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14.03.2018 14:00

Paul Ehrlich Preis für Anthony Cerami und David Wallach

Dr. Anne Hardy Public Relations und Kommunikation
Goethe-Universität Frankfurt am Main

    Anthony Cerami und David Wallach haben – auf ihre ganz eigene Weise und unabhängig voneinander – die Bedeutung des Botenstoffs TNF entschlüsselt und dazu beigetragen, die Neutralisierung von TNF zu einem der wichtigsten Therapieprinzipien in der Medizin zu machen.

    FRANKFURT am MAIN. Der US-Amerikaner Anthony Cerami und der Israeli David Wallach erhalten heute in der Frankfurter Paulskirche den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2018 für ihre klinisch außerordentlich bedeutsam gewordene Grundlagenforschung zu einem der wichtigsten Botenstoffe des Immunsystems, dem TNF. „Medizinische Grundlagenforschung hat den Anspruch, neue und bessere Behandlungen hervorzubringen. Sie ist auf Translation angelegt. Die Forschung der beiden Preisträger ist ein einzigartiges Beispiel für die gelungene Translation grundlegender immunologischer Erkenntnisse in eine klinisch relevante Therapie“, schreibt der Stiftungsrat in seiner Begründung. Rheuma, Schuppenflechte, Morbus Crohn und andere chronisch-entzündliche Erkrankungen werden heute weltweit mit Antikörpern oder Proteinen behandelt, die den Botenstoff neutralisieren. Überreicht wird der Preis von Professor Dr. Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg und Vorsitzender des Stiftungsrates.

    Cerami und Wallach sind TNF-Forscher der ersten Stunde. Viele ihrer wichtigen Entdeckungen, für die sie heute ausgezeichnet werden, liegen Jahrzehnte zurück. Beide näherten sich dem Botenstoff auf verschiedene Weise. Cerami war damals einem Molekül auf der Spur, das einen krankhaften Gewichtsverlust verursachte und das er Cachectin nannte. Wallach hatte ein Molekül im Blick, das Zellen gezielt in den programmierten Zelltod schickt. Er nannte dieses Molekül Cytotoxin. Dass es sich bei beiden Molekülen um TNF handelte, stellte sich erst später heraus. TNF war damals als Therapie gegen Krebs im Gespräch und galt als Hoffnungsträger der Onkologen - zu Unrecht, wie Antony Cerami zeigen konnte. Er machte 1985 unmissverständlich klar, dass TNF ein Botenstoff des Immunsystems ist und wegen seiner entzündungsfördernden Wirkung nicht bei Krebs eingesetzt werden kann. Er sagte allerdings schon 1981 in einer US-Patentanmeldung voraus, dass eine anti-TNF-Therapie bei entzündlichen Erkrankungen infrage kommt, ohne damals die genaue Identität des Cachetins zu kennen. 1987 zeigte er dann, dass die Neutralisierung von TNF durch einen Antikörper tatsächlich einen septischen Schock im Tiermodell verhindert. Diese Arbeit bildete den Eckpfeiler für die Entwicklung einer Anti-TNF-Therapie zur Behandlung chronisch-entzündlicher Erkrankungen wie Rheuma oder Morbus Crohn.

    TNF funktioniert im Grunde wie ein Feueralarm. Der Botenstoff erscheint wenige Minuten nach einer Verletzung, einer Infektion oder einer Stressreaktion im Blut auf und setzt als Reaktion auf die heraufziehende Gefahr eine Entzündung in Gang. Manchmal laufen die Entzündungen aus dem Ruder, finden kein Ende oder richten sich – wie bei den chronisch-entzündlichen Erkrankungen – gegen den eigenen Körper. Cerami hat mit einer Variante des Erythropoetins (EPO), einen natürlichen Gegenspieler des TNFs gefunden. Denn jede Entzündungsreaktion muss zu gegebener Zeit auch wieder beendet werden, um den Schaden im Gewebe so gering wie möglich zu halten. EPO ist ein Protein, das für die Bildung der roten Blutkörperchen notwendig ist. Cerami konnte zeigen, dass EPO im Entzündungsgebiet synthetisiert wird und an einen Rezeptor bindet, der dort erst im Zuge der Entzündung ausgeprägt wird. Durch diese Bindung sorgt EPO dafür, dass der Zelluntergang begrenzt und die Regeneration eingeleitet wird. Ein Proteinfragment, das diese Wirkung imitiert, ohne die für die Entzündungshemmung unerwünschte Wirkung auf die Blutbildung zu besitzen, ist derzeit in der klinischen Prüfung.

    Neben diesen Arbeiten zu TNF und EPO hat Anthony Cerami auch den Test zur Bestimmung des HbA1c-Werts entwickelt, der Rückschluss auf den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der zurückliegenden Wochen gibt. Die Bestimmung des HbA1c-Werts gehört seit langem zu den Routineuntersuchungen bei Patienten mit Diabetes mellitus.

    David Wallach hat die beiden TNF-Rezeptoren entdeckt und schon früh gezeigt, dass TNF zwei völlig entgegen gesetzte Wirkungen besitzt. Der Botenstoff kann den Zellen einerseits einen programmierten Suizid aufzwingen und er kann andererseits dafür sorgen, dass sie die Gefahr unbeschadet überstehen. Wegen seines Interesses an diesen unterschiedlichen Wirkungen hat Wallach von Anfang an die Aufklärung beider Signalketten vorangetrieben. Dass sich daraus einmal ein riesiges Forschungsfeld ergeben würde, war damals nicht abzusehen. Wallach hat die beiden TNF-Rezeptoren bei seiner Suche nach einem natürlichen Gegenspieler des TNFs entdeckt. Wenn Zellen etwas derart Radikales einleiten, wie ihren Suizid, müsse es einen Antagonisten geben, der dies auch verhindern kann, war Wallachs ebenso einfache wie wirkmächtige Annahme. Der Preisträger konnte zeigen, dass die auf der Außenseite der Zelle gelegenen Rezeptor-Domänen abgespalten werden können und den Botenstoff abfangen, bevor er an die membrangebundenen Rezeptoren mit ihren nachgeschalteten Signalketten bindet. Auch dieses Prinzip wird heute klinisch genutzt. Bei dieser Therapie fängt eine große Menge des löslichen Rezeptors den Botenstoff ab, bevor er seine schädliche Wirkung entfaltet. Obwohl damals bekannt war, dass einige Rezeptoren lösliche Formen besitzen, war Wallach der Erste, der in aller Deutlichkeit zeigte, dass solche löslichen Rezeptorformen auch physiologisch wirksam sind, was zu einem großen Interesse an diesen Molekülen führte.

    Wallachs Name ist zudem eng mit der genauen Entschlüsselung der beiden TNF-vermittelten Signalketten verknüpft. Ob die Zellen den programmierten Zelltod sterben oder überleben, hängt von der Belegung der beiden Rezeptoren und ihrer resultierenden Aktivität ab. Obwohl viele Wissenschaftler an der Entschlüsselung der Signalketten beteiligt waren, hat Wallach alle bei der Entdeckung und Klonierung wichtiger Proteine des TNF-vermittelten Zelltods überholt. Zu den von Wallach entdeckten Proteinen gehören zum Beispiel das Protein FADD und die Protease Caspase-8. Er war damit auch der Erste, der zeigen konnte, dass eine intrazelluläre Protease als Signalprotein fungiert und direkt von einem Rezeptor auf der Zelloberfläche aktiviert wird. Heute wird der von TNF vermittelte Zelltod als extrinsischer Weg zum programmierten Zelltod bezeichnet, um ihn von einem zweiten Weg abzugrenzen, der vom Zellinnern ausgelöst wird, dem intrinsischen Weg zum programmierten Zelltod. Wallachs Entdeckung, dass ein todbringendes Protein wie TNF auch lebenswichtige Funktionen besitzt, hat sich zudem als Regel für fast jedes Protein erwiesen, das an der Vermittlung des programmierten Zelltods beteiligt ist. Wissenschaftler sprechen heute davon, dass fast alle diese Proteine eine Schattenseite haben, die mit dem Zelltod verbunden ist und eine Lichtseite, die mit den lebensrettenden Funktionen zu tun hat. Wallachs Forschung hat das gesamte Feld der Signalverarbeitung entscheidend vorangebracht.

    Anthony Cerami (77) ist nach einer langen akademischen Karriere Gründer von Araim Pharmaceuticals in Tarrytown im Staat New York und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats. David Wallach (72) arbeitet seit vierzig Jahren am Weizmann Institute of Science in Rehovot.

    Kurzbiographie Professor Dr. Anthony Cerami
    Antony Cerami (77) hat an der Rutgers University Biochemie studiert und an der Rockefeller University promoviert. An der Rockefeller Universität war er 20 Jahre lang Professor und Dekan des Graduierten- und Postgraduierten-Programms. Später gründete er das Feinstein-Institut für medizinische Forschung. Cerami besitzt drei Ehrendoktorwürden und ist an verschiedenen Firmen beteiligt. Er besitzt über 150 US-amerikanische Patente und deren internationalen Varianten. Während seiner Karriere gehörte er verschiedenen Redaktionsbeiräten wissenschaftlicher Zeitschriften an. Cerami hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Luft Award in Diabetes und die Banting Medal for Scientific Achievement. Er ist Mitglied der National Academy of Sciences, der American Academy of Arts and Sciences und des Instituts für Medizin der National Academy of Sciences. Er ist außerdem Ehrenmitglied der American Society for Clinical Investigation und Fellow der American Academy of Microbiology.

    Kurzbiographie Professor Dr. David Wallach
    David Wallach (72) hat an der Hebrew University in Jerusalem Biologie studiert und dort auch promoviert. Danach war er Postdoc am NIH in Bethesda. Seit 1977 arbeitet Wallach in verschiedenen Funktionen am Weizmann Institute of Science in Rehovot, seit 1995 als ordentlicher Professor. Er erhielt verschiedene Preise für seine wissenschaftlichen Arbeiten, darunter den „Qutstanding Achievement Award from the International Cell Death Society“, den Merck-Serono-Preis, den EMET Prize in Life Sciences/Biotechnology der A.M.N. Foundation, sowie den Teva-Gründerpreis und den Rappaport-Preis für biomedizinische Forschung. Wallach war Präsident der International Cytokine Society und einer der Gründer und Mitorganisatoren einer alle zwei Jahre stattfindenden internationalen TNF-Konferenz. Er gehört verschiedenen Redaktionsbeiräten an und hat eine internationale Organisation ins Leben gerufen, die sich dem kulturellen Erbe der ehemaligen jüdischen Bevölkerung in Galizien und der Bukowina widmet. Es ist Vorsitzender des Vorstands dieser Organisation.

    Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
    Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf dem von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebiet besondere Verdienste erworben haben, insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie. Finanziert wird der seit 1952 verliehene Preis vom Bundesgesundheitsministerium, dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. und durch zweckgebundene Spenden folgender Unternehmen, Stiftungen und Einrichtungen: Christa Verhein Stiftung, Else Kröner-Fresenius-Stiftung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, C.H. Boehringer Sohn AG & Co. KG, Biotest AG, Hans und Wolfgang Schleussner-Stiftung, Fresenius SE & Co. KGaA, F. Hoffmann-LaRoche Ltd., Grünenthal Group, Janssen-Cilag GmbH, Merck Financial Services GmbH, Bayer AG, Holtzbrinck Publishing Group, Abbie Deutschland GmbH & Co. KG, Goethe Universität und die Rittershaus Rechtsanwälte Partnergesellschaft mbH. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung ausgewählt. Eine Liste der Stiftungsratsmitglieder ist auf der Internetseite der Paul Ehrlich-Stiftung hinterlegt.

    Die Paul Ehrlich-Stiftung
    Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung, die treuhänderisch von der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität verwaltet wird. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist Professor Dr. Peter Strohschneider, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung ist Professor Dr. Thomas Boehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, Vorsitzender des Kuratoriums ist Professor Dr. Jochen Maas, Geschäftsführer Forschung & Entwicklung, Sanofi-Aventis Deutschland GmbH. Prof. Dr. Wilhelm Bender ist in seiner Funktion als Vorsitzender der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität zugleich Mitglied des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Die Präsidentin der Goethe-Universität ist in dieser Funktion zugleich Mitglied des Kuratoriums.

    Hintergrundinformation zur Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises 2018 an Professor Dr. Anthony Cerami und Professor Dr. David Wallach

    TNF – ein Dirigent des Immunsystems

    Die wissenschaftlichen Leistungen der beiden Preisträger sind ein einzigartiges Beispiel für klinisch relevante Grundlagenforschung. Anthony Cerami und David Wallach haben entscheidend dazu beigetragen, die Wirkungen des Botenstoffs TNF zu entschlüsseln und seine Hemmung zu einem der wichtigsten Therapieprinzipien in der Medizin zu machen. Chronisch-entzündliche Erkrankungen wie Rheumatoide Arthritis, Psoriasis und Morbus Crohn werden heute erfolgreich mit Antikörpern und Proteinen behandelt, die TNF neutralisieren.

    TNF ist der Gefahrenmelder des Immunsystems und einer seiner wichtigsten Dirigenten. Die beiden diesjährigen Preisträger gehören zu den Pionieren der TNF-Forschung und haben das Feld über Jahrzehnte hinweg geprägt. Anthony Cerami hatte in den 1970er Jahren ein Protein identifiziert, das er zunächst Cachectin nannte, weil es bei Tieren mit einer Parasitenerkrankung zu einem pathologischen Gewichtsverlust führte, einer sogenannten Kachexie. Er arbeitete damals an der Rockfeller Universität in New York, an der er auch studiert und promoviert hatte. 1981 wurde ihm ein US-Patent zugesprochen, in dem er die Wirkung dieses Proteins beschrieb und in dem er darauf hinwies, dass eine Hemmung mittels Antikörper bei Erkrankungen wie Sepsis, Rheuma oder Kachexie nützlich sein könnte. 1985 zeigten Antony Cerami und Bruce Beutler dann, dass Cachectin und TNF identisch sind. TNF war damals als Mittel gegen Krebs im Gespräch. Seinen Namen hatte es von Lloyd Old erhalten, der im Sloan Kettering Cancer Center in New York arbeitete, das der Rockefeller Universität genau gegenüber liegt. Obwohl sich Cerami und Old mehrfach über die Proteine, an denen sie arbeiteten, ausgetauscht hatten, erkannten sie erst mit der Sequenzierung der Eiweiße und Gene, dass TNF und Cachectin identisch sind. Allerdings kam TNF nach dieser Entdeckung wegen seiner entzündungsfördernden Wirkung nicht mehr als Krebs-Medikament infrage. Die Enttäuschung derer, die an einer möglichen Krebstherapie gearbeitet hatten, bekam Cerami damals in Form persönlicher Anfeindungen deutlich zu spüren. Andererseits schien die Hemmung des TNFs ein vielversprechendes Therapieprinzip bei Entzündungen zu sein. In der Tat konnten Cerami und seine Kollegen 1987 zeigen, dass ein das TNF neutralisierender Antikörper im Tierversuch einen septischen Schock verhindert. Entwickelt wurden die Antikörper gegen TNF dann aber nicht gegen Sepsis oder Kachexie, wie Cerami dies ursprünglich vorgesehen hatte, sondern gegen Rheuma, Psoriasis, Morbus Crohn und vier weitere chronisch entzündlichen Erkrankungen.

    In den 1990er Jahren beschäftigte sich Cerami mit der Frage, wie der Körper eine angelaufene Entzündung wieder stoppt, damit es nicht zu unerwünschten Kollateralschäden im betroffenen Gewebe kommt. Er und seine Kollegen entdeckten, dass eine Variante des Botenstoffs Erythropoetin (EPO) ein natürlicher Gegenspieler des TNFs ist und eine antientzündliche Wirkung besitzt. EPO war bis dahin nur als Protein bekannt, das von den Nieren freigesetzt wird und die Bildung roter Blutkörperchen im Knochenmark induziert. Cerami konnte zeigen, dass EPO auch im Entzündungsgebiet entsteht und dort an einen Rezeptor bindet, der sich von dem für die Blutbildung relevanten Rezeptor im Knochenmark unterscheidet und der auch erst im Zuge der Entzündung exprimiert wird. Über die Bindung von EPO an diesen Rezeptor werden gefährdete Zellen vor dem programmierten Zelltod bewahrt und die zur Heilung erforderlichen Reparaturprozesse eingeleitet. Der Körper versucht damit, den Schaden durch das Trauma, die Infektion oder den zellulären Stress so gering wie möglich zu halten und so schnell wie möglich wieder zur Normalität zurückzukehren. Allerdings kommt EPO nur bedingt für eine solche Therapie infrage, weil die Behandlung aufgrund der Stimulation der Blutbildung mit einem hohen Risiko für Blutgerinnsel und Thrombosen verbunden ist. Cerami und seine Kollegen haben daher nach dem Anteil des EPOs gesucht, der das Gewebe vor Entzündungen schützt, aber keine Blutgerinnsel und Thrombosen verursacht. Sie fanden ein elf Aminosäuren langes Peptid mit dieser Funktion, das gerade in der klinischen Prüfung ist.

    Neben diesen Arbeiten zu TNF und EPO hat Anthony Cerami auch den Test zur Bestimmung des HbA1c-Werts entwickelt, der Auskunft über den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der vergangenen Wochen gibt. Er gilt als wichtiger Messwert zur Kontrolle einer Diabetes-Behandlung. Die Bestimmung des HbA1c-Werts ist deshalb heute ein wesentlicher Baustein der Verlaufskontrolle bei Patienten mit Diabetes.

    David Wallach ist auf ganz anderem Wege auf TNF gestoßen. Er war in den 1970er Jahren der Frage nachgegangen, ob der Körper molekulare Signalgeber besitzt, die die Zellen ganz gezielt und in regulierter Weise in den programmierten Tod schicken. Er stieß dabei auf ein Signal, dass er Cytotoxin nannte und von dem lange nicht klar war, ob es ein Zellgift ist, das die Zellen lediglich tötet oder ob es ein Botenstoff mit weitergehender Signalwirkung ist. Komplizierend kam hinzu, dass das Signal offensichtlich zwei Aktivitäten besaß, die ganz und gar nicht zusammenzupassen schienen. Wallachs Cytotoxin konnte den Zelltod induzieren, die Zellen aber auch resistent gegenüber dem Zelltod machen. Wallach erkannte, dass sich dieses Rätsel nur durch die sorgfältige biochemische Charakterisierung dieses Moleküls lösen ließ. Er reinigte das Protein und fand heraus, dass Cytotoxin und TNF identisch sind. Mit dieser Entdeckung wurden zwei bislang völlig unabhängige Forschungsfelder zusammengeführt.
    Wallach konzentrierte sich anschließend darauf, ein Protein zu finden, dass die Wirkung von TNF – für viele Zellen immerhin ein Todeskuss – unterbindet. Wallachs Gedanke: Wenn Zellen etwas derart Radikales wie ihren Suizid einleiten, muss es für den Organismus auch die Möglichkeit geben, den Untergang zu verhindern. Wallach fand bei der Suche die beiden TNF-Rezeptoren, den 55 kDa schweren TNF-Rezeptor 1 und den 75 kDa schweren TNF-Rezeptor 2. Zellen können die nach außen gerichteten Bindungsregionen der TNF-Rezeptoren kappen. Diese löslichen Rezeptor-Domänen fangen dann das TNF vor der Zelle ab und verhindern, dass es an die verbliebenen intakten Rezeptoren auf der Oberfläche der Zellen bindet und seine Wirkung entfaltet. Wallachs Arbeiten haben damit gezeigt, dass nicht nur Antikörper gegen TNF als Therapie bei chronisch-entzündlichen Erkrankungen in Frage kommen, sondern auch die löslichen Rezeptor-Domänen selbst. Das damit erkannte Therapieprinzip beruht auf einer kompetitiven Hemmung des TNFs. In der Tat ist ein Fusionsprotein aus Teilen des Rezeptors seit Jahren zur Behandlung chronisch entzündlicher Erkrankungen zugelassen.

    Wallachs Name ist zudem eng mit den Entschlüsselungen der Signalwirkungen des TNFs verbunden, was nach der Identifikation der beiden Rezeptoren möglich war. Die Zellen können entweder in den programmierten Zelltod geschickt werden oder zum Start eines Rettungsprogramms veranlasst werden. Wallach hat wichtige Proteine des durch TNF vermittelten programmierten Zelltods identifiziert und kloniert, unter anderem das Protein FADD und die Protease Caspase-8. Heute heißt dieser von außen über TNF angestoßene, zelluläre Suizid extrinischer programmierter Zelltod. Seine Forschung war auch grundlegend für das Verständnis des vom Zellinnern ausgelösten Zelltods, – des sogenannten intrinischen programmierten Zelltods – der nicht über die TNF-Rezeptoren vermittelt wird, sondern über die Mitochondrien, wenn dies aufgrund angesammelter Schäden nötig sein sollte. Wallach hat mit seinen konzeptionell bedeutsamen Arbeiten das gesamte Feld der Signalverarbeitung entscheidend vorangebracht.

    Weitere Informationen
    Alle Unterlagen der Pressemappe und Fotos der Preisträger sind unter www.paul-ehrlich-stiftung.de zur Verwendung hinterlegt. Der Abdruck ist kostenfrei. Die ausführlichen Lebensläufe, ausgewählte Veröffentlichungen und die Publikationslisten erhalten Sie von Dr. Hildegard Kaulen, Telefon: +49 (0) 6122/52718, E-Mail: h.k@kaulen.wi.shuttle.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

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