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08.11.2001 10:57

Intelligenz und weibliche Partnerwahl

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Intelligenz und weibliche Partnerwahl
    Warum wir dank der Frauen immer intelligenter werden

    Der Einfluß der Gene auf die menschliche Intelligenz ist ein sensibles und vielfach ideologisiertes Thema. Überlegungen und Arbeiten dazu sind im deutschen Sprachraum geradezu verpönt. Nur zögernd lösen sich die Verkrampfungen, die bisweilen sogar wissenschaftlich unstreitige Sachverhalte ignorieren.

    Aus genetischer Sicht ist Intelligenz ein komplexes Merkmal. Viele Gene und viele äußerliche Faktoren sind an der Intelligenzentwicklung beteiligt. Der Genetiker erkennt Intelligenzgene an ihrer Fehlfunktion, nämlich dann, wenn sie durch eine Mutation zu einer Intelligenzminderung bzw. geistigen Retardierung führen. Schon seit über hundert Jahren ist gut belegt, daß unter den geistig Behinderten der Anteil der männlichen Patienten erheblich überwiegt. Es wird angenommen, daß sehr viele Intelligenzgene auf dem X-Chromosom liegen. Prof. Dr. Horst Hameister, Geschäftsführender Oberarzt der Abteilung Humangenetik der Universität Ulm, und seine Arbeitsgruppe haben diese Vermutungen an Hand der zur Zeit verfügbaren genetischen Daten geprüft und - verglichen mit den Nicht-Geschlechtschromosomen - eine um den Faktor 3,1 erhöhte Anzahl von Intelligenzgenen auf dem X-Chromosom gefunden. Wenn Hameister diesen Sachverhalt im Lichte der Evolution betrachtet, kommt er zu interessanten Folgerungen.

    Seit langem ist bekannt, daß gerade auf dem X-Chromosom Gene liegen, die für die spezifische Entwicklung der einzelnen Tierart verantwortlich sind. Durch unsere geistigen Fähigkeiten zeichnen wir uns vor allen anderen Spezies aus, die Gehirnfunktion ist sozusagen unser Speziationsmerkmal. Dieses Merkmal hat sich erst seit der Trennung von unserer nächsten Verwandtschaft, dem Schimpansen, so ausgeprägt und gleichzeitig schnell entwickelt. Über die genetischen Mechanismen der Art- bzw. Speziesbildung wird seit Charles Darwin intensiv geforscht. Aus diesen Untersuchungen hat man gelernt, daß für die Entwicklung einer neuen Spezies neben vielen anderen Faktoren insbesondere die Partnerwahl eine entscheidende Rolle spielt. Wenn zum Beispiel Fischweibchen eine bestimmte neue Farbkombination der Schwanzflosse bei den Männchen bevorzugen, kann sich innerhalb weniger Generationen eine neue Art mit dieser Farbkombination herausbilden. Generell ist das weibliche Geschlecht für die Partnerwahl verantwortlich. Im langen Zeitraum der Evolution trifft dies - allen Vorurteilen zum Trotz - auch für den Menschen zu. Es ist im Tierreich und damit auch beim Menschen üblich, daß das Männchen seine besonderen Fähigkeiten zur Schau stellt, während das Weibchen auswählt. Neben der uns allen bekannten natürlichen Selektion gibt es deshalb auch eine sexuelle Selektion.

    Das hat schon Darwin erkannt und damit die teilweise prächtige Merkmalsentwicklung wie z.B. den Schwanz des Pfaus oder den Gesang der Nachtigall erklärt. Tatsächlich ist dieser sexuellen Selektion die ungeheure Vielfalt und Schönheit der Natur zu danken. Unter dem Diktat allein der natürlichen Selektion wäre die Welt inzwischen wahrscheinlich nur noch von grauen, fetten Ratten bevölkert. Insofern gibt es einen Gegensatz zwischen natürlicher und sexueller Selektion. Beim Pfau ist es der Schwanz, der durch die vom Weibchen ausgeübte Partnerwahl selektiert wurde. Wenn aber der Schwanz des Pfaus noch größer und prächtiger würde, könnte das Tier seinen Feinden nicht mehr entkommen. Das heißt, die natürliche Selektion bremst und begrenzt die Entwicklung eines besonderen, sexuell selektierten Speziationsmerkmals. Gelingt dies nicht, wird die Art ausgeschaltet. So erging es dem Riesenhirsch Megaceros im Quartär. Er hatte vermöge der auf die Merkmale der Kraft und Dominanz fixierten weiblichen Zuchtwahl am Ende ein (Schaufel-)Geweih von 3,50 Meter Breite, dessen Gewicht ihn womöglich selbst daran hinderte, sein Haupt ordentlich zu erheben.

    Ganz anders gestaltet sich die Entwicklung der menschlichen Intelligenz. Mit einer überragend ausgebildeten Intelligenz gelingt es nicht nur, für viele Frauen attraktiv zu sein und mit ihnen Nachkommen zu zeugen; dieselben Gene verleihen auch im Überlebens- respektive im täglichen Existenzkampf Erfolg. Beim Menschen ergänzen sich - einmaligerweise in der Natur - diese beiden evolutiven Kräfte, die natürliche und die sexuelle Selektion. Das hat die außerordentlich schnelle und erfolgreiche Entwicklung der menschlichen Intelligenz begünstigt. Ein Ende dieser sich exponentiell beschleunigenden Entwicklung ist nach Hameisters Überzeugung nicht abzusehen.

    Es ist nun sehr delikat zu erkennen, daß wir diese Entwicklung ausschließlich den speziellen Wünschen und Erwartungen unserer weiblichen Geschlechtspartner verdanken. Denn auf dem Y-Chromosom, das sich nur in der männlichen Linie entwickelt hat, wurde bisher kein einziges Gen gefunden, das für die Entwicklung von Intelligenz relevant ist. Das Y-Chromosom ist überladen mit Genen einzig und allein für Fertilität. Dieser genetische Sachverhalt bestätigt bekannte Untersuchungen zum IQ. Das weibliche Geschlecht zeigt bei den Intelligenzgraden eine Verteilung nach der sogenannten Gaußschen Glockenkurve (Normalverteilung). Bei den Männern hingegen ist eine größere Varianz zu beobachten: es gibt sehr viel mehr Extremfälle sowohl im unteren als auch im oberen Feld. Das spiegelt sich heutzutage in der Geschlechterverteilung der Schulabgänger mit Abitur wieder, wobei die Mädchen überwiegen. Der größere Anteil der Männer im sehr niedrigen Intelligenzbereich bestätigt den eingangs erwähnten Befund des überproportionalen Beitrags des X-Chromosoms zur Intelligenzentwicklung. Andererseits begünstigt die Möglichkeit beim Manne, nur eine einzige, besonders günstige Anordnung von X-chromosomalen Intelligenzgenen zu haben, auch außergewöhnliche Intelligenzleistungen. Daher der höhere Anteil von Männern im Bereich des hohen IQ.

    Aus genetischer Sicht, resümiert Prof. Hameister, tragen die Männer die Last der Evolution. Sie tragen ein höheres Risiko, schwach begabt bzw. geistig retardiert zu sein. Das ist freilich nur eine statistische Aussage, die für das einzelne Individuum nur dann Bedeutung hat, wenn es von der Retardation betroffen ist. Gentherapeutisch wird man in Zukunft vielleicht den an einem definierten Gendefekt leidenden geistig retardierten Patienten helfen können. Nach gegenwärtigem Erkenntnisstand für nicht vorstellbar hält es Hameister jedoch, durch Genmanipulation die allgemeine geistige Leistungsfähigkeit eines werdenden Kindes beeinflussen zu können. Den entscheidenden Einfluß übten da auch weiterhin eine wohlgeordnete Lebensweise der Mutter in der Schwangerschaft, ausgewogene Ernährung und insbesondere eine verantwortungsbewußte und intensive Erziehung des Kindes durch die Eltern aus, unterstützt durch frühe und gute Schulbildung.

    Kontakt: Prof. Dr. Horst Hameister, Tel 0731-500-23436, -25201


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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