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14.09.2012 09:00

Schneller lernen mit neurodegenerativer Krankheit

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Menschen, die die genetische Mutation für die Huntington-Krankheit in sich tragen, lernen schneller als gesunde Personen. Das berichten Forscher der Ruhr-Universität Bochum und aus Dortmund in der Zeitschrift Current Biology. Je stärker die Mutation ausgeprägt war, desto schneller lernten die Probanden. Damit zeigte das Team erstmals, dass neurodegenerative Krankheiten mit einer gesteigerten Lernleistung einhergehen können.

    Schneller lernen mit neurodegenerativer Krankheit
    RUB-Forscher untersuchen Menschen mit Mutation für Huntington-Krankheit
    Schwere der genetischen Mutation hängt mit Lernleistung zusammen

    Menschen, die die genetische Mutation für die Huntington-Krankheit in sich tragen, lernen schneller als gesunde Personen. Das berichten Forscher der Ruhr-Universität Bochum und aus Dortmund in der Zeitschrift Current Biology. Je stärker die Mutation ausgeprägt war, desto schneller lernten die Probanden. Damit zeigte das Team erstmals, dass neurodegenerative Krankheiten mit einer gesteigerten Lernleistung einhergehen können. „Es könnte sein, dass die gleichen Mechanismen, die zu den degenerativen Veränderungen im zentralen Nervensystem führen, auch die wesentlich bessere Lernleistung bewirken“, sagt Dr. Christian Beste, Leiter der Emmy Noether-Nachwuchsgruppe „Neuronal Mechanisms of Action Control“ an der RUB.

    Passives Lernen durch wiederholte Reizdarbietung

    In einer vorangegangenen Studie berichteten die Bochumer Psychologen, dass die Leistung des menschlichen Sehsinns nachhaltig verändert werden kann, indem man Probanden für kurze Zeit wiederholt bestimmte visuelle Reize präsentiert (wir berichteten im Mai 2011, http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2011/pm00136.html.de). Aufgabe der Teilnehmerinnern und Teilnehmer war es, Helligkeitsveränderungen in den Reizen zu entdecken. Das konnten sie besser, wenn sie die Reize zuvor eine Weile passiv angeschaut hatten. Die gleiche Aufgabe stellten die Forscher nun 29 Probanden mit der genetischen Mutation für die Huntington-Krankheit, die jedoch noch keine Symptome zeigten. Außerdem testeten sie 45 Kontrollpersonen ohne vergleichbare Mutation im Erbgut. Bei beiden Personengruppen war die Lernleistung nach passiver Reizdarbietung besser als ohne das passive Training. Probanden mit Huntington-Mutation steigerten ihre Leistung jedoch doppelt so schnell wie Personen ohne diese Mutation.

    Glutamat könnte paradoxen Effekt vermitteln

    Degenerativen Erkrankungen des Nervensystems liegen vielschichtige Veränderungen zu Grunde. Ein wesentlicher Mechanismus ist eine erhöhte Freisetzung des Botenstoffs Glutamat. Da Glutamat aber auch wichtig für das Lernen ist, könnte es in bestimmten Fällen zu dem paradoxen Effekt kommen: bessere Lernleistung trotz Degeneration der Nervenzellen.

    Helligkeitsunterschiede unter erschwerten Bedingungen aufspüren

    In jedem Versuchsdurchgang sahen die Probanden hintereinander zwei kleine Balken auf einem Computerbildschirm, die entweder gleich hell oder unterschiedlich hell waren. Manchmal änderte sich jedoch nicht nur die Helligkeit von Balken eins zu Balken zwei, sondern auch die Orientierung des Balkens (senkrecht oder waagerecht). „Normalerweise zieht der Ablenkreiz, also die Orientierungsänderung, ganz die Aufmerksamkeit auf sich“, erklärt Christian Beste. „Doch nach dem passiven Training mit den visuellen Reizen spielt der Ablenkreiz gar keine Rolle mehr.“ Die Verschiebung der Aufmerksamkeit von den nicht relevanten zu den relevanten Eigenschaften des Reizes wurde auch im Elektroenzephalogramm (EEG) sichtbar, nämlich in Hirnarealen für die frühe visuelle Verarbeitung.

    Stärkere Mutation, bessere Leistung

    Bei der Huntington-Krankheit kommt ein kurzer Abschnitt eines Gens wiederholt vor. Die Anzahl der Wiederholungen bestimmt, wann die Krankheit ausbricht. In der vorliegenden Studie ging eine größere Anzahl an Wiederholungen jedoch auch mit einer besseren Lernleistung einher. „Das zeigt, dass es bei neurodegenerativen Veränderungen zu paradoxen Effekten kommen kann“, sagt Christian Beste. „Die Alltagsmeinung, dass neurodegenerative Veränderungen grundsätzlich mit Verschlechterungen in unterschiedlichen Funktionen einhergehen, kann in dieser dogmatischen Form nicht mehr aufrechterhalten werden.“

    Titelaufnahme

    C. Beste, E. Wascher, H.R. Dinse, C. Saft (2012): Faster perceptual learning through excitotoxic neurodegeneration, Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2012.08.012

    Weitere Informationen

    Dr. Christian Beste, Institut für Kognitive Neurowissenschaft, Abt. Biopsychologie, Fakultät für Psychologie der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-24323
    Christian.Beste@rub.de

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    Frühere Presseinformation zum Thema
    http://aktuell.ruhr-uni-bochum.de/pm2011/pm00136.html.de

    Redaktion: Dr. Julia Weiler


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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