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11.05.2017 10:28

Der Schuleintritt sorgt für einen Entwicklungsschub

Nicole Siller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung

    Eine am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung durchgeführte Langzeitstudie gibt Aufschluss über die Auswirkungen der Einschulung auf die Gehirnentwicklung von Kindern. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Psychological Science veröffentlicht.

    Still sitzen, dem Unterricht folgen, Ablenkungen von Mitschülern und anderen Verlockungen widerstehen – der Schuleintritt ist für Erstklässler, die oftmals aus eher spielorientierten Kindergärten kommen, eine Herausforderung. Doch die strukturierte Lernumgebung scheint sich schnell auf das Gehirn von Kindern auszuwirken. So zeigen sie schon innerhalb des ersten Schuljahres eine messbar bessere Konzentrationsfähigkeit und Verhaltenskontrolle als Kindergartenkinder in ähnlichem Alter. Das ist das Ergebnis einer langfristigen Studie von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung sowie der Universität von Kalifornien, Berkeley. „Im Alter zwischen fünf und sieben Jahren machen Kinder große Entwicklungssprünge, vor allem in der Fähigkeit ihr eigenes Verhalten zu kontrollieren. Uns interessierte, ob das nur mit der allgemeinen Hirnreifung oder auch mit der Einschulung, die oft in diese Lebensphase fällt, zusammenhängt“, sagt Garvin Brod, Erstautor der Studie, ehemaliger Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und jetzt am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung. Die Untersuchung ist Teil des Projekts „HippoKID“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und die erste neurowissenschaftliche Langzeitstudie, die sich mit den Auswirkungen des Schulbeginns auf die Gehirnentwicklung befasst.

    Die Studienergebnisse basieren auf Daten von 60 Kindern, die zu Beginn der Studie fünf Jahre alt waren. Um Veränderungen als Auswirkung des Schuleintritts feststellen zu können, wurden die Tests nach einem Jahr wiederholt. Während bei der ersten Testung noch alle Kinder in den Kindergarten gingen, war bei der zweiten ein Teil der Kinder bereits ein Jahr in der Schule. Beide Male lösten die Kinder Aufgaben am Computer, mit denen ihre Aufmerksamkeit und ihre Verhaltenskontrolle getestet wurden. Und mithilfe der gesundheitlich unbedenklichen Magnetresonanztomographie (MRT) wurde im Anschluss die Gehirnaktivität der Kinder gemessen und verglichen.

    Beide Gruppen – sowohl die Kindergartenkinder als auch die Schulkinder – verbesserten über das Jahr ihre Aufmerksamkeit sowie ihre Verhaltenskontrolle. Insgesamt machten die Schulkinder im Vergleich zu den Kindergartenkindern aber größere Entwicklungssprünge. Sie zeigten außerdem eine höhere Aktivierung des rechten posterioren Parietalcortex (PPC) – einer Hirnregion, die länger andauernde Aufmerksamkeitsleistungen unterstützt. Kinder mit einer stärkeren Zunahme in der Aktivierung ihres rechten PPC zeigten eine stärkere Verbesserung in ihrer Verhaltenskontrolle. „Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die strukturierte Lernumgebung der Schule positiv auf die Entwicklung der Verhaltenskontrolle auswirkt“, so Garvin Brod.

    Die Wissenschaftler warnen jedoch vor einer Überinterpretation der Studienergebnisse: „Das bedeutet nicht, dass eine frühe Einschulung automatisch besser ist. Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt des Schuleintritts können wir nicht beantworten – das muss eine individuelle Entscheidung bleiben. Denn jedes Kind ist anders. Auch wissen wir noch nicht, ob die Effekte anhalten“, sagt Ko-Autorin Yee Lee Shing, Leiterin der HippoKID-Studie am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und jetzt Wissenschaftlerin an der Universität Stirling. „Diese Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, wie der Umweltkontext das Gehirn Fünfjähriger beim Übergang in die Schule formt“, ergänzt Ko-Autorin Silvia Bunge, die als Professorin an der Universität von Kalifornien, Berkeley, arbeitet.

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    Hintergrundinformationen

    Originalstudie
    Brod, G., Bunge, S. A., & Shing, Y. L. (2017). Does one year of schooling improve children's cognitive control and alter associated brain activation? Psychological Science. Advance online publication. doi:10.1177/0956797617699838

    Über die Studie
    Die Studie wurde im Rahmen einer von Yee Lee Shing geleiteten Max-Planck-Minerva-
    Forschungsgruppe durchgeführt. Das übergreifende Ziel dieser Gruppe war ein besseres
    Verständnis der Mechanismen, durch welche Umweltfaktoren wie der Schuleintritt oder stress-assoziierte soziale Benachteiligung die neuronale und behaviorale Entwicklung beeinflussen. Als Teilprojekt untersuchte die längsschnittliche HippoKID-Studie Kinder, die nahe dem Schuleintrittsstichdatum geboren und entsprechend in einem bestimmten Jahr eingeschult wurden — oder nicht.

    Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
    Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung wurde 1963 in Berlin gegründet und ist als
    interdisziplinäre Forschungseinrichtung dem Studium der menschlichen Entwicklung und
    Bildung gewidmet. Das Institut gehört zur Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
    Wissenschaften e.V., einer der führenden Organisationen für Grundlagenforschung in Europa.


    Weitere Informationen:

    https://www.mpib-berlin.mpg.de/de/presse/2017/05/der-schuleintritt-sorgt-fuer-ei...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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