idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.05.1997 00:00

"Eingebildete Krankheiten" bald heilbar?

Dorothea Carr Dezernat 8 - Hochschulkommunikation
Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

    Das "Unbewusste" erstmals wissenschaftlich nachgewiesen - Experiment gerade abgeschlossen

    Viele Aerzte kennen das Problem: Der Patient fuehlt sich nicht wohl, klagt ueber diffuse Beschwerden, oft im Oberbauch, hinzu kommen Herz-/Kreislauf- oder Schluckbeschwerden. Doch eine organische Ursache ist nicht feststellbar. Was dann folgt ist oft eine jahrelange Odyssee der Patienten, aufwendige Apparatemedizin und enorme Kosten.

    Wie die Weltgesundheitsorganisation WHO auf einem Symposium im Februar dieses Jahres feststellte, duerften rund 20% der Patienten einer Allgemeinmedizinischen Praxis unter solchen somatoformen Erkrankungen leiden - und dies gilt weltweit. "Diese Patienten leiden wirklich, fuehlen sich nicht ernstgenommen und sind oft in ihrer Lebensfuehrung stark beeintraechtigt," bescheinigt Professor Oskar Berndt Scholz, Direktor der Abteilung Klinische und Angewandte Psychologie des Psychologischen Instituts der Universitaet Bonn. Seine Abteilung hat im April eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefoerderte Untersuchung zu dieser seltsamen Erkrankung abgeschlossen.

    Ziel der Studie mit fast 70 Betroffenen und einer mehr als doppelt so grossen, als repraesentativ ausgewaehlten Kontrollgruppe war es, zunaechst ein sicheres Diagnoseverfahren zu entwickeln. Dies scheint gelungen und so ganz nebenbei konnte erstmals die Wirkung des Unbewussten wissenschaftlich exakt nachgewiesen werden. Vorstudien legten den Verdacht nahe, dass Patienten mit somatoformen Stoerungen Informationen unbewusst anders verarbeiten als gesunde Personen. Die Bonner Psychologen entwickelten deshalb eine Methode, bei der den Versuchspersonen akustische Reize dargeboten werden, die dem bewussten Erleben nicht zugaenglich sind. Die gewaehlten akustischen Stimuli bestanden aus insgesamt 240 "Woertern", darunter 30, die als gesundheitsbezogen bedrohlich getestet wurden ( z.B. Tod, Klinik, Operation), 30 gesundheitsbezogen nicht-bedrohliche Woerter (z.B. Sport, Seife, Hygiene), ebenso viele Woerter, die den Probanden zuvor nicht genannt wurden und 60 sogenannten Non- Woertern ( z.B. Seige, Tuerste, Angsall), die sich aus Teilen der echten Woerter zusammensetzten. Diese akustischen Reize wurden nun ueber ein sehr aufwendiges technisches Verfahren mit einem konstanten Signal-Rausch-Abstand maskiert.

    Das Verfahren wurde eigens fuer dieses Projekt entwickelt, da die sonst ueblichen Methoden der Signalmaskierung beispielsweise durch Ueberlagerung mit konstantem Rauschen, nicht voellig eine bewusste Informationsverarbeitung ausschliessen. Die Probanden sollten per Knopfdruck entscheiden, ob es sich bei den dargebotenen akustischen Reizen um Woerter oder Non-Woerter handelt. Um die physiologische Wirkung der Reize auf das Herz-/Kreislaufsystem festzustellen, wurden gleichzeitig Fingerblutdruck, EKG und Atmung gemessen. Dabei zeigte sich, dass gesundheitsbezogen bedrohliche, akustisch dargebotene Stimuli von erkrankten Personen signifikant haeufiger erkannt wurden als von gesunden Probanden. Dies machte sich beispielsweise auch in einer Erhoehung des Blutdrucks bemerkbar. Wurden die gleichen Reize unmaskiert gehoert, reagierten beide Gruppen - auch physiologisch - gleich. Dies beweist, dass die Bonner Psychologen mit ihrer Methode offensichtlich ein Phaenomen messen, das die Probanden nicht willentlich beeinflussen koennen, das aber dennoch starken Einfluss auf sie ausuebt. Mit dem Verfahren wurde eine Diagnosemoeglichkeit gefunden, die es gestattet, in knapp 30 Minuten eine gesicherte Aussage darueber zu treffen, ob es sich tatsaechlich um einen Patienten mit einer somatoformen Stoerung handelt oder etwa um jemanden mit einem anderen psychischen Leiden. Mit der Moeglichkeit der exakten Diagnose ist der erste Schritt in Richtung auf eine moegliche Therapie getan.

    Die statistische Auswertung der psychologischen und physiologischen Daten wird voraussichtlich Ende August abgeschlossen sein.

    Ansprechpartner: Prof. Dr. O.B. Scholz, Tel: 0228-734 145


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Psychologie
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).