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07.03.2017 12:36

Mikroplastik in der Umwelt: Von der Nanoforschung lernen

Stephan Brodicky Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien

    Plastik und Mikroplastik – also zu kleinen Partikeln zerriebener Kunststoff – sind heute als Abfallprodukte in der Umwelt weit verbreitet. Die Forschung beginnt erst ihren Einfluss auf die Ökosysteme zu verstehen. UmweltgeowissenschafterInnen um Thilo Hofmann von der Universität Wien haben nun gezeigt, was man aus der Nanoforschung für die Analyse und Expositionsbewertung von Mikroplastik lernen kann und welche Fehler nicht wiederholt werden sollten. Ihre Studie erschien heute als Feature in der renommierten Fachzeitschrift "Environmental Science & Technology".

    "Mikroplastik als Quelle für die Verschmutzung von Gewässern und Meeren ist ein nicht zu unterschätzendes Problem geworden", sagt Thorsten Hüffer vom Department für Umweltgeowissenschaften der Universität Wien. ForscherInnen schätzen den Eintrag von Mikroplastik, also Teilchen mit einer Größe unter fünf Millimetern, auf rund acht Millionen Tonnen pro Jahr in küstennahen Meeresregionen. Den Hauptanteil macht sogenanntes sekundäres Mikroplastik aus, das durch den Zerfall verschiedenster Plastikprodukte entsteht. Industriell eingesetztes Mikroplastik, z.B. als Bestandteil von Kosmetika, spielt mit einem Anteil von geschätzten 0,1 bis 3 Prozent des Mikroplastiks in der Umwelt eine untergeordnete Rolle.

    Was Mikroplastik in der Umwelt per se bewirkt und welche Gefahr möglicherweise von ihm ausgeht, ist zum Gutteil noch nicht bekannt. Fragen zu Eigenschaften und Verhalten kleiner Partikel stellen sich Nanoforscher seit langem – Thilo Hofmann und sein Team präsentieren in ihrer aktuellen Untersuchung bereits existierende Ansätze und Methoden. Das Wissen aus der Nanoforschung kann auf Grundlage der ähnlichen Eigenschaften beider Schadstoffgruppen auch auf Mikroplastik übertragen werden, schreiben die UmweltgeowissenschafterInnen. Die Forschung zu Mikroplastik sollte demnach auch noch stärker als bisher auf interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Einbeziehung der Erkenntnisse aus der Nanoforschung setzen.

    Künstliche Nanopartikel als Wegweiser

    Künstlich hergestellte Nanopartikel (1 Nanometer = 1 millionstel Millimeter) finden heute bereits breite Anwendung in der Industrie, darunter als Zusatz in Sonnencremes, Nahrungsmitteln und Schleifmaterialien. Die Partikel können während der Produktion, Anwendung oder Entsorgung in die Umwelt gelangen. Nanopartikel wie auch das etwas größere Mikroplastik sind Schadstoffe, bei denen herkömmliche Analysestrategien nicht greifen. Konventionelle Schadstoffe liegen in der Regel als individuelle, gelöste Substanzen mit einheitlichen Eigenschaften vor. "Mikroplastik und Nanopartikel dagegen bestehen aus heterogenen Partikelgemischen, die mehr oder weniger stabile Suspensionen bilden", sagt Nanoforscherin Antonia Praetorius.

    Nicht nur die chemische Zusammensetzung bestimmt das Verhalten und die Toxizität dieser partikulären Schadstoffe. Auch ihre Größe und Form tragen maßgeblich bei. Je kleiner die Teilchen sind, desto größer ist z.B. auch ihre reaktive Oberfläche. "Wir benötigen hier eine andere Denkweise", so Praetorius. Es braucht neue Ansätze zur Abschätzung von Emissionen, zur Charakterisierung (z.B. Bestimmung von Größenverteilung zusätzlich zur chemischen Zusammensetzung), zur Angabe von Konzentrationen (z.B. Anzahl- statt Massenkonzentrationen) und zur Verhaltensanalyse und -modellierung.

    Über Fehler und Möglichkeiten

    "Es gibt Fehler, aus denen wir nach über zehn Jahren Erfahrung in der Erforschung des Umweltverhaltens von Nanopartikeln gelernt haben und die man beim Mikroplastik gleich vermeiden könnte", so Studienautor Hüffer. So sollte man etwa Risikobewertungen nicht nur auf Grundlage von Konzentrationen der Stoffe in einem Medium tätigen, sondern unter Einbeziehung der weiteren Eigenschaften. Die Nanoforschung habe darüber hinaus gezeigt, dass es in der Regel mehrere Methoden – z.B. aus der Mikroskopie, Massenspektrometrie und Chromatographie – braucht, um Partikel in ihren Eigenschaften vollumfänglich zu bestimmen. Zudem solle die Laborforschung nicht nur an unveränderten Partikeln aus dem Handel erfolgen. Wichtig seien vielmehr auch, mit in der Umwelt gealterten oder verwitterten Partikeln zu arbeiten sowie realitätsnahe Szenarien, z.B. im Hinblick auf zu untersuchende Konzentrationen, festzulegen.

    Eine zentrale Forschungsfrage ist, in welcher Form und in welcher Geschwindigkeit sich der Plastikmüll zersetzt und wie der Prozess unter verschiedenen Umweltbedingungen abläuft. "Die Entstehung von sekundärem Mikroplastik, also der Zersetzungsprozess von Plastik, ist einer der Hauptunterschiede zu Nanopartikeln", sagt Hüffer. Die Quellen von Mikroplastik und seine Umwandlung seien im Vergleich zu künstlichen Nanopartikeln vielschichtiger. Die Frage, wie aus dem Plastiksackerl letztlich Mikroplastik entsteht, ist damit ohne die Nanoforschung zu lösen.

    Publikation in "Environmental Science & Technology":
    T. Hüffer, A. Praetorius, S. Wagner, F. von der Kammer, T. Hofmann, "Microplastic Exposure Assessment in Aquatic Environments: Learning from Similarities and Differences to Engineered Nanoparticles"
    Environmental Science & Technology, 2017, 51 (5), pp 2499–2507
    DOI: 10.1021/acs.est.6b04054
    http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/acs.est.6b04054

    Wissenschaftlicher Kontakt
    Dr. Thorsten Hüffer
    Dr. Antonia Praetorius
    Univ.-Prof. Dr. Thilo Hofmann
    Department für Umweltgeowissenschaften
    Universität Wien
    1090 Wien, Althanstraße 14 (UZA II)
    T +43-1-4277-533 83
    thorsten.hueffer@univie.ac.at
    antonia.praetorius@univie.ac.at
    thilo.hofmann@univie.ac.at

    Rückfragehinweis
    Mag. Alexandra Frey
    Pressebüro der Universität Wien
    Forschung und Lehre
    1010 Wien, Universitätsring 1
    T +43-1-4277-175 33
    M +43-664-602 77-175 33
    alexandra.frey@univie.ac.at

    Offen für Neues. Seit 1365.
    Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 19 Fakultäten und Zentren arbeiten rund 9.600 MitarbeiterInnen, davon 6.800 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 94.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit über 175 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich. http://www.univie.ac.at


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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