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Wissenschaft
Vier von neun planetaren Grenzen sind durch den Einfluss des Menschen bereits überschritten: Klimawandel, Biodiversität, Landnutzung und biogeochemische Kreisläufe. Das zeigt jetzt ein internationales Team von 18 Wissenschaftlern im Fachjournal Science. Ihrer Einschätzung nach sind zwei dieser Grenzen, nämlich Klimawandel und Artensterben, von entscheidender Bedeutung – werden sie deutlich überschritten, könnte dies das Erdsystem in einen neuen Zustand versetzen. Das Team wird seine Ergebnisse in sieben Seminaren beim World Economic Forum in Davos vorstellen (21.-25. Januar).
Das Konzept der planetaren Grenzen wurde von Wissenschaftlern weltweit entwickelt, unter Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), und 2009 erstmals veröffentlicht. Es identifiziert neun globale Prioritäten im Hinblick auf menschgemachte Umweltänderungen. Die Forschung zeigt, dass diese neun Prozesse und Systeme die Stabilität und Widerstandskraft des Erdsystems bestimmen – also die Wechselwirkungen zwischen Land, Ozeanen, Atmosphäre und Lebewesen, die zusammen die Umweltbedingungen ausmachen, auf denen unsere Gesellschaften fußen. Die neue Forschung bestätigt das ursprüngliche Konzept der planetaren Grenzen und bietet eine bessere Abschätzung der Grenzwerte. Für einige Neuberechnungen war ein Computermodell des PIK (LPJmL) entscheidend, das den menschlichen Einfluss auf die Wasserressourcen und Ökosysteme der Erde simuliert.
„Durch das Überschreiten dieser Grenzen erhöht sich das Risiko, dass der Einfluss des Menschen die Erde weniger lebensfreundlich macht, dass Bemühungen zur Armutsbekämpfung beeinträchtigt werden, und dass sich das menschliche Wohlergehen in vielen Teilen der Welt verschlechtern könnte, auch in reichen“, sagt Leitautor Will Steffen vom Stockholm Resilience Centre, Professor an der Universität Stockholm und der Australischen National University in Canberra. „Unsere neue Untersuchung verbessert die Quantifizierung dieser Risiken.“
**Auf regionaler Ebene bereits weitere Grenzen überschritten**
Selbst einige der Grenzen, die global noch nicht überschritten sind, übersteigen bereits regionale Toleranzlimits, etwa der Wasserverbrauch im Westen der USA sowie in Teilen Südeuropas, Asiens und des Mittleren Ostens. „Die Herausforderungen für die Gesellschaft, innerhalb der verschiedenen planetaren Grenzen zu bleiben, erfordert umsichtiges Handeln“, sagt Ko-Autor Dieter Gerten vom PIK. Die Grenzen hängen eng miteinander zusammen; Schutzmaßnahmen für einen Bereich können negative Folgen für einen anderen haben. „Würde zum Beispiel die Bewässerung in der Landwirtschaft verringert, um die Grenze für den Wasserverbrauch einzuhalten, könnte das im Gegenzug bedeuten, dass mehr Flächen in Ackerland umgewandelt werden müssen – was zum weiteren Überschreiten der planetaren Grenze für Landnutzungsänderungen führen würde“, erklärt Gerten. „Helfen können hier Methoden zur effizienteren Wassernutzung in der Landwirtschaft, um mit weniger Wasser auf gleicher Fläche womöglich mehr Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung zu erzeugen.“
Zum Klimawandel argumentiert das Team, dass der Anteil von CO2 in der Atmosphäre nicht größer sein sollte als 350 ppm (parts per million). Zuletzt lag dieser Wert bei etwa 399 ppm, und er steigt um jährlich etwa 3 ppm weiter an. „Diese Grenze ist gleichbedeutend mit einer Stabilisierung der globalen Temperaturen bei etwa 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau“, sagt Ko-Autor Professor Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre, der die neuen Erkenntnisse auf dem World Economic Forum vorstellen wird. Im Dezember 2015 werden sich die Länder der Welt in Paris treffen, um eine internationale Vereinbarung zu verhandeln, die einen Temperaturanstieg auf maximal 2 Grad über vorindustriellem Niveau begrenzen soll. „Unsere Analyse zeigt, dass dieses Ziel – auch wenn es erfolgreich eingehalten wird – noch große Risiken für Gesellschaften überall auf der Welt mit sich bringt“, sagt Rockström. „Die zwei Grad sollten daher nicht nur als ein notwendiges Ziel betrachtet werden, sondern als ein Mindestziel der weltweiten Klimastabilisierung.“
**Was globale Risiken für nationale Politiken bedeuten können**
Das PIK und das Stockholm Resilience Centre arbeiten bei der Erforschung den planetaren Grenzen eng zusammen. Mit Wolfgang Lucht, Leiter des PIK-Forschungsbereichs Erdsystemanalyse, ist das PIK Gründungsmitglied des Planetary Boundaries Research Network, in dem diese Forschung koordiniert wird. Unter Luchts Führung haben PIK-Forscher kürzlich auch die Arbeit an einem vom Umweltbundesamt geförderten Projekt aufgenommen, das die Bedeutung der planetaren Grenzen für die nationale Politik untersucht.
Artikel:
Steffen, W., Richardson, K., Rockström, J., Cornell, S., Fetzer, I., Bennett, E.M., Biggs, R., Carpenter, S.R., de Vries, W., de Wit, C.A., Folke, C., Gerten, D., Heinke, J., Mace, G.M., Persson, L.M., Ramanathan, V., Reyers, B., Sörlin, S. (2015): Planetary Boundaries: Guiding human development on a changing planet. Science (Express, online)
Weblink zum Artikel, sobald er veröffentlicht wird:
http://www.sciencexpress.org
(vorab kann die Studie nur von Journalisten auf Englisch angefordert werden bei: scipak@aaas.org)
Kontakt für weitere Informationen:
Jonas Viering
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Pressestelle
presse@pik-potsdam.de
Tel.: +49 (0)331 288 2507
Fredrick Moberg
Stockholm Resilience Centre
Communications
fredrik.moberg@stockholmresilience.su.se
Tel: +46 (0)70 680 65 53
Owen Gaffney
International Geosphere-Biosphere Programme (Stockholm)
Communications
owen.gaffney@igbp.kva.se
Tel: +46(0) 730208418
http://www.pb-net.org (Planetary Boundaries Research Network)
http://www.stockholmresilience.su.se (Stockholm Resilience Center)
http://www.pik-potsdam.de/research/earth-system-analysis/projects/flagships/open (PIK-Projekt zu Planetary Boundaries)
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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