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16.08.2011 10:57

Macht Geld schlank?

Susann Huster Pressestelle
Universität Leipzig

    Die Adipositas-Epidemie greift um sich, weltweit und auch in Deutschland. Geforscht wird mit Nachdruck, denn das Krankheitsbild ist vielschichtig und die Behandlungsmethoden sind noch immer beschränkt. Um dem Problem beizukommen, denken Ärzte und Politiker immer wieder auch über finanzielle Anreize zum Abnehmen oder zur gesünderen Ernährung nach. Doch lassen sich ausgerechnet Gewichtsprobleme finanziell lösen? Der Gesundheitsökonom Professor Hans-Helmut König steht Ideen wie Fettsteuer und Zahlungen für verlorene Pfunde kritisch gegenüber. Letztlich sei es weniger das Geld, sondern vielmehr die erworbene Bildung, die schlank mache.

    Professor König ist Leiter des Forschungsprojekts "Ökonomie von Übergewicht und Adipositas" des Integrierten Forschungs- und Behandlungszentrums (IFB) AdipositasErkrankungen Leipzig.

    Herr Professor König, Sie sind Gesundheitsökonom. Macht Geld schlank?

    In den Industriestaaten kommen Übergewicht und Adipositas bei Personen mit niedrigem Einkommen deutlich häufiger vor.
    Insofern könnte man zu dem Schluss kommen, dass Geld schlank macht. Eine denkbare Begründung wäre, dass hochkalorische, fettreiche Lebensmittel vergleichsweise billig sind und die Haushaltskasse weniger belasten als etwa Obst und Gemüse, bei denen die Kosten pro Kalorie deutlich höher liegen. Wichtiger ist jedoch in diesem Zusammenhang, dass höhere Einkommen in der Regel eine Folge des erworbenen Bildungsgrades sind. Bildung beeinflusst auch relevante Einstellungen wie das Gesundheitsbewusstsein oder das Ernährungs- und Bewegungsverhalten. Man kann schon sagen, dass im Allgemeinen das Gesundheitsbewusstsein und damit verbundene gesunde Verhaltensweisen in höheren Bildungsschichten stärker ausgeprägt sind. Soziale Netzwerke können gesundheitsbewusstes Verhalten zusätzlich verstärken. Letztlich macht also weniger das Einkommen als vielmehr die erworbene Bildung schlank. Mehr Geld kann jedoch mehr Möglichkeiten für einen gesunden Lebensstil bieten. Wer mehr Geld verdient, kann sich zum Beispiel ein Haus mit Garten und viel Raum für Bewegung leisten. Und er kann natürlich auch gesündere und oftmals teurere Lebensmittel kaufen.

    Halten Sie es denn prinzipiell für möglich, sinnvoll und erfolgversprechend, ökonomische Anreize in die Behandlung von Adipösen zu integrieren?

    Die Ergebnisse entsprechender Studien sind bisher leider nicht sehr überzeugend: Es gibt diverse Studien, in denen der Effekt von finanziellen Anreizen auf den Gewichtsverlust analysiert wurde - größtenteils in Kombination mit Verhaltensprogrammen - die nach 12 bzw. 18 Monaten keinen signifikanten Effekt hinsichtlich der Gewichtsreduktion gezeigt haben. Personen, denen finanzielle Anreize angeboten wurden, haben also nicht deutlich mehr Gewicht verloren als Personen, denen man keine finanziellen Anreize geboten hat. Generell hängt die Wirkung solcher Programme aber sicherlich von deren genauen Ausgestaltung und nicht zuletzt von der Höhe der finanziellen Anreize ab. Hier besteht aber noch weiterer Forschungsbedarf. Sind die finanziellen Anreize sehr hoch, so sind die Programme möglicherweise effektiver, aber auch teurer. Dann könnte es sein, dass sich solche Programme einfach nicht rechnen im Vergleich zu verfügbaren Alternativen, wie etwa Verhaltensprogramme ohne finanzielle Anreize oder auch steuerliche Maßnahmen.Wie sähe ein Finanzierungsmodell aus? Ich meine, irgendwoher muss das Geld ja kommen.

    Für die Finanzierung eines solchen Programms ließen sich wohl am ehesten Institutionen gewinnen, die von den Effekten profitieren würden. Das könnte sich eventuell für ein Unternehmen lohnen, wenn die Kosten eines solchen Programms durch gesteigerte Produktivität der Mitarbeiter überkompensiert würden. Auch für die Krankenversicherung könnte solch ein Programm interessant sein, wenn sich dadurch medizinische Versorgungskosten einsparen lassen.

    Verlassen wir die Subjektebene und schauen uns die ganze Gesellschaft an: In Dänemark gibt es seit diesem Juli eine Fettsteuer. In der Begründung heißt es, Fett schade der Gesundheit, gehöre zu den Hauptursachen für viele Volkskrankheiten und trage so im Gesundheitssystem jährlich zu enormen Kosten bei. Mit der Steuer wolle man daher das Einkaufsverhalten der Verbraucher lenken. Wäre das für Deutschland denkbar? Und: Wäre das die Lösung allen Übels?

    Durch eine Besteuerung wird der Preis erhöht, was in der Regel die Nachfrage senkt. Grundsätzlich hat sich dieser Ansatz insbesondere bei Tabakprodukten bewährt. Besonders bei Jugendlichen, die aufgrund ihres geringen Einkommens empfindlicher auf Preissteigerungen reagieren, erzielte die Besteuerung einen Nachfragerückgang. Im Gegensatz zu Tabak und Alkohol sind Fette aber ein wichtiger Bestandteil vieler Grundnahrungsmittel. Die Besteuerung bzw. deren Effekte sind demnach ungleich komplexer und können auch unbeabsichtigte Folgen beinhalten. Die Besteuerung von Grundnahrungsmitteln ist insofern problematisch als sie einkommensschwache Bevölkerungsgruppen stärker belastet und damit als sozial ungerecht betrachtet werden könnte.

    Stichwort Tabak- und Alkoholsteuer: Gibt es deswegen weniger Raucher oder Alkoholabhängige?

    Wahrscheinlich ja. Die Raucherzahlen nehmen seit vielen Jahren stetig ab, während im gleichen Zeitraum die Tabaksteuer stark zugenommen hat. Neben der höheren Besteuerung gab es jedoch viele weitere Maßnahmen, insbesondere Aufklärungskampagnen und Rauchverbote in öffentlichen Räumen, um die Raucherzahlen zu senken. Die Effekte der einzelnen Maßnahmen auf den Tabakkonsum lassen sich nur schwer voneinander trennen. Ähnlich wird es sich wohl für die Besteuerung von ungesunden Lebensmitteln, wie zum Beispiel von Fett in Dänemark, verhalten. Der Effekt der Besteuerung auf die Gewichtsreduktion lässt sich nur sehr schwer von anderen präventiven Maßnahmen trennen.

    Das Interview führte Carmen Brückner.

    Zur Person:

    Prof. Dr. med. Hans-Helmut König arbeitet am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf im Institut für Medizinische Soziologie, Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie. Er ist Arzt und Gesundheitsökonom.
    Sein Forschungsprojekt für das IFB lautet: Ökonomie von Übergewicht und Adipositas. Darin wird untersucht, welche Kosten durch Adipositas für die Gesundheitsversorgung in Deutschland anfallen und wie die Behandlung von Adipositas kosteneffektiver als bisher durchgeführt werden kann.

    Das IFB AdipositasErkrankungen ist ein gemeinsames Zentrum der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig und des Universitätsklinikums Leipzig AöR. Es wird als eines von acht Integrierten Forschungs- und Behandlungszentren in Deutschland vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Ziel der Bundesförderung ist es, Forschung und Behandlung interdisziplinär so unter einem Dach zu vernetzen, dass Ergebnisse der Forschung schneller als bisher in die Behandlung integriert werden können. Das IFB AdipositasErkrankungen betreibt derzeit über 40 Forschungsprojekte und wird mit über 120 Mitarbeitern das Feld der Adipositasforschung und -behandlung in den nächsten Jahren kontinuierlich ausbauen.

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    Weitere Informationen:
    Doris Gabel
    Presse- und Öffentlichkeitsarbeit IFB
    Telefon: +49 341 97-13361
    E-Mail: presse@ifb-adipositas.de
    www.ifb-adipositas.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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