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14.06.2018 11:15

Gießener Sportsoziologen untersuchen Fußball-Patriotismus in Deutschland

Lisa Dittrich Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Justus-Liebig-Universität Gießen

    Aktuelle Studien der Justus-Liebig-Universität Gießen befassen sich mit Auswirkungen internationaler Fußballturniere – Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und Fußball

    Mit der Fußball-WM beginnt in dieser Woche das für viele bedeutendste Sportereignis des Jahres. In aktuellen Studien haben Sportsoziologen der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) untersucht, wie solche Mega-Events in die Gesellschaft wirken und patriotische Verhaltensweisen und Einstellungen hervorrufen oder verstärken können. Forschungsgegenstand war auch, ob die Menschen in Deutschland während einer Fußball-EM oder -WM glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben sind. Alle drei Studien sind in diesem Jahr in führenden Fachzeitschriften erschienen. Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des Forschungsprojekts „Sportliche Großereignisse und die kollektive Identifikation der Bürgerinnen und Bürger“ (gefördert vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft) unter Federführung von Prof. Dr. Michael Mutz, Institut für Sportwissenschaft der JLU.

    In einer deutschlandweiten repräsentativen Umfrage, die in Zusammenarbeit mit dem Berliner Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap während der letzten Fußball-EM 2016 durchgeführt wurde, ging es unter anderem um die Frage, wie verbreitet fußballpatriotische Handlungen bei Erwachsenen sind und mit welchen politischen Einstellungen diese zusammenhängen. Die Befragten gaben beispielsweise an, ob sie während der EM 2016 die deutsche Flagge aufgehängt, ein Deutschland-Trikot getragen, die deutsche Nationalhymne vor einem Spiel mitgesungen, an einem Autokorso teilgenommen oder andere typische „Fan-Verhaltensweisen“ an den Tag gelegt haben.

    Die Ergebnisse zeigen, dass 40 Prozent der Deutschen mindestens eine dieser Handlungen ausgeführt haben. Rund 15 Prozent, die mindestens drei verschiedene Handlungen ausgeführt haben, gehören zum engeren Kreis der „Fußball-Patrioten“. Am häufigsten haben die Befragten angegeben, die Nationalhymne mitzusingen (21 Prozent), ein Deutschland-Trikot zu tragen (16 Prozent) oder eine Deutschland-Fahne aufzuhängen (15 Prozent).

    Fußballpatriotismus ist stärker verbreitet in jüngeren Altersgruppen, bei Westdeutschen (im Vergleich zu Ostdeutschen) und bei Familien mit Kindern im Haushalt. „In Familien kommt vor allem das Schminken und Schmücken der Wohnung in den Nationalfarben häufiger vor“, erläutert Prof. Mutz. „Geschlechterdifferenzen gibt es nicht, Frauen sind genauso oft in fußballpatriotische Handlungen involviert wie Männer.“ Die Studie zeigt auch, dass sich Fußball-Patrioten im politisch-ideologischen Links-Rechts-Spektrum seltener links einordnen.

    Eine weitere Studie der Gießener Arbeitsgruppe um Prof. Mutz verdeutlicht, dass Personen, unmittelbar nachdem sie ein siegreiches Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft angesehen haben, mehr Nationalstolz empfinden, sich enger mit Deutschland verbunden fühlen und Deutschland eher mit Werten wie „Fleiß“ und „Leistung“ in Verbindung bringen. Entscheidend für das Auftreten dieser Effekte ist aber, so Mutz, dass beim Zuschauen der Spielübertragung intensive Emotionen erlebt werden. Bei den Personen, die emotional nicht sehr stark involviert sind, verändern sich die Einstellungen zur Nation nicht. Die experimentelle Untersuchung zeigt, dass Personen, die bei Spielen der deutschen Mannschaft emotional stark mitfiebern, sich von Anfang an stärker mit Deutschland als Nation identifizieren, sich diese Identifikation nach dem Spielen aber nochmals verstärkt.

    „Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist gerade während einer EM oder WM für viele Menschen ein Ankerpunkt für Identifikation und Zugehörigkeit“, sagt Prof. Mutz. Zugleich finde, so der Sportsoziologe, „fast automatisch bei vielen Zuschauerinnen und Zuschauern ein Transfer statt: Der Erfolg der deutschen Elf wird auf den Nationalstaat insgesamt projiziert, der nun auch positiver besetzt bzw. normativ und affektiv aufgeladen wird.“

    Eine dritte Studie der Arbeitsgruppe hat schließlich den Zusammenhang von Fußball und Lebenszufriedenheit in den Blick genommen. Während der Fußball-EM 2016 gaben die Menschen in Deutschland an, glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben zu sein als einen Monat zuvor und zwei Monate nach dem Turnier. Der kurzfristige Anstieg der Zufriedenheit war besonders prägnant bei Fußballinteressierten und bei Sympathisantinnen und Sympathisanten der DFB-Auswahl. Die Menschen, die sich gar nicht für Fußball interessieren, waren während der EM aber zumindest nicht unglücklicher. Knapp zwei Monate nach Ende des Turniers war der Fußballeffekt verflogen und die Zufriedenheit lag wieder auf dem Ausgangsniveau.

    Prof. Dr. Michael Mutz hat seit April 2016 die Professur für Sozialwissenschaften des Sports an der JLU inne und leitet das Forschungsprojekt „Sportliche Großereignisse und die kollektive Identifikation der Bürgerinnen und Bürger“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Bildungs- und Sozialisationsleistungen des Sports, Diversität und Interkulturalität im Sport sowie Rezeption von sportlichem Erfolg in der Öffentlichkeit.

    Publikationen
    Die aktuellen Studien der Gießener Arbeitsgruppe sind unter den folgenden Links aufrufbar:

    Mutz, M. (2018). Football-related patriotism in Germany and the 2016 UEFA EURO. German Journal of Exercise and Sport Research, 48, 287-292.
    https://doi.org/10.1007/s12662-018-0490-7

    Mutz, M. & Gerke, M. (in press). Major Sporting Events and National Identification: The Moderating Effect of Emotional Involvement and the Role of the Media. Communication & Sport. https://doi.org/10.1177/2167479517733447

    Mutz, M. (in press). Life satisfaction and the UEFA EURO 2016: Findings from a nation-wide longitudinal study in Germany. Applied Research in Quality of Life.
    https://doi.org/10.1007/s11482-018-9599-y

    Kontakt

    Prof. Dr. Michael Mutz, Institut für Sportwissenschaft
    Arbeitsbereich Sozialwissenschaften des Sports
    Kugelberg 62, 35394 Gießen
    Telefon: 0641 99-25203
    E-Mail: michael.mutz@sport.uni-giessen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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