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Bleisalze und Mastixharz in der Farbmischung halfen Künstlern vor 200 Jahren
Der flüssige und lockere Pinselstrich, mit dem J.W.M. Turner und andere stilbildenden Maler des 19. Jahrhunderts die flüchtigen Momente des Lichts so virtuos eingefangen haben, wurde durch "Gumtion" oder "Megilp" in der Matrix ermöglicht. Dessen gelartige Konsistenz erlaubte erstmals den schnellen Auftrag verschiedener Farbschichten nacheinander. In der Zeitschrift Angewandte Chemie haben Wissenschaftler jetzt offengelegt, welche wichtige Rolle dabei die Zugabe von Bleisalzen spielte.
Die historischen Ölfarben bestehen aus einer Mischung von Öl, Harz und Farbpigmenten. Wegen der öligen Konsistenz mussten die Maler für jede einzelne Farbschicht sehr lange Trocknungszeiten einkalkulieren, was Produktionszeiträume ihrer Bilder von Monaten oder sogar Jahren bedeutete. Dass der englische Romantiker J.M.W. Turner für sein stilbildendes Gemälde "The Dawn of Christianity" von 1841 nur wenige Tage brauchte, lag im Wesentlichen an einer neuen und innovativen Farbmatrix namens "Gumtion", die durch Mischen von Bleiacetat, Leinöl und Mastixharz gewonnen wurde. Ihre gelartige Konsistenz ermöglichte es, Farbschichten schnell nacheinander aufzutragen und zu modifizieren, was besonders für die Anhänger der neuen, effektsuchenden Stilrichtungen im 19. Jahrhunderts eine große Erleichterung war. Worauf aber beruhte die Gelbildung genau und wie kann man diese Matrix heute chemisch beschreiben? Laurence de Viguerie an der Université Pierre et Marie Curie (Paris) und am CNRS und ihre Kollegen u.a. am Collège de France haben einen modernen Blick auf diese innovative Technik geworfen.
Durch Nachstellen der Originalrezepturen entdeckten sie, dass die Beimischung von Bleiacetat zu Lein- oder Nussöl und in Terpentin gelöstes Mastixharz eine Gelbildung forcierte. "Heute lassen sich solche Synthesen als Prozesse zur Bildung von organisch-anorganischen Hybridmaterialien beschreiben, die für ihren bereiten Anwendungsbereich bekannt sind", erklären die Autoren. Zusammen mit historischen Lackpigmenten wie Krapplack wird die Mischung zu einem pastösen, elastischen Gel, das der Maler schnell und mit dickem Farbauftrag verstreichen kann.
Wie und warum aber bildet sich ein solches Gel? Mit Hilfe von Spektroskopie-Techniken identifizierten die Wissenschaftler einen oxidativen Mechanismus unter Mitwirkung von freien Radikalen, ähnlich dem bei der Trocknung und Alterung der aufgetragenen Harze und Öle. Diese Prozesse werden durch Übergangsmetalle beschleunigt – was bedeutet, dass in diesem Fall die Bleionen als Katalysator fungieren. Wie die Wissenschaftler weiter zeigten, dürfte das Blei aber nicht nur die Vernetzung des Gels katalysieren, sondern auch selbst Bestandteil dieses Metallogels sein. Durch angewandte Chemie wurden also technische Innovationen hervorgebracht, ohne die viele stilistische Fortschritte der Malerei des 19. Jahrhunderts nicht möglich gewesen wären.
Angewandte Chemie: Presseinfo 47/2016
Autor: Laurence de Viguerie, Université Pierre et Marie Curie (Paris), CNRS (France), mailto:laurence.de_viguerie@upmc.fr
Link zum Originalbeitrag: http://dx.doi.org/10.1002/ange.201611136
Angewandte Chemie, Postfach 101161, 69451 Weinheim, Germany.
Bleisalze ermöglichen den schnellen Auftrag mehrerer Farbschichten nacheinander
(c) Wiley-VCH
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Chemie, Kunst / Design, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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