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11.05.2016 10:21

"Gummihand-Illusion" kann durch Smartphones erzeugt werden

Dr. Christina Heimken Presse- und Informationsstelle
Westfälische Wilhelms-Universität Münster

    Der "Gummihand-Effekt" ist eine in der Psychologie bekannte Illusion. Dabei fühlt sich eine Hand aus Gummi für die Versuchspersonen so an, als gehöre sie zum eigenen Körper. Psychologen aus Münster, Leiden (Niederlande) und Regensburg zeigten nun erstmals, dass Menschen im psychologischen Experiment auch ihre eigenen Smartphones in ihr körperliches Ich integrierten. Das Ausmaß des Smartphone-Gebrauchs scheint eine wichtige Rolle zu spielen.

    Es scheint der Fantasie entsprungen zu sein: Eine Hand aus Gummi fühlt sich so an, als gehöre sie zum eigenen Körper. Was kaum vorstellbar klingt, ist eine in der Psychologie bekannte Illusion, die sich mit einem geschickten Versuchsaufbau erzeugen lässt. Psychologen aus Deutschland und den Niederlanden zeigten nun erstmals, dass Testpersonen auch ihre eigenen Smartphones in ihr körperliches Ich integrieren. Ob ein Gegenstand als dem Körper zugehörig empfunden wird, hängt also nicht nur davon ab, ob er eine ähnliche Form hat wie eine menschliche Hand. Auch das Ausmaß des Gebrauchs dieses Gegenstandes scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Die Ergebnisse sind aktuell im Fachmagazin "Psychological Research" veröffentlicht (online vorab).

    "Dahinter steht die Frage, wie flexibel das Gehirn ist und ob der tägliche Umgang mit modernen technischen Geräten langfristig zur Eingliederung solcher Geräte in das eigene Körperschema führt", erklärt Privatdozent Dr. Roman Liepelt vom Institut für Psychologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Die Forscher aus Münster, Leiden (Niederlande) und Regensburg adaptierten den Versuchsaufbau der "Gummihand-Illusion". Dabei legt die Versuchsperson ihre linke Hand auf einen Tisch. Die eigene Hand wird abgeschirmt, sodass die Person sie nicht sieht. Neben der verborgenen eigenen Hand platzierten die Forscher eine Gummihand, das Smartphone (iPhone) der Versuchsperson, eine Computermaus oder einen Smartphone-förmigen Holzklotz. Die eigene, nicht sichtbare Hand und das sichtbare künstliche Objekt wurden dann für einige Minuten synchron oder asynchron (als Kontrollbedingung) mit einem Pinsel gestreichelt. Dass die Versuchsperson zeitgleich fühlt, wie die eigene Hand gestreichelt wird und sieht, wie das Objekt synchron berührt wird, erzeugt bei ihr das Gefühl, das Objekt gehöre zum eigenen Körper – beide Informationen verschmelzen dabei zu einer Wahrnehmung.

    Um die Empfindungen der Testpersonen zu messen, setzten die Forscher einen Fragebogen ein. Außerdem fragten sie einen weiteren zentralen Aspekt der Gummihand-Illusion ab: das Gefühl, die nicht sichtbare eigene Hand verschiebe sich räumlich in Richtung der Gummi-Hand ("propriozeptiver Drift"). Bei synchroner Stimulation empfanden die Versuchspersonen alle Objekte stärker als dem eigenen Körper zugehörig. Mit anderen Worten: Der subjektiv gefühlte "Gummihand-Effekt" ließ sich auch mit einem Smartphone, einer Computermaus und einem Smartphone-förmigen Holzklotz erzeugen. Die scheinbare räumliche Verschiebung der eigenen nicht sichtbaren Hand hin zum sichtbaren Objekt trat jedoch nur bei der Gummi-Hand und beim Smartphone auf, nicht aber bei der Computer-Maus und beim Holzblock. Nur das eigene Smartphone erzeugte also eine ähnlich vollständige Illusion wie die Gummihand.

    "Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass unser körperliches Selbst viel flexibler und plastischer ist, als früher angenommen wurde", erklärt Roman Liepelt. "Denn ein Smartphone, das einer menschlichen Hand ganz und gar nicht ähnlich sieht, erzeugte in unserem Versuch eine ähnlich starke Illusion wie eine künstliche Hand. Vermutlich spielt dabei eine zentrale Rolle, dass die Versuchspersonen in der Vergangenheit ausgiebige Erfahrungen damit hatten, das Smartphone zu kontrollieren." Entscheidend sei die sogenannte multisensorische Integration. "Wir schauen täglich auf unser Smartphone und fühlen gleichzeitig, wie wir es bedienen", sagt Bernhard Hommel von der Universität Leiden. "Eine Kombination aus Fühlen, Sehen und vergangener Erfahrung sorgt wahrscheinlich dafür, dass wir bestimmte Objekte in unser Körperschema integrieren." Wie weit die Flexibilität des körperlichen Ichs geht, müsse in weiteren Studien überprüft werden, so die Forscher.



    Originalpublikation:

    Roman Liepelt, Thomas Dolk, Bernhard Hommel (2016): Self-perception beyond the body: the role of past agency. Psychological Research First online: 07 April 2016; DOI: 10.1007/s00426-016-0766-1


    Weitere Informationen:

    http://link.springer.com/article/10.1007/s00426-016-0766-1 Originalpublikation
    "Rubber hand illusion" (erklärendes YouTube-Video von "New Scientist")
    http://www.uni-muenster.de/PsyIFP/AELappe/personen/liepelt.html Privatdozent Dr. Roman Liepelt


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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