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06.11.2017 13:56

Wie lange Antibiotika einnehmen? – Einfache Faustregeln greifen zu kurz

Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.

    Vielen Menschen ist folgende Regel geläufig: Ein Antibiotikum sollte auch noch nach dem Verschwinden der Symptome und stets bis zum Ende der Packung eingenommen werden. Doch diese Faustregel ist überholt. Untersuchungen der letzten Jahre liefern immer mehr Belege, dass bei vielen Infektionen eine kürzere Einnahmezeit genauso wirksam ist. Eine kürzere Therapie hat zudem den Vorteil, dass weniger resistente Erreger entstehen. Dennoch sollten Patienten Antibiotika nicht in Eigenregie absetzen, sobald sie sich besser fühlen. Vielmehr sollten Antiinfektiva individuell abgestimmt auf die bakterielle Infektion und in enger Absprache mit dem Arzt eingenommen und abgesetzt werden.

    Denn eine Pauschalisierung, dass nunmehr immer kurz therapiert werden dürfe, könne für manche Patienten gefährlich sein, teilt die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e. V. (DGI) anlässlich der WHO World Antibiotic Awareness Week mit. Diese findet vom 13. bis 19. November 2017 statt.

    In den vergangenen Jahren mehrten sich Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass bei verschiedenen Infektionen kürzere Antibiotikatherapien einer längeren Therapie gleichwertig oder sogar überlegen sind. Beispielhaft zeigte dies etwa eine im Jahr 2016 im renommierten Fachjournal JAMA veröffentliche Untersuchung zur ambulant erworbenen Lungenentzündung: Eine fünftägige Antibiotikatherapie erwies sich in der Studie als ebenso wirksam wie eine 10-tägige.

    „Viele Jahre ist man davon ausgegangen, dass eine längere Antibiotikatherapie die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr der Infektion oder die Ausbildung von Resistenzen verringert“, so Professor Dr. med. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln und Vorsitzender der DGI. „Dahinter stand der Gedanke, möglichst alle krankmachenden Bakterien abzutöten. Heute wissen wir: Je länger die Bakterien dem Selektionsdruck eines antimikrobiellen Wirkstoffs ausgesetzt sind, desto wahrscheinlicher überleben überwiegend resistente, also gegen das Mittel unempfindliche Erreger.“ Eine kürzere Antibiotikatherapie hat nicht nur den Vorteil von weniger Resistenzentstehung – sie geht auch mit weniger Nebenwirkungen einher.

    „Dennoch bedeutet dies nicht, dass Patienten ein Antibiotikum eigenhändig absetzen sollten, sobald ihre Symptome verschwunden sind“, so Professor Dr. med. Winfried Kern, Vorstandsmitglied der DGI und Leiter der Infektiologie am Universitätsklinikum Freiburg. „Für solch eine einfache Faustregel ist die moderne Antibiotikatherapie zu komplex.“ Vielmehr gilt: Es hängt von der Art der Erkrankung, ihrer Schwere, dem individuellen Verlauf und dem jeweiligen Bakterientyp ab, wie lange ein Antibiotikum eingenommen werden muss. „Bei einer Harnwegsinfektion kann es mitunter ausreichen, das Medikament nur einen Tag lang einzunehmen. Im Falle einer schweren Infektion mit Staphylokokken dagegen müssen Betroffene Antibiotika oft mehrere Wochen lang zu sich nehmen. Hier beispielsweise könnte eine zu kurze Therapie zu Komplikationen und Resistenzbildung führen“, erklärt Gerd Fätkenheuer.

    Einen Königsweg im Umgang mit Antibiotika gibt es nicht. In welchen Fällen ein Mittel abgesetzt werden kann, sobald die Symptome abgeklungen sind, und in welchen Fällen nicht, kann nur ein Arzt entscheiden. Die DGI rät deshalb betroffenen Patienten, das Medikament nicht eigenmächtig wegzulassen und zudem darauf zu achten, die Therapie nicht zu unterbrechen oder Dosen zu vergessen. „Ein Arzt gibt idealerweise eine Einnahmedauer vor, die gezielt auf die jeweilige Infektion und ihren zu erwartenden Verlauf abgestimmt ist“, so Fätkenheuer. Sind die Symptome frühzeitig ausgeheilt oder schlägt das Mittel nicht an, sollte der Patient den Arzt kontaktieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen. „Wie bei jedem anderen Medikament gilt auch für Antibiotika: Die Einnahme sollte so kurz wie möglich, aber so lange wie nötig erfolgen.“

    Mit der WHO World Antibiotic Awareness Week (Weltantibiotikawoche) möchte die Weltgesundheitsorganisation auf die Bedeutung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Antibiotika aufmerksam machen, um die Ausbreitung von Resistenzen einzudämmen. Die WHO World Antibiotic Awareness Week findet vom 13. bis 19. November 2017 statt und steht unter dem Motto: „Think Twice. Seek Advice.” Damit ruft die Organisation dazu auf, bei der Verwendung von Antibiotika stets ärztlichen Rat einzuholen.

    Literatur:
    - WHO World Antibiotic Awareness Week 2017 Website, abgerufen am 06.11.2017
    http://www.who.int/campaigns/world-antibiotic-awareness-week/en/
    - Martin J. Llewelyn et al.: The antibiotic course has had its day. BMJ 2017;358: j3418
    http://www.bmj.com/content/358/bmj.j3418
    - Ane Uranga et al.: Duration of Antibiotic Treatment in Community-Acquired Pneumonia. A Multicenter Randomized Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2016;176(9):1257–1265. doi:10.1001/jamainternmed.2016.3633
    http://jamanetwork.com/journals/jamainternalmedicine/article-abstract/2536189
    - Brad Spellberg: The New Antibiotic Mantra - “Shorter Is Better”, JAMA Intern Med. 2016 Sep 1; 176(9): 1254–1255. doi: 10.1001/jamainternmed.2016.3646 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5233409/

    Bei Abdruck Beleg erbeten.

    ***********************************************

    Kontakt für Journalisten:
    Deutsche Gesellschaft für Infektiologie e.V.
    Pressestelle
    Juliane Pfeiffer
    Postfach 30 11 20
    70451 Stuttgart
    Tel: 0711 89 31 693
    Fax: 0711 89 31 167
    E-Mail: pfeiffer@medizinkommunikation.org


    Weitere Informationen:

    http://www.dgi-net.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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