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Wissenschaft
Linke und rechte Hirnhälfte sind auf unterschiedliche Aufgaben spezialisiert. Wie genau es einer Hemisphäre gelingt, bei einer bestimmten Funktion Dominanz über die andere zu gewinnen, ist jedoch unklar. Neue Erkenntnisse dazu beschreiben Biopsychologen der Ruhr-Universität Bochum in der Zeitschrift „Cell Reports“, online veröffentlicht am 30. Oktober 2018. Dr. Qian Xiao und Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün zeigten an Tauben, dass geringe Unterschiede im zeitlichen Aktivitätsmuster der beiden Hemisphären für die Dominanz verantwortlich sind.
Neuer Forschungsansatz
Die beiden Hirnhälften sind über dicke Nervenfaserbündel, die sogenannten Kommissuren, miteinander verbunden. „Bislang ging man davon aus, dass die dominante Hemisphäre über die Kommissuren hemmende Signale an die andere Hemisphäre sendet und dort auf diese Weise gewisse Funktionen unterdrückt“, erklärt Onur Güntürkün. Allerdings gibt es nicht nur hemmende Interaktionen zwischen den beiden Hemisphären, sondern auch erregende. „Wie genau funktionelle Hirnasymmetrien zustande kommen, blieb daher ein Rätsel“, so Güntürkün.
Im Bochumer Biopsychologie-Labor gingen die Forscher die Frage daher mit einem neuen Ansatz an. Sie ließen Tauben einen Farbunterscheidungstest durchführen, während sie die Aktivität von einzelnen Zellen im visuomotorischen Vorderhirn der Tiere ableiteten. Diese Hirnregion verarbeitet Informationen des Sehsinns und steuert motorische Funktionen anhand von visuellem Input. Bei Vögeln ist die linke Hemisphäre bei diesen Aufgaben dominant.
Kommunikation blockiert
Um den Einfluss der interhemisphärischen Interaktion zu untersuchen, blockierten Xiao und Güntürkün gelegentlich die Aktivität der Neurone, die mit der anderen Hemisphäre kommunizieren. Sie beobachteten, wie diejenigen Neuronen darauf reagierten, die normalerweise Input aus der anderen Hemisphäre bekommen. So konnten sie entschlüsseln, welchen Einfluss die Interaktion zwischen den beiden Hirnhälften normalerweise hat.
Das Ergebnis: Wenn die beiden Hirnhälften um die Kontrolle konkurrieren, kann die linke Hemisphäre die Aktivität von Neuronen in der rechten Hemisphäre verzögern. „Die rechte Hemisphäre ist dann schlicht zu spät dran, um die Antwort zu kontrollieren“, schildert Onur Güntürkün. Prinzipiell, so zeigten die Forscher auch, können die Neuronen auf der rechten und linken Seite ihre Aktivität aber auch synchronisieren.
Auf das Timing kommt es an
„Dieses Resultat zeigt, dass hemisphärische Dominanz durch einen ausgeklügelten Mechanismus entsteht“, resümiert Onur Güntürkün. „Sie hängt nicht nur von einem allgemeinen hemmenden oder erregenden Einfluss ab, sondern von winzigen zeitlichen Verschiebungen in der Nervenzellaktivität auf der gegenüberliegenden Seite.“
Förderung
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützte die Arbeiten im Rahmen der Sonderforschungsbereiche 874 und 1280.
Prof. Dr. Dr. h. c. Onur Güntürkün
Arbeitseinheit Biopsychologie
Fakultät für Psychologie
Ruhr-Universität Bochum
Tel.: 0234 32 26213
E-Mail: onur.guentuerkuen@rub.de
Qian Xiao, Onur Güntürkün: Asymmetrical commissural control of the subdominant hemisphere in pigeons, in: Cell Reports, 2018, DOI: 10.1016/j.celrep.2018.10.011
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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