdenken einerseits zu ermoeglichen, andererseits aber auch aufzuerlegen". An der Universitaet Karlsruhe sei ,kein Wild- wuchs" zu entdecken. ,Wir waren schon immer im internationalen sowie im Landes- vergleich eine Universitaet mit sehr schlankem Personal- und Sachmittelhaushalt."

    Den Forderungen nach Wettbewerb, Schwerpunktbildung und Wirtschaftlichkeit habe sich die Universitaet ,in allen Zeiten" gestellt. Neue und innovative Studienrich- tungen, Schwerpunkte und Forschungsansaetze bewiesen dies. Durch den grossen Einsatz der Universitaetsangehoerigen sei es der Fridericiana bisher gelungen, die finanziellen Nachteile gegenueber renommierten Universitaeten des Auslandes durch Einfallsreichtum und Engagement zu kompensieren.

    Politik muss Klarheit zeigen Von der Politik verlangte der Rektor ein hohes Mass an Klarheit. Dass dies nicht immer gegeben sei, zeige zum Beispiel eine Entwicklung in der Karlsruher Fakultaet fuer Maschinenbau. Dort ist mit der mit der Gruendung des Instituts fuer Mikrostrukturtechnik in Zusammenarbeit mit dem Forschungszentrum Karlsruhe ein neuer Schwerpunkt des modernen Maschinenbaus entstanden. ,Mit grosser Bestuerzung musste ich feststellen, dass wir in Karlsruhe nach den juengsten Plaenen des Ministeriums entgegen den urspruenglichen Zusagen eine Nettostellenabgabe auch aus dem Maschinenbau zugunsten der Universitaet Freiburg haben", so Wittig, dies bedeute eine Wettbewerbsverzerrung. ,Wie sollen wir der gewuenschten Schwerpunktbildung und den Wirtschaftlichkeitsargumenten entsprechen, wenn erfolgreiche Ansaetze regionalisiert werden?" Dass der moderne Maschinenbau in Karlsruhe nicht auf die Mikrostruktur- und Mikrosystemtechnik verzichten koenne, zeigen bereits die transdisziplinaeren Verknuepfungen mit den Fakultaeten fuer Elektrotechnik und Informatik sowie mit der Physik und der Chemie.

    Ganz im Sinne des Wirtschaftlichkeitsauftrags der Koalition liege auch, dass bei den derzeitigen Auslastungen in den Ingenieurwissenschaften und auch auf laengere Sicht jeder zusaetzliche Ingenieurstudienplatz in Karlsruhe erheblich geringeren Aufwand als an anderen Standorten erfordere: ,Im Klartext heisst das, dass zusaetzliche Diplomingenieure an der Fridericiana konkurrenzlos kostenguenstig ausgebildet werden koennen", plaedierte Rektor Wittig fuer den Standort Universitaet Karlsruhe, die in diesem Zusammenhang auch gegenueber den kleineren Fachhochschulen und ihren Aussenstellen im Vorteil sei.

    Enttaeuscht zeigte sich der Rektor auch von den Partnern aus der Wirtschaft, die in Veranstaltungen ihrer Verbaende, in Verlautbarungen und Reden mehr die vermute- ten Negativaspekte der Hochschulen als positive Erfahrungen in den Vordergrund stellten. Dabei gerieten die unzaehligen Beispiele erfolgreichen Technologietransfers - vor allem aber des Wissenschaftstransfers ueber die Koepfe - in den Hintergrund, obwohl hier ,vielleicht sogar einer der Schluessel fuer unseren Exporterfolg in der Vergangenheit liegt".

    Loesungsmoeglichkeiten Gemeinsam mit der Hochschulstrukturkommission muesse nach Loesungen gesucht werden, um eine angemessene Abstimmung zwischen Qualitaet und Quantitaet zu fin- den, so der Rektor. Die Universitaet hat bereits Schritte unternommen und damit be- gonnen, die einzelnen Bereiche eingehend zu analysieren. Dies erfordert jedoch ei- nen entsprechenden Gestaltungsspielraum. Zu den zu vereinbarenden Rahmenbe- dingungen und Planungsmaximen gehoert, dass

    o Veraenderungen nur mittelfristig durchgefuehrt werden koennen

    o Universitaeten weiterhin offen bleiben fuer neue Ideen und Ansaetze

    o die Kapazitaeten, die durch Umschichtungen eroeffnet werden, nicht an andere Institutionen vergeben werden

    o einmal gemachte Zusagen eingehalten werden

    o vergleichbare Massstaebe bei der Wertung eingehalten werden.

    ,Am wichtigsten erscheint es mir jedoch, dass die Bedeutung der Universitaeten als gestaltende Kraft der Gesellschaft im Bewusstsein der Oeffentlichkeit wieder verstaerkt durch die Diskussionen verankert wird", schloss der Rektor seine Ausfuehrungen zur hochschulpolitischen Entwicklung, ,fuer uns bedeutet das auch, reformbereit zu bleiben, Schwaechen zu erkennen und die Zukunft vorauszudenken. Es wird aber auch noetig sein, unsere Leistungen und Anliegen nach aussen hin aggressiv zu vertreten. Nicht sicher bin ich, ob die - zwar erfolgreichen - Protestaktionen in anderen Bundeslaendern auch fuer Baden-Wuerttemberg der richtige Weg sind. Wir wollen weiterhin durch Leistung ueberzeugen, und insbesondere wir hier in Karlsruhe erwarten, dass das von den Verantwortlichen anerkannt wird."

    Auslandsstudium Neben den hochschulpolitischen Turbulenzen griff der Rektor ein weiteres Thema auf, das in juengster Zeit zunehmend oeffentliche Aufmerksamkeit gefunden hat: Die Attraktivitaet des Studienstandortes Baden-Wuerttemberg fuer auslaendische Studienbewerber, die Wissenschaftsminister Klaus von Trotha schwinden sieht.

    Dem trat der Karlsruher Rektor mit Entschiedenheit entgegen: ,Die Fridericiana hatte im vergangenen akademischen Jahr mit 2.119 auslaendischen Studierenden die bisher hoechste Zahl ihrer Geschichte. Das entspricht einem Auslaenderanteil von 11,7 Prozent." Zieht man die Gruppe der ,Bildungsinlaender" ab, also der Studierenden, die ihre Schulausbildung in der Bundesrepublik erfahren haben, hatten die Asiaten noch vor den Europaeern den groessten Anteil unter den auslaendischen Studierenden. Nach der Volksrepublik China sind Korea, Indonesien, Vietnam, Taiwan und Indien am staerksten vertreten. Auch die Laender Nordafrikas sind relativ stark vertreten, waehrend die Studierendenzahl aus Suedamerika mit rund 100 in den vergangenen Jahren konstant geblieben ist.

    Eine genauere Analyse offenbare eine erstaunliche Entwicklung und Verschiebung innerhalb der Statistiken, die von Trothas Aussage am Karlsruher Modell widerlege: ,Besonders bemerkenswert ist, dass immer mehr auslaendische Studierende hoeherer Semester - vor allem auch aus Asien - zu uns kommen. Sie haben bereits in ihrer Heimat studiert und wollen sich in relativ kurzer Zeit unter Anrechnung ihrer bisherigen Studienleistung hoeher qualifizieren." Erfreulich sei, dass sich diese Studierenden bewusst fuer die Fridericiana entscheiden, ausserordentlich motiviert sind, vergleichsweise kurz studieren und so gut wie nie ihr Studium abbrechen. Von Trothas Appell, Baden-Wuerttemberg muesse ,wieder zum internationalen Markenzeichen fuer ausgezeichnete Hochschulen mit qualitaetsreicher Forschung und Lehre werden", habe die Fridericiana laengst eingeloest.

    Erfolge in Lehre und Forschung Die ,faszinierende intellektuelle Auseinandersetzung", der sich Studierende und Lehrende mit grosser Begeisterung stellen, bezeichnete Wittig als wichtige Grund- lage fuer ,richtungsweisende Entwicklungen" an der Universitaet. Viele wissenschaftliche Ergebnisse seien von weitreichender Bedeutung und geben, so Wittig, der Region neue Impulse.

    ,Mit grossem Nachdruck verfolgen wir derzeit einige neue Studienangebote, die neuesten Entwicklungen Rechnung tragen", sagte Wittig und nannte als Beispiel die Entwuerfe fuer einen neuen Studiengang Informationswirtschaft, die dem Ministerium zur vorlaeufigen Pruefung vorgelegt wurden, sowie die ersten Diskussionen um eine im Rahmen der Weiterbildung anzubietende Ausbildung zum ,Master of Business Ad- ministration". Er warnte allerdings davor, ,nur neue, gelegentlich auch modische Entwicklungen in den Vordergrund des Interesses zu stellen". Ueber die Qualitaet entscheide die solide Ausbildung in den Grundlagen.

    Besonders stolz zeigte sich der Rektor auf das Gutachten zur Evaluation der Lehre im Fach Informatik, das externe Gutachter im Auftrag des ehemaligen Ministeriums fuer Wissenschaft und Forschung des Landes Baden-Wuerttemberg erstellt haben. ,Die Karlsruher Informatik erfuellt ihren eigenen hohen Qualitaetsanspruch durch eine gruendliche wissenschaftliche Ausbildung einerseits und Praxiserfahrung im Karlsru- her Umfeld andererseits", heisst es im Abschlussbericht, ,die Studieninhalte werden fortlaufend diskutiert und ueberdacht; es sind grosse Studienreformaktivitaet und - bereitschaft vorhanden."

    Der Rektor verwies auf die fast endlose Liste neuer Forschungsprojekte und Aufga- ben, die in Angriff genommen werden. Sie reicht von der Sanierung von Klippenarea- len des Mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlebergbaus bis zur ,Simulation und Optimierung der transkutanen elektrischen Nervenstimulation", von der Entwicklung neuer Brennertypen bis zu leistungsstarken Reluktanzmotoren, Fahrzeugkomponen- ten, Niedrigenergiehaeusern und vielen anderen Anwendungsgebieten. ,All diese Projekte werden gegen starke Konkurrenz und nach gruendlicher Begutachtung uebernommen", unterstrich Wittig, ,das gilt insbesondere fuer die zahlreichen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefoerderten Forschungsvorhaben".

    Wie stark die Forschungsanstrengungen und Forschungsergebnisse der Fridericiana auch auf die Region ausstrahlen, verdeutlichte Rektor Wittig am Beispiel der Kom- munikations-, Informations- und Rechnertechnik: So unterzeichnete die Universitaet im Mai mit der Stadt Karlsruhe einen Vertrag zur Unterstuetzung der Stadt beim Einstieg ins Internet, waehrend das Projekt ,Internet an Schulen", in dem Universitaet und Oberschulamt Karlsruhe zusammenarbeiten, bereits ueber 440 Lehrerinnen und Lehrern im Oberschulamtsbereich Karlsruhe einen direkten Zugang zum Internet eroeffnete.

    Ein weiterer Hoehepunkt war die Gruendung des ersten ,Virtuellen Rechenzentrums" in Deutschland mit dem Forschungszentrum Karlsruhe. Ueber eine neue Hochgeschwindigkeitsleitung werden die beiden Rechenanalysen IBM SP und SNI VPP an beiden Orten gemeinsam betrieben. Damit ist es - mindestens voruebergehend - gelungen, mit beiden Anlagen die groessten ihrer Hersteller in Deutschland bzw. Europa zu betreiben.

    Nicht zu vergessen, dass Bill Gates, der Gruender der Firma Microsoft, seine Frage nach der besten Universitaet im Bereich der ,Computersciences" im Februar an die Fridericiana brachte - und damit der Universitaet eine ungeahnte Aufmerksamkeit si- cherte!

    Entwicklung der Studierendenzahlen Obwohl die Universitaet Karlsruhe von dem bundesweiten Rueckgang der Studieren- denzahlen vor allem in naturwissenschaftlichen und technischen Faechern nicht ganz so stark wie andere Universitaeten betroffen war und in diesem Jahr eine Verstetigung, in der Informatik und im Maschinenbau sogar eine Zunahme verzeichnen konnte, ist die Zahl der Studierenden auf etwa 19.000 gesunken. In den kommenden Jahren wird sie noch weiter abnehmen, so die Prognose, da die starken Jahrgaenge dann nach dem Examen die Universitaeten verlassen. ,Ich bin weit davon entfernt, die Entwicklung zu dramatisieren, dennoch muessen wir darauf achten, dass Qualitaet und Quantitaet des wissenschaftlichen Nachwuchses und der haeufig zitierte Transfer ueber die Koepfe von uns in die Wirtschaft erhalten bleibt", kommentierte Wittig den Trend, ,erste Anzeichen fuer ein wachsendes Problembewusstsein der Industrie sind zu beobachten."

    Bildungsgutscheine und Einschreibegebuehren Zum Vorschlag der Landesregierung, nach einer Studiendauer in Hoehe der Regel- studienzeit plus ein Pruefungssemester plus ein weiteres Semester Gebuehren von 1.000 Mark pro Semester zu erheben, meinte der Rektor, dass dieser Vorschlag vor allem aus hochschulpolitischen Gruenden akzeptiert werden muesse - eine Gegenposition sei auch von keinem Mitglied der Landesrektorenkonferenz bezogen worden. Dagegen bringe die Einfuehrung der sogenannten Einschreibegebuehren eine neue Qualitaet in die Diskussion, da erstmals Haushaltsfragen unmittelbar mit studentischen Belangen gekoppelt wuerden. ,Damit sind leider die frueher durch strukturelle Ansaetze gepraegten Ueberlegungen und Fragen nach ausgewogener Foerderung und Kosten in den Hintergund getreten", bedauerte Professor Wittig, ,es bleibt aber abzuwarten, ob es zu einem sinnvollen Ausgleich kommen kann."


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