idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.03.2012 13:47

Kleine Moleküle, große Ehre

Gunnar Bartsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Cynthia Sharma ist Nachwuchsgruppenleiterin am Zentrum für Infektionsforschung der Universität Würzburg. Als eine von sechs exzellenten jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat die Bayerische Akademie der Wissenschaften sie jetzt in ihr Förderkolleg berufen.

    Sie zeichnen sich durch eine avancierte Fragestellung aus; von ihnen ist ein erheblicher Einfluss auf die weitere Wissenschaftsentwicklung zu erwarten; sie besitzen innovativen und kreativen Charakter: Diese Voraussetzungen müssen Forschungsprojekte erfüllen, wenn sie in den Genuss einer Förderung durch die Bayerische Akademie der Wissenschaften gelangen wollen.

    Wissenschaftler, die sich um die Aufnahme in das Förderkolleg der Akademie bewerben, sollten darüber hinaus folgende Bedingungen erfüllen: Sie dürfen nicht älter als 34 Jahre sein, müssen in Bayern leben und an einer bayerischen Universität oder außeruniversitären Forschungseinrichtung an ihrer wissenschaftlichen Karriere arbeiten. Dafür haben sie sich auf Grundlage einer breiten wissenschaftlichen Bildung durch eine herausragende Promotion qualifiziert. So heißt es zumindest in einem Info-Flyer der Akademie.

    Cynthia Sharmas Forschung

    Cynthia Sharma erfüllt all diese Kriterien: Sie ist 33 Jahre alt, ihre Doktorarbeit, in der sie sich mit kleinen regulatorischen RNAs in Bakterien beschäftigt hat, hat die Bestnote „summa cum laude“ erhalten, und seit Juni 2010 leitet sie ihre eigene Forschungsgruppe am Zentrum für Infektionsforschung der Universität Würzburg. Auch dort untersucht sie jene besondere Art von Ribonukleinsäuren in Bakterien und konzentriert sich dabei vor allem auf zwei bakterielle Krankheitserreger:

    Helicobacter pylori – ein Bakterium, das rund die Hälfte der Menschheit in sich trägt, und Campylobacter jejuni, ein verwandtes Bakterium, das die derzeit häufigste Ursache für bakterielle Durchfallerkrankungen ist. „Helicobacter besitzt die Fähigkeit, im sauren Milieu zu überleben. Dadurch kann es den menschlichen Magen besiedeln und dort Magengeschwüre und Magenkrebs verursachen“, erklärt Sharma.

    Überraschende Entdeckung

    Cynthia Sharma interessiert sich in erster Linie für die molekularbiologischen Vorgänge in diesen Bakterien. Zusammen mit ihrem Doktorvater Professor Jörg Vogel, dem Leiter des Instituts für Molekulare Infektionsbiologie in Würzburg, und Wissenschaftlern aus Leipzig und Bordeaux war es ihr vor zwei Jahren erstmals gelungen, kleine regulatorische RNA-Moleküle – im Englischen small RNAs oder sRNAs – in Helicobacter pylori nachzuweisen.

    Hierfür entwickelten die Forscher einen neuen Ansatz, basierend auf einer speziellen Technik, die eine parallele Entzifferung von Millionen von RNA-Molekülen in der Zelle erlaubt. Die Entdeckung von mehr als 60 verschiedenen sRNA-Molekülen in Helicobacter war für die Wissenschaft eine große Überraschung, da zuvor angenommen wurde, dass dieses Bakterium keine regulatorischen RNAs besitze. Außerdem konnte die Forschergruppe mit Hilfe ihres neuen Ansatzes erstmals sämtliche Genstartpunkte im Helicobacter-Genom kartieren (Sharma et al., 2010, Nature).

    Aufgaben kleiner RNA-Moleküle

    Vereinfacht dargestellt, benutzen Bakterien kleine RNA-Moleküle, um ihre Genexpression zu kontrollieren und an wechselnde Lebens- oder Stressbedingungen anzupassen. Kleine RNA-Moleküle binden meist an bestimmte Abschnitte in den Boten-RNAs und beeinflussen somit die Synthese bestimmter Proteine. Auf diese Weise können sie Gene aus- oder anschalten. Allerdings sind die Wissenslücken in diesem Bereich noch groß: „Die Funktionen und Mechanismen der meisten RNAs in Helicobacter und in vielen anderen Pathogenen sind bislang noch völlig unbekannt“, sagt Sharma.

    Das möchte die promovierte Biologin in den kommenden Jahren mit ihrer Arbeitsgruppe ändern: Welche Funktionen besitzen die neu entdeckten sRNA-Moleküle in Helicobacter? Welche Zielgene regulieren sie? Wie werden sie selbst reguliert? Und welche Bedeutung haben sie für das krankheitserregende Potenzial des Bakteriums? Auf diese Fragen sucht Sharmas Arbeitsgruppe nach Antworten.

    Wie sie dabei vorgeht? „Wir setzen das Bakterium verschiedenen Stress- oder Wachstumsbedingungen aus und untersuchen dann, welches sRNA-Molekül vermehrt zu finden ist und welches weniger“, sagt sie. Stress kann für ein Bakterium wechselnde Lebensbedingungen heißen, wie beispielsweise pH-Schwankungen oder Temperaturveränderungen, ein Mangel an bestimmten Nährstoffen oder auch ein Angriff der Immunabwehr.Die Veränderung der sRNA-Mengen erlaubt den Forschern, Rückschlüsse auf mögliche Zielgene oder Prozesse, die durch die sRNA reguliert werden, zu ziehen.

    Außerdem generieren Sharma und ihre Mitarbeiter Bakterien-Mutanten, in denen das entsprechende sRNA-Gen besonders häufig oder besonders selten abgelesen wird und schauen nach, welche Proteine oder Boten-RNAs vermehrt oder vermindert auftreten.

    Angriffspunkte für neue Therapien

    Ziel der Arbeit ist es unter anderem, diejenigen sRNAs zu identifizieren, die dafür verantwortlich sind, dass ein Bakterium beim Menschen Durchfall oder Magengeschwüre verursacht. „Wenn bekannt ist, welche sRNAs bestimmte Krankheitsbilder auslösen oder eine Rolle in der Virulenz spielen, stellen sie neue Angriffspunkte für die Diagnostik oder Therapieansätze dar“, erklärt Sharma. Gerade in Zeiten, in denen immer mehr Bakterienstämme gegen die gängigen Antibiotika resistent werden, seien neue Therapieansätze dringend gesucht.

    Neben den Funktionen der sRNAs interessieren sich Sharma und ihre Arbeitsgruppe außerdem für Proteine, die an der sogenannten Riboregulation beteiligt sind. „Helicobacter fehlt, wie 50 Prozent aller Bakterien, ein zentrales RNA-bindendes Protein, das die sRNAs zahlreicher anderer Bakterien für die Genregulation oder ihre eigene Stabilität benötigen“, sagt Sharma. Daher suchen sie und ihre Mitarbeiter nach anderen Proteinen, die diese Funktion übernehmen könnten.

    „Unser Ziel ist es, Helicobacter und Campylobacter als neue Modellorganismen für die Riboregulation in pathogenen Bakterien zu etablieren“, erklärt Sharma. Haben die Wissenschaftler die Mechanismen erst einmal am Beispiel von Helicobacter und Campylobacter aufgeschlüsselt, kann dies zum Verständnis von Virulenzmechanismen anderer Krankheitserreger beitragen, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten.

    Das Förderkolleg der Bayerischen Akademie

    Im Jahr 2010 hat die Bayerische Akademie der Wissenschaften das Förderkolleg ins Leben gerufen. Sechs exzellente Nachwuchswissenschaftler nimmt sie jedes Jahr neu in das Programm auf. Die Kollegiaten erhalten für mindestens drei Jahre 1000 Euro monatlich, die sie frei nach ihren Vorstellungen verwenden dürfen – sei es für Labormaterialien, zum Besuch von Konferenzen oder für eine Tagesmutter für den eigenen Nachwuchs.

    Regelmäßige Treffen sollen den interdisziplinären wissenschaftlichen Austausch fördern; Mentoren stehen den Nachwuchswissenschaftlern mit Rat und Tat zur Seite.

    Kontakt

    Dr. Cynthia Sharma, T: (0931) 31-82560, E-Mail: cynthia.sharma@uni-wuerzburg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.imib-wuerzburg.de/research/sharma/ Cynthia Sharmas Homepage


    Bilder

    Kleine regulatorische RNA-Moleküle haben es Cynthia Sharma angetan. Sie will deren Funktion und Mechanismen entschlüsseln.
    Kleine regulatorische RNA-Moleküle haben es Cynthia Sharma angetan. Sie will deren Funktion und Mech ...
    Foto: icue-medien; Melanie Schmidt
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).