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11.10.2010 09:00

DGSS fordert nationalen Aktionsplan gegen Schmerz

Meike Drießen Pressestelle
Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS)

    Acht Millionen Deutsche betroffen, 25 Milliarden Euro jährliche Kosten

    Anlässlich der Europäischen Woche gegen den Schmerz (11.-16.10.2010, siehe http://www.efic.org/ewap.php), die in diesem Jahr das Thema „Soziale Auswirkungen des Schmerzes“ hat, fordert die Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) einen Nationalen Aktionsplan gegen den Schmerz. „Mindestens acht Millionen Betroffene und geschätzte 25 Milliarden Euro jährliche Kosten durch chronischen Schmerz machen den Kampf gegen Schmerzen zu einer Aufgabe von nationalem Interesse“, unterstrich Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede, Präsident der DGSS, beim Deutschen Schmerzkongress in Mannheim.

    „Viele Aktivitäten gehen schon jetzt in diese Richtung. Sie müssen gebündelt und öffentlich sichtbar gemacht werden.“ Frankreich, Portugal, Malaysia haben schon seit Jahren einen solchen nationalen Aktionsplan, Großbritannien und die USA haben das Ziel formuliert.
    Der Aktionsplan soll in vier Schritten zu einer besseren Schmerzbekämpfung beitragen.

    1. Bewusstsein schaffen
    Der Anspruch auf Schmerztherapie ist ein Menschenrecht (EFIC, Human Rights Watch 2009). Der Sicherstellung der Therapie akuter und chronischer Schmerzen gebührt daher eine hohe Priorität im Gesundheitswesen (Chief Medical Officer UK 2009).
    • Wissenschaftliche Medizinische Fachgesellschaften, die Bundesärztekammer, die Ministerien für Gesundheit, Familie und Arbeit sowie die Medien sollen das öffentliche Augenmerkt verstärkt auf das Problem Schmerz lenken und somit ein öffentliches Bewusstsein schaffen.

    2. Forschung fördern
    Den Kosten der Schmerzerkrankungen von ca. 25 Milliarden Euro pro Jahr stehen in Deutschland ca. 8 Millionen Euro Fördermittel für die Schmerzforschung entgegen. Das entspricht 0,03 Prozent. Die Erforschung der Grundlagen der Schmerzentstehung, die klinische Forschung sowie die Versorgungsforschung müssen ausgebaut werden. Dazu gehören auch nationale Register zur Akutschmerzversorgung und zur Versorgung von Patienten mit chronischen Schmerzen (analog zu den Krebsregistern).
    • Gefordert sind das Bundesforschungsministerium sowie das Gesundheitsministerium, die Bundesärztekammer, Versicherungen und Stiftungen, die Forschung finanzieren.

    3. Aus- und Weiterbildung verbessern
    In der neuesten Fassung der Approbationsordnung vom Oktober 2003 kommt die Schmerztherapie nicht vor. 2009 wurde die Palliativmedizin in den Querschnittbereich 13 des Medizinstudiums aufgenommen – trotz zahlreicher Hinweise ließ man die Schmerztherapie aber unberücksichtigt. Die gute Nachricht: Zwei Drittel der Medizinischen Fakultäten in Deutschland unterrichten trotzdem (freiwillig) Schmerztherapie, orientiert am Kerncurriculum der DGSS, das die Grundlagen in 14 Stunden zusammenfasst. Ziel muss sein, dass jeder angehende Arzt die Grundlagen der Schmerztherapie beherrschen muss.
    Die allgemeine Schmerztherapie muss zudem Teil der Weiterbildung für alle Fachärzte und psychologischen Psychotherapeuten werden. „Es kann nicht sein, dass ein Orthopäde in seiner Facharztausbildung keine Schmerztherapie lernt“, nennt Prof. Treede ein Beispiel.
    Die Zahl der ausgebildeten Schmerzspezialisten ist in Deutschland unzureichend: Ca. 800.000 bis eine Million Patienten brauchen eine Behandlung durch hochqualifizierte Spezialisten. Demgegenüber stehen etwas über 1.000 Schmerzspezialisten, die in Deutschland bisher ausgebildet wurden.
    • Bundesgesundheitsministerium und Bundesärztekammer müssen hier an einem Strang ziehen, um die Regelungen für Aus- und Weiterbildung von Ärzten anzupassen.

    4. Versorgung verbessern
    Das Projekt „Schmerzfreies Krankenhaus“ hat gezeigt, dass eine adäquate Schmerztherapie für Patienten im Krankenhaus machbar ist (Ärzteblatt, Oktober 2010). Leider ist sie viel zu selten Realität. Es braucht klare Absprachen und interdisziplinäre Zusammenarbeit, damit in deutschen Kliniken nicht unnötig gelitten wird. Der aus dem Projekt heraus gegründete Certkom e.V. verleiht das Zertifikat „Qualifizierte Schmerztherapie“. Es wird für gute Ergebnisse verliehen, nicht für reine Prozesse.
    Und mit der Versorgung im Krankenhaus ist es nicht getan: Die Verzahnung mit den niedergelassenen Praxen und Rehabilitationseinrichtungen muss verbessert werden. Patienten müssen ambulant und stationär eine multimodale Schmerztherapie sowie die komplexe Einstellung medikamentöser Therapie erwarten können.
    Wir brauchen einen eigenen Verordnungsrahmen für spezielle Schmerztherapie: eine chronische Schmerzerkrankung lässt sich nicht einem einzelnen anderen Fachgebiet zuordnen. Sie ist eine eigenständige Erkrankung mit bio-psycho-sozialen Auswirkungen.
    • Jedes Krankenhaus kann seinen Beitrag zu einer adäquaten Schmerztherapie leisten. Zur Verbesserung der sektorübergreifenden Versorgung und des Verordnungsrahmens für Schmerztherapie sind die Spitzenverbände der Krankenkassen, die Bundesärztekammer und das Bundesgesundheitsministerium gefordert.

    Weiterführende Informationen
    • Vortrag zum Thema von Prof. Dr. Rolf-Detlef Treede (DGSS-Präsident): http://reg.mcon-mannheim.de/iebms/veranstaltungen/map/treede.html
    • European Week against Pain: http://www.efic.org/ewap.php
    • Ethikcharta: http://www.dgss.org/index.php?id=104
    • Kerncurriculum: http://www.dgss.org/index.php?id=103
    • Kursbuch spezielle Schmerztherapie: http://www.dgss.org/index.php?id=449
    • Human Rights Watch: http://www.hrw.org/en/node/81080/
    • Chief Medical Officer UK: http://www.dh.gov.uk/en/Aboutus/MinistersandDepartmentLeaders/ChiefMedicalOffice...
    • Artikel im Ärzteblatt http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?src=heft&id=78168
    • Certkom e.V.: http://www.certkom.com/
    • IASP: http://www.iasp-pain.org/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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