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22.11.2012 17:30

DGPPN-Preis für Philosophie in der Psychiatrie 2012

Franziska Hoffmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)

    Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) hat in Verbindung mit der Stiftung für Seelische Gesundheit sowie in Zusammenarbeit mit der „Gesellschaft für Philosophie und Wissenschaften der Psyche“ nun zum zweiten Mal den mit insgesamt 4.000 Euro dotierten DGPPN-Preis für Philosophie in der Psychiatrie 2012 vergeben. Zwei Preisträger wurden ausgezeichnet. Der Preis wurde am 22. November 2012 im Rahmen der DGPPN Jahrestagung verliehen.

    Nach welchen Kriterien sollten Krankheiten und psychische Störungen klassifiziert werden? Im Artikel „In Quest of ‘Good’ Medical Classification Systems“ (2011, Medicine Studies 3(1): 53-70) geht Lara Keuck (geb. Kutschenko) dieser Frage nach. Am Beispiel der Klassifikation von Demenz bei Alzheimer-Krankheit diskutiert sie, wie methodologische Probleme der Kategorisierung – z.B. die Etablierung von verlässlichen diagnostischen Tests – mit Schlüsselthemen der Philosophie der Medizin und Psychiatrie verquickt sind: Was bedeutet es Krankheitsgruppen zu bilden angesichts der Tatsache, dass sich Krankheiten in Individuen manifestieren und daher zwei Fälle nie absolut identisch sind? Keuck zeigt anhand der derzeitigen Fokussierung auf neurokognitive Defizite bei der Klassifikation der Alzheimer-Krankheit, dass es unterschiedliche gemeinsame Nenner zwischen Krankheitsfällen geben kann – und dass deren Bewertung davon abhängt, in welchem Kontext und zu welchem Zweck Störungen klassifiziert werden. Doch was ist die richtige Art und Weise, Krankheiten innerhalb von Klassifikationssystemen wie ICD oder DSM zu systematisieren, die in einer Vielzahl unterschiedlicher Kontexte angewendet werden? Hier argumentiert Keuck, dass eine unscharfe Klassifikation, wie ICD, Kontextspezifischer angewendet werden kann, da sie ein höheres Maß an Flexibilität erlaubt als eine rigidere Klassifikation, wie DSM. Grundsätzlich, so Keuck, sollten medizinische Klassifikationen nicht als wertneutrale Taxonomien wahrgenommen werden, die beschreiben, was es für psychische Störungen wirklich gibt. Wer jedoch weiß, auf welchen Prämissen Klassifikationssysteme beruhen, kann sie vernünftig und verantwortungsvoll einsetzen, was insbesondere bei nicht-einwilligungsfähigen Patienten in der Psychiatrie von besonderer Bedeutung ist.

    Weitere Preisträgerin ist Kerrin A. Jacobs, in Zusammenarbeit mit Achim Stephan, Asena Paskaleva und Wendy Wilutzky.

    Die Untersuchung “Existential and Atmospheric Feelings in Depressive Comportment” von Kerrin A. Jacobs et al. zielt auf eine neuartige Systematisierung affektiven Erlebens in der Depression ab. Zentral Bedeutung hat Martin Heideggers Begriff der Verhaltung als konzeptueller Ausgangspunkt einer feinkörnigen Differenzierung affektiver Intentionalität in der Depression. Die Heterogenität depressiven Erlebens – das veränderte affektive Erleben, das Verhaltensrepertoire wie auch die zugrunde liegenden spezifischen Bewertungsmuster depressiver Personen – wird somit erfasst. Das empirische Material dieser Systematisierung stammt aus autobiografischen Narrativen und den Daten einer Befragung depressiver Personen (generiert durch die Universität Durham/UK und SANE/London). Im Anschluss an eine Diskussion der narrativen Methode wird depressives Erleben mit der Unterscheidung in basale, nicht-basale und atmosphärische Gefühle geordnet. So werden typische Muster depressiven Erlebens herausgestellt, die sich dann mit einer Vielzahl narrativer Beispiele belegen lassen. Depressive Verhaltungsmodi zeichnen ein konkretes Bild des symptomatischen Verhältnisses depressiver Personen zu sich selbst und zu anderen Personen, wie auch ihrer Orientierung zur Welt im Allgemeinen. Der differenzialdiagnostische Stellenwert und das zukünftige Integrationspotenzial dieser Systematisierung depressiven Erlebens für die klinische Praxis zeigt die Bedeutung des interdisziplinären Dialogs zwischen Philosophie und Psychiatrie. (KJ)

    Hintergrund:

    Mit dem DGPPN-Preis für Philosophie in der Psychiatrie werden hervorragende wissenschaftliche Arbeiten im Grenzgebiet zwischen beiden Disziplinen ausgezeichnet. Die Themen des Wettbewerbs sind dabei jeweils so formuliert, dass aktuelle Grundsatzprobleme der Psychiatrie aufgenommen werden können. Die Beiträge sollen systematischen Anspruch und aktuelle Relevanz haben und zu einem Erkenntnisgewinn für beide Disziplinen beitragen. Die Wettbewerbsbeiträge sollen eine theoretische Verbindung von Philosophie und Psychiatrie vorlegen, die mit philosophischer Begrifflichkeit arbeitet und eine interdisziplinäre Fragestellung erkennen lässt. In diesem Jahr wurde der Hauptpreis nicht vergeben, jedoch erstmalig ein Förderpreis für Studierende mit einer Dotierung von 2.000 Euro. Mit der Durchführung des Wettbewerbs ist das DGPPN-Referat „Philosophische Grundlagen der Psychiatrie und Psychotherapie“ betraut.

    Kontakt:

    Prof. Dr. med. Peter Falkai
    Präsident DGPPN
    Direktor der Psychiatrischen Klinik der
    Ludwig-Maximilians-Universität
    Nussbaumstr. 7
    80336 München
    Tel: 089 5160 5500 - 5501
    Fax: 089 5160 5522
    E-Mail: Peter.Falkai@med.uni-muenchen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dgppn.de/dgppn-kongress/aktuelles0/detailansicht/article/427/dgppn-pr...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Medizin, Psychologie
    überregional
    Wettbewerbe / Auszeichnungen, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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