idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
07.06.2018 09:52

Sperma hemmt die Zika-Infektion - Warum die sexuelle Übertragungsrate beim Zika-Virus niedrig ist

Andrea Weber-Tuckermann Pressestelle
Universität Ulm

Hundert Millionen von Zika-Viren können sich im Sperma eines infizierten Mannes tummeln, und doch ist die Zahl der sexuell Infizierten bei dieser Viruserkrankung vergleichsweise gering. In den allermeisten Fällen werden Zika-Infektionen nämlich durch Stechmücken verbreitet. Ein internationales Forscherteam um den Ulmer Virologen Professor Jan Münch hat nun herausgefunden, dass Sperma die Zika-Viren hemmt. Verantwortlich dafür sind bestimmte Vesikel im Samenplasma, die es den Viren erschweren, an Zielzellen im Körper anzudocken. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications.

Hundert Millionen von Zika-Viren können sich im Sperma eines infizierten Mannes tummeln, und doch ist die Zahl der sexuell Infizierten bei dieser Viruserkrankung vergleichsweise gering. In den allermeisten Fällen werden Zika-Infektionen nämlich durch Stechmücken verbreitet. Ein internationales Forscherteam um den Ulmer Virologen Professor Jan Münch hat nun herausgefunden, dass Sperma die Zika-Viren hemmt. Verantwortlich dafür sind bestimmte Vesikel im Samenplasma, die es den Viren erschweren, an Zielzellen im Körper anzudocken. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse aktuell in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications.

Das Zika-Virus, das vor allem in Ländern Mittel- und Südamerikas und auf den Pazifischen Inseln verbreitet ist, kann schwere Verläufe von Hirnhautentzündung auslösen und bei Ungeborenen gravierende Entwicklungsstörungen des Gehirns wie die Mikrozephalie („kleiner Kopf“) hervorrufen. Die Ulmer Virologen und ihre Forschungspartner haben nun die sexuelle Übertragung dieser Viruserkrankung untersucht und dabei das menschliche Sperma unter die Lupe genommen: „Die Samenflüssigkeit ist reich an bioaktiven Substanzen. Dazu gehören anorganische Stoffe genauso wie organische Substanzen. Darunter sind beispielsweise Proteine, Enzyme, Zytokine, Hormone und Ionen“, erklärt Studienleiter Professor Jan Münch, der am Institut für Molekulare Virologie des Universitätsklinikums Ulm forscht. Diese Substanzen beeinflussen das vaginale Milieu und sind für die Infektiosität von sexuell übertragbaren Krankheiten entscheidend. So haben Wissenschaftler des Instituts in früheren Arbeiten aufgedeckt, das Amyloid-Fibrillen im Sperma die Übertragbarkeit von AIDS verursachenden HI-Viren massiv fördern. Bekannt ist andererseits, dass bestimmte Substanzen, die im Samenplasma gelöst sind, nicht nur einen zelltoxischen Effekt haben, sondern auch antimikrobiell wirken können. Die Ulmer Forscher waren nun neugierig, wie sich die Samenflüssigkeit auf die Infektiosität des Zika-Virus auswirkt und welche biochemischen Komponenten für diese Wirkungen verantwortlich sind.

„Wir waren sehr überrascht, als wir herausfanden, dass das Sperma die Infektion durch das Zika-Virus hemmt und nicht – wie bei HIV-1 – noch weiter verstärkt“, sagt Erstautor Dr. Janis Müller, Postdoktorand am Institut für Molekulare Virologie. So konnten das internationale Forscherteam einerseits zeigen, dass sich die Zika-Viren sowohl in Zellen des Genital- und Analtrakts effektiv vervielfältigen als auch in Geweben aus der Gebärmutter und Vagina. Wurden die Zell- und Gewebeproben vor der Infektion mit dem Zika-Virus mit Samenflüssigkeit in unterschiedlichen Konzentrationen präpariert, zeigten sich jedoch deutlich niedrigere virale Befallsraten in den Körperzellen und Geweben.
Doch wie kommt es zu diesem Effekt? Unter Aufwartung einer Vielzahl von Methoden – von der Molekulargewicht-Filtration und Partikel-Tracking Analyse zur Durchflusszytometrie und Fluoreszenz-, Konfokal- und Elektronenmikroskopie – kamen die Wissenschaftler dem „Viren-Stopper“ schließlich auf die Spur. „Extrazelluläre Vesikel, die im Sperma in großer Zahl vorhanden sind, vermindern die Anheftung der Viren an die Zellen und verhindern so die Infektion“, erläutert Münch. Bei diesen Vesikeln handelt es sich um bläschenförmige Partikel aus Membranprotein, die auf zellulärer Ebene für den Transport und die Lagerung von Stoffen verantwortlich sind.

Die Wissenschaftler konnten zudem experimentell zeigen, dass Samenflüssigkeit auch die Infektion durch das Dengue- und das West-Nil-Virus hemmt, die von derselben Stechmückengattung (Aedes) übertragen werden wie Zika. „Mit den gewonnenen Erkenntnissen lässt sich erklären, warum es trotz der enorm hohen Mengen an Viruspartikeln im Sperma nur selten zur sexuellen Übertragung von Zika kommt“, so die Forscher. Trotzdem gilt: wer in Zika-Gefahrengebiete reist, sollte sich gegen Moskitos schützen und beim Sex zum Kondom greifen. Denn auch HIV-1 und andere Krankheitserreger werden über ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen. Gefördert wurde das Projekt mit Mitteln der DFG und der Baden-Württemberg-Stiftung, beteiligt waren daran auch Wissenschaftler aus Heidelberg, Hamburg und Helsinki sowie aus Paris und San Francisco.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Jan Münch, Institut für Molekulare Virologie, Universitätsklinikum Ulm, Tel.: 0731 / 500 65154, E-Mail: jan.münch@uni-ulm.de;

Literaturhinweis:
Müller, J.A., Harms, M., Krüger, F., Groß, R., Joas, S., Hayn, M., Dietz, A.N., Lippold, S., von Einem, J., Schubert, A., Michel, M., Mayer, B., Cortese, M., Jang, K.S., Sandi-Monroy, N., Deniz, M., Ebner, F., Vapalahti, O., Otto, M., Bartenschlager, R., Herbeuval, J.-P., Schmidt-Chanasit, J., Roan, N.R., Münch, J., 2018. Semen inhibits Zika virus infection of cells and tissues from the anogenital region. Nat. Commun. 9, 2207. https://doi.org/10.1038/s41467-018-04442-y

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann


Weitere Informationen:

https://doi.org/10.1038/s41467-018-04442-y


Bilder

Prof. Jan Münch
Prof. Jan Münch
Foto: Elvira Eberhardt / Uni Ulm
None

Dr. Janis Müller
Dr. Janis Müller
Foto: privat
None


Anhang
attachment icon Konfokale fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von Vorhaut-Fibroblasten: Zu erkennen sind blau die Zellkerne, rot das Zytoskelett und grün Zika-Virus Proteine. Links ohne Zugabe von Samen, rechts mit.

Ergänzung vom 07.06.2018

Sehr geehrte Damen und Herren,
bedauerlicherweise ist uns in der Pressemitteilung ein Fehler unterlaufen.

Das Zika-, das Dengue- und das West-Nil-Virus werden nicht von der selben Stechmückengattung übertragen. Bitte entschuldigen Sie das Versehen.

Der Absatz lautet korrekt:
"Die Wissenschaftler konnten zudem experimentell zeigen, dass Samenflüssigkeit auch die Infektion durch das Dengue- und das West-Nil-Virus hemmt, die ebenfalls von Stechmücken übertragen werden."


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch


 

Hilfe

Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
Verknüpfungen

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

Klammern

Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

Wortgruppen

Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

Auswahlkriterien

Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).