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16.02.2018 11:12

Stammbaum der Tagfalter erstmalig umfassend neu aufgestellt

Sabine Heine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Stiftung Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig, Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere

Ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Federführung von Dr. Marianne Espeland, Zoologisches Forschungsmuseum Alexander Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere in Bonn, überarbeitet mit einer großen Datenmenge an genomischen Informationen den Stammbaum der Tagfalter. Die neuen Erkenntnisse zeigen: Die mutualistischen Wechselbeziehung zwischen Schmetterlingen und Ameisen sind in der Evolution drei Mal unabhängig entstanden: ein Mal bei den Bläulingen (Familie Lycaenidae) und zwei Mal bei den Würfelfaltern (Riodinidae). Bisher dachte man, dieses Phänomen sei maximal zwei Mal aufgetreten.

Anhand einer drei Mal so großen Menge an untersuchten Arten wie in früheren Studien und mit mehr als 340 untersuchten Genen anstelle von bisher 10 ermöglicht die Anzahl der Daten eine neue und bessere Betrachtung der Evolution vieler Verwandtschaftsverhältnisse. Die größte Diversität der Tagfalter trat nach dem Kreide-Tertiär-Massenaussterben auf, dem auch die Dinosaurier zum Opfer fielen.

Besonders interessant ist hinsichtlich der adaptiven Radiation ein Blick auf mutualistischen Interaktionen zwischen Ameisen und Tagfaltern, bei denen die Raupen ein zucker- und aminosäurereiches Sekret produzieren, das die Ameisen als Nahrung lieben. Im Gegenzug für die Versorgung mit Nährstoffen schützen die Ameisen die Raupen gegen Fressfeinde und Parasiten. Diese Wechselbeziehung zwischen Schmetterlingen und Ameisen ist in der Evolution drei Mal unabhängig entstanden: ein Mal bei den Bläulingen (Familie Lycaenidae) und zwei Mal bei den Würfelfaltern (Riodinidae).

„Die Fähigkeit mit Ameisen zu interagieren muss drei Mal unabhängig in der Evolution entstanden sein“ erläutert Dr. Marianne Espeland und ergänzt: „Man dachte früher, die Fähigkeit zu dieser Interaktion ist entweder ein Mal im Laufe der Evolution in einem Vorfahr der Bläulinge und Würfelfalter entstanden, oder – alternativ – je ein Mal in einem Vorfahr jeder der beiden Familien. Bisher wurde niemals gedacht, dass dieses Phänomen drei Mal neu auftrat.“ Die hier präsentierte These wird allerdings durch die Tatsache unterstützt, dass, die Raupen der zwei Würfelfaltergruppen, die mit Ameisen interagieren, unterschiedliche Schallorgane zur Kommunikation mit den Ameisen entwickelt haben. Dieser morphologische Befund bestätigt somit die genetischen Untersuchungen der hier vorgestellten Studie.

Indem alle Unterfamilien und fast sämtliche Tribus untersucht wurden, wird in dieser Veröffentlichung auch der erste Stammbaum der Bläulinge aufgestellt, der zeigt dass die traditionellen Bläulinge (Unterfamilie Polyommatinae) sich innerhalb der Zipfelfalter (Theclinae) befinden, und die alte, auf Morphologie basierte Klassifikation innerhalb der Familie zum größten Teil völlig neu überarbeitet werden muss.

Weiterhin zeigt die Studie, dass die südamerikanische Familie Hedylidae, obwohl sie wie Nachtfalter aussehen, eindeutig Tagfalter sind, ein Befund, der von einigen aktuellen Studien unterstützt wird, doch einige Forscher wollen dies immer noch nicht glauben. Die Hedylidae trennten sich vor ungefähr 105 Millionen Jahren von den Dickkopffaltern (Hesperiidae). Sie wurden in der oberen Kreidezeit oder im Paläogen (frühes Tertiär), danach sekundär wieder nachtaktiv, und entwickelten auf ihren Flügeln Sinnesorgane, die den Ultraschall von Fledermäusen wahrnehmen können, wie sie viele Nachtfalter auch haben. Hierdurch können sie ihrem Feind im Dunkeln entgehen.

Quelle: Marianne Espeland, Jesse Breinholt, Keith R. Willmott, Andrew D. Warren, Roger Vila,Emmanuel F.A. Toussaint, Sarah C. Maunsell, Kwaku Aduse-Poku, Gerard Talavera, Rod Eastwood, Marta A. Jarzyna, Robert Guralnick, David J. Lohman, Naomi E. Pierce, and Akito Y. Kawahara. A Comprehensive and Dated Phylogenomic Analysis of Butterflies. Current Biology 28, 1–9.e1–e5, March 5, 2018

DOI: https://doi.org/10.1016/j.cub.2018.01.061

Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig - Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere hat einen Forschungsanteil von mehr als 75 %. Das ZFMK betreibt sammlungsbasierte Biodiversitätsforschung zur Systematik und Phylogenie, Biogeographie und Taxonomie der terrestrischen Fauna. Die Ausstellung „Unser blauer Planet“ trägt zum Verständnis von Biodiversität unter globalen Aspekten bei.

Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 91 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie drei assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung Bund und Länder fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de


Bilder

Africanischer Ameisenbläuling (Lepidochrysops hypoleucus). Wie in der Europäischen Gattung Maculinea leben die Raupen die meiste Zeit in Ameisennestern von Ameisenbrut.
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Dr. Marianne Espeland
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Der Bläuling Pentila pauli besticht durch seine Schönheit.
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Dr. Marianne Espeland
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Ergänzung vom 16.02.2018

Ansprechpartnerin:

Dr. Marianne Espeland
Sektionsleiterin, Kustodin
Lepidoptera
Tel: +49 228 9122-220
E-Mail: m.espeland@leibniz-zfmk.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Biologie, Geowissenschaften, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch


 

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