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08.06.2011 08:48

Hungrig auf Belohnung - Insulin im Mittelhirn beeinflusst Essverhalten

Dr Harald Rösch Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

    Kölner Max-Planck-Forscher entdecken Insulin als Botenstoff in Nervenzellen des Mittelhirns und finden einen Zusammenhang zu dem Belohnungssystem

    Sind wir noch hungrig oder schon satt? Das Gehirn steuert das Essverhalten und drosselt beizeiten unseren Appetit, wenn der Körper genügend Energie aufgenommen hat. Seine Informationen über den Sättigungsgrad erhält es über verschiedene Botenstoffe, von denen das Insulin eine wichtige Rolle spielt. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln und des Exzellenzclusters CECAD der Universität zu Köln fanden nun an Mäusen heraus, dass Insulin nicht nur, wie bisher bekannt, im Hypothalamus als Signalgeber des Energiestoffwechsels wirksam ist, sondern auch in Dopamin-produzierenden Zellen des Mittelhirns. Ein Ausschalten der Insulin-Rezeptoren in diesen Nervenzellen führt zu Gefräßigkeit und Übergewicht.

    Das Hormon Insulin, das in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird, spielt eine Schlüsselrolle bei der Regulierung des Blutzuckerspiegels. Störungen in diesem System können zu Übergewicht und zu Diabetes mellitus führen. Bereits seit einigen Jahren wissen die Forscher, dass diese Regulation des Energiegleichgewichts sich nicht nur im Muskel- und Fettgewebe abspielt. Das Team um Jens Brüning, Direktor am Max-Planck-Institut für neurologische Forschung und Leiter des Exzellenzclusters CECAD („Cellular Stress Responses in Aging-Associated Diseases“) an der Universität zu Köln, konnte zeigen, dass im Hypothalamus – einer wichtigen Schaltzentrale im Zwischenhirn – Insulin-Rezeptoren auf bestimmten Zellen vorhanden sind. Insulin passiert demnach die Blut-Hirn-Schranke, bindet an Nervenzellen und gibt dort das Signal für Sättigung. Sind diese Rezeptoren nicht vorhanden, fehlen dem Gehirn die entscheidenden Informationen, um die Weichen auf „satt“ zu stellen: Es kommt zu weiterer Nahrungsaufnahme und in der Folge zu Übergewicht.

    In der aktuellen Veröffentlichung haben die Kölner Wissenschaftler nun einen weiteren Insulin-abhängigen Regelkreis im Gehirn gefunden, und zwar in dopaminergen Zellen des Mittelhirns. „Wir haben damit einen Mechanismus entdeckt, der dem im Hypothalamus übergeordnet ist“, erklärt Christine Könner, Erstautorin der Publikation, die im Kölner Team um Jens Brüning forscht. Dabei ist außerdem ein Zusammenhang zum „Belohnungssystem“ hergestellt worden. Denn die untersuchten Nervenzellen enthalten Dopamin, einen Neurotransmitter, der als „Glückshormon“ bekannt ist und beim Suchtverhalten eine Rolle spielt. Ob das Insulin hemmend oder aktivierend auf dopaminerge Zellen wirkt, war bisher nicht bekannt. Klar ist den Wissenschaftlern bereits jetzt, dass sie einen weiteren wichtigen Mosaikstein in der komplexen Regulation des Energiegleichgewichts gefunden haben.

    Für ihre Studie haben die Kölner Forscher sich die Methode der Knock-out-Mäuse zunutze gemacht. Um die Rolle von Insulin im lebenden Tier herauszufinden, wurden die Insulin-Rezeptoren in den Dopamin-produzierenden Nervenzellen des Mittelhirns gezielt ausgeschaltet. In diesen Zellen werden die Insulin-Rezeptoren zusammen mit der Tyrosinhydroxylase gebildet – einem Schlüsselenzym und Marker für die Dopamin-Synthese. Das zentrale Resultat der Versuche: Die Knock-out-Mäuse wurden gefräßiger und nahmen stärker an Gewicht und Fettmasse zu als ihre nicht manipulierten Artgenossen mit intakten Insulin-Rezeptoren. Ganz offensichtlich spielt also das Insulin auch in diesen Zellen eine entscheidende Rolle in der Kontrolle von Nahrungsaufnahme und Energiegleichgewicht. Die Knock-out-Mäuse reagierten außerdem unter bestimmten Versuchsbedingungen anders auf eine Zuckerlösung und auf Kokain. Beide Ergebnisse sind für die Wissenschaftler Hinweise darauf, dass Insulin als Botenstoff eine direkte Rolle im Belohnungssystem des Gehirns spielt.

    Es bleiben offene Fragen: Warum es ein weiteres regulierendes System im Gehirn gibt, können die Wissenschaftler derzeit noch nicht genau erklären. Die Arbeitshypothese lautet: Der Hypothalamus hält das Energiegleichgewicht im Körper stabil und die Nahrungsaufnahme und der Energieumsatz des Körpers werden dem Energiestatus entsprechend angepasst. Über die dopaminergen Zellen des Mittelhirns scheint das Gehirn dann die Signale des Belohnungssystems zu integrieren. „Die Signale aus dem Mittelhirn können das hypothalamische System überrennen“, erklärt Könner. So kommt es vielleicht bei entsprechender Belohnung zu erhöhter Nahrungsaufnahme, auch wenn eigentlich genügend Energie vorhanden ist, nach dem Motto: „Wir sind längst satt und essen dennoch Schokolade.“

    Originalveröffentlichung
    A. Christine Könner, Simon Hess, Sulay Tovar, Andrea Mesaros, Carmen Sánchez-Lasheras, Nadine Evers, Linda A.W. Verhagen, Hella S. Brönneke, André Kleinridders, Brigitte Hampel, Peter Kloppenburg und Jens C. Brüning: Role for insulin signaling in catecholaminergic neurons in control of energy homeostasis.
    Cell Metabolism, 7. Juni 2011

    Ansprechpartner
    Dr. Christine Könner
    Universität zu Köln
    Telefon: +49 221 4704586
    Fax: +49 221 470 5185
    E-Mail: christine.koenner@uni-koeln.de

    Prof. Jens C. Brüning, M.D.
    Max-Planck-Institut für neurologische Forschung
    Telefon: +49 221 4726200
    Fax: +49 221 470 5185
    E-Mail: bruening@nf.mpg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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